Die Budgets seien zu klein, kritisieren Krankenhauschefs. Nachteile für Patienten drohten. Das 1,1-Milliarden-Hilfspaket aus Berlin reiche bei Weitem nicht aus.
Reinbek/Großhansdorf. Weniger Pfleger im Tages- und Nachtdienst, ein immer schlechteres Arbeitsklima in Kliniken - und sogar die Schließung ganzer Krankenhäuser: Das sind die drohenden Folgen einer Unterfinanzierung, die aus Sicht von Stormarner Krankenhaus-Chefs schon lange existiert. Ihre Kliniken haben sich deshalb einer landesweiten Protest-Kampagne angeschlossen, die noch bis September laufen soll. Zwar hat die Bundesregierung am Freitag eine Finanzspritze in Höhe von 1,1 Milliarden Euro beschlossen. Doch von Freude darüber ist nichts zu spüren. Ganz Im Gegenteil: Von "Augenwischerei" kurz vor der Bundestagswahl ist die Rede, die zusätzlichen Mittel seien bei Weitem nicht ausreichend.
Lothar Obst ist kaufmännischer Direktor am St. Adolf-Stift in Reinbek, sein Metier sind Zahlen, Daten, Kalkulationen. Doch der nüchtern wirkende Mann gerät in Rage, wenn er über die derzeitige Krankenhaus-Finanzierung spricht. Ein "Skandal erster Ordnung" sei die Situation, die dazu führe, dass sich die wirtschaftliche Lage der Reinbeker Klinik in den vergangenen Jahren "dramatisch verändert" habe.
Das Hauptproblem sieht er in Berlin, genauer im dortigen Gesundheitsministerium. Dort legen die Beamten Jahr für Jahr fest, um welchen Prozentsatz die Budgets der Kliniken steigen dürfen. Die genauen Summen, die dann über die Krankenkassen fließen, werden auf Landesebene ausgehandelt. Doch wegen der Vorgaben aus Berlin gerieten die Kliniken ins Hintertreffen. "Die Budgets wachsen seit Jahren nicht mehr so stark wie die Löhne und die Energiekosten", sagt Obst. Er rechnet vor: "Im Jahr 2013 lag die Budgetsteigerung bei zwei Prozent. Wir hatten aber Steigerungen bei den Gehältern von 6,3 Prozent."
Die Konsequenz: "1,8 bis 2,4 Millionen Euro in unserem Budget sind deshalb in diesem Jahr nicht gedeckt. Die Summen müssen wir anders aufbringen." Lothar Obst betont, dass seine Klinik "Gott sei Dank" noch keine roten Zahlen schreibe. Aber er sagt auch: "Der Weg bis zur Wand ist erkennbar." Andere Häuser seien schon in den roten Zahlen - die Entwicklung führe zu Klinkschließungen, wie er sagt. "Es wird weniger Krankenhäuser in Schleswig-Holstein geben." Obst hofft, dass das Reinbeker Klinikum erhalten bleibt, aber: "Garantieren kann ich das auch nicht." Sparen könne die Klinik jedenfalls nicht mehr, zur Not müsse das Krankenhaus eben Patienten abweisen. "Dann klingeln die Leute eben. Aber sie klingeln umsonst."
Probleme sieht auch Wolfgang Gerckens, kaufmännischer Geschäftsführer der LungenClinic in Großhansdorf. "Es könnte sein, dass wir zu Rationalisierungen im Personalbereich gezwungen werden. Die Folge wäre, dass wir dann weniger Pfleger im Tages- oder Nachtdienst hätten." Das Arbeitsklima würde sich verschlechtern - was wiederum den Fachkräftemangel verstärken würde: "Die Verweildauer in Pflegeberufen geht schon jetzt dramatisch nach unten. Es wird immer schwieriger, Nachwuchs zu rekrutieren."
Christian Rotering, Geschäftsführer der Park-Klinik Manhagen in Großhansdorf, äußert sich nicht so detailliert zu möglichen Konsequenzen. Letztlich sei die Lage aber ähnlich: "Der Druck auch auf uns wächst. Und die Wirtschaftlichkeitsreserven sind nahezu erschöpft." Vonseiten der Asklepios-Klinik in Bad Oldesloe heißt es: "Wir sehen die Entwicklung der vergangenen Jahre bei der Finanzierung des Klinikbetriebs kritisch." Der Kostendruck sei "spürbar", sagt Sprecher Matthias Eberenz.
Und Regina Matheis, Sprecherin des Heinrich-Sengelmann-Krankenhauses (HSK) in Bargfeld-Stegen, sagt knapp: "Auch im HSK wird die Schere zwischen der Refinanzierung und den realen Kosten deutlich." Ihr Haus unterstützt, wie alle Kliniken in Stormarn, eine Kampagne der Krankenhausgesellschaft Schleswig-Holstein. Bis September werden Unterschriften gesammelt, die Listen liegen unter anderem in der LungenClinic Großhansdorf aus.
Zu den Kernforderungen gehört, dass die Budgets endlich ebenso stark wachsen wie die realen Kosten. Im Kieler Gesundheitsministerium wird das offenbar genauso gesehen: "Die Krankenhaus-Initiative unterstützt unsere Forderungen gegenüber dem Bund nach einer angemessenen Krankenhaus-Finanzierung", sagt die Staatssekretärin Anette Langner. Eine "stärkere Berücksichtung der tatsächlichen Kostensteigerungen" sei notwendig.
Der Ball liegt, so sehen es die Kieler offenbar, im Feld der Kollegen in Berlin. Dort hat man indes schon reagiert - die schwarz-gelbe Regierungsmehrheit beschloss erst am Freitag eine Finanzspritze für Deutschlands Kliniken. Volumen: 1,1 Milliarden Euro für die Jahre 2013 und 2014. Konfrontiert mit den Forderungen aus Kiel und Stormarn, verweist das Gesundheitsministerium auf dieses Hilfspaket. Es enthalte auch Ausgleiche für den so oft beklagten Unterschied zwischen Budgets und Kostensteigerungen, wie Sprecherin Susanne Wackers sagt. Sie drückt es so aus: "Die Tariferhöhungen des laufenden Jahres, die oberhalb des sogenannten Veränderungswertes liegen, werden dauerhaft anteilig refinanziert."
Sorgt der Beschluss nun für Ruhe in den Kliniken? Mitnichten. Lothar Obst sieht sich und sein Haus regelrecht zu Wahlkampfzwecken missbraucht. Die 1,1 Milliarden seien "ein Tropfen auf den heißen Stein. Das treibt mir die Zornesröte ins Gesicht." Auch in dem Satz der Ministeriums-Sprecherin vermag er nicht viel Gutes zu erkennen. Ihn stört insbesondere das Wort "anteilig": Das heißt doch, es werden lediglich 50 Prozent ausgeglichen." Nicht viel anders bewertet Wolfgang Gerckens den Beschluss aus Berlin: "Das ist doch Augenwischerei", sagt er. Die benötigten Mittel seien viel höher.
An der Kampagne der Krankenhaus-Gesellschaft will sich Gerckens nun erst recht beteiligen, die Unterschriften sollen vor der Bundestagswahl in Berlin übergeben werden. Menschen, die das Anliegen der Kliniken unterstützen wollen, rät er, sich auf der Internetseite www.kgsh.de genau zu informieren.