Im Zweiten Weltkrieg wurden dort Kurbelwellen für Kriegsflugzeuge gebaut. Drei Glinder haben sich auf Spurensuche begeben. Herausgekommen ist eine Ausstellung
Glinde. Wie ist Glinde zu dem geworden, was es heute ist? Mit dieser Frage haben sich drei Glinder zwei Jahre lang beschäftigt und sind zu einem überraschenden Ergebnissen gekommen: Der Aufstieg der Stadt begann im Zweiten Weltkrieg. „Das macht uns zwar nicht besonders stolz, dennoch ist es ein spannendes Stück Geschichte“, sagt Carsten Walczok, Glindes Stadtarchivar. Denn die Stadt profitierte damals von der wachsenden Rüstungsindustrie. Am Glinder Weg baute die Firma Krupp ein Kurbelwellenwerk. Die Geräte wurden damals in Bomber und andere Kriegsflugzeuge gebaut.
Die Ergebnisse der Recherche, die der 51-Jährige gemeinsam mit Heinz Juhre, der als wandelndes Glinde- Lexikon gilt, und Gerrit Oswald gemacht hat, sind ab Freitag, 31. Januar, im Festsaal des Marcellin-Verbe-Hauses zu sehen. Die Besucher erwartet dort eine Reise ins Jahre 1936. Glinde hatte damals nur wenige Hundert Einwohner. Dies hat sich aber schlagartig geändert, als die Firma Krupp am Glinder Weg ein Kurbelwellenwerk eröffnete. „Es gab mehrere Faktoren, die für den Standort sprachen“, sagt Walczok. Zum einen verliefen dort die Eisenbahngleise und in der Nähe des 5750 Quadratmeter großen Betriebsgeländes stand eine große Villa auf dem Karolinenhof, die als Gästehaus und Wohnsitz der Eigentümer diente.
Bei den Recherchen traf der Stadtarchivar gemeinsam mit Bürgermeister Rainhard Zug auch Eckbert von Bohlen und Halbach, den Sohn des Industriellen Berthold von Bohlen und Halbach, dem jüngeren Bruder des letzten Inhabers der Friedrich Krupp AG, Alfried Krupp von Bohlen und Halbach. „Das war ein sehr offenes Gespräch“, sagt Walczok, der daraus viele neue Erkenntnisse gewonnen hat.
Denn viele Unterlagen gibt es nicht mehr. Sie wurden nach dem Krieg zerstört“, so Walczok. Deswegen war die Suche auch wie ein Puzzle, das man nach und nach zusammensetzt. „Wir haben herausgefunden, dass mit dem Werk auch sprunghaft die Einwohnerzahl stieg. Bevor es eröffnet wurde, hatte Glinde nur 350 Einwohner, im Werk arbeiten unseren Schätzungen zufolge später 6000 Menschen“, sagt Heinz Juhre. Somit entstand die Krupp-Siedlung mit 163 Häusern zwischen dem Tannenweg und dem Papendieker Redder. „Das war in der NS-Zeit üblich, dass die Arbeiter ein Haus bauten“, so Juhre.
Doch nicht allen Arbeitern ging es so gut. Das berichten Zeitzeugen, mit denen die Glinder gesprochen haben. Denn es wurde auch ein Barackenlager errichtet, das Lager Wiesenfeld am Holstenkamp. Die Menschen dort kamen beispielsweise aus der Ukraine, wurden bewacht und durften die Anlage nicht verlassen. Nach dem Krieg nahmen die Briten das Kurbelwellenwerk ein und demontierten alle Anlagen und Maschinen. Erst 1955 kehrte in die leeren Hallen wieder die Industrie zurück. Damals begann die Firma Jurid dort Bremsbeläge herzustellen. Das ist auch heute so, nur, dass das Unternehmen heute Honeywell heißt.
Dort arbeitet der Ingenieur Gerrit Oswald, der sich ebenfalls in seiner Freizeit auf Spurensuche begeben hat. Er hat umfangreiches Bildmaterial gesammelt, das die Anlage und das Lager Wiesenfeld zeigt. Dieser Bilder sollen im Bürgerhaus ausgestellt werden. Damit aber nicht genug. Oswald hat auch 18 kleine Modellflugzeuge von den Typen nachgebaut, in denen Kurbelwellen aus Glinde verbaut wurden.
„Wir hoffen zudem, dass wir eine echte Kurbelwelle aus dem Luftwaffenmuseum in Berlin bekommen“, so Walczok. Bürgermeister Zug freut sich indes, dass Eckbert von Bohlen und Halbach seinen Besuch zur Vernissage angekündigt hat. Die Ausstellung soll zwei Wochen zu sehen sein. Die Öffnungszeiten werden kurz vor der Eröffnung noch veröffentlicht.