Wegen des Schuldenbergs streicht Kiel die Beibehaltungsförderung für ökologischen Landbau - Stormarner sind sauer
Ahrensburg. Stormarner Biobauern schütteln die Köpfe über die Sparpläne der Landesregierung. Im Zuge des Sparpakets soll die Förderung für den ökologischen Landbau drastisch eingeschränkt werden. Schleswig-Holstein ist bundesweit bislang das einzige Land, das die sogenannte Beibehaltungsförderung komplett einstellen und somit ab 2013 pro Jahr 800 000 Euro einsparen will. "Es ist völlig eigenartig und bundesweit einmalig. Denn eigentlich ist es politisch gewollt, die ökologische Landwirtschaft zu fördern", sagt Georg Lutz. Er führt seit mehr als 20 Jahren den Biobauernhof Gut Wulfsdorf samt Hofladen. Die ökologische Landwirtschaft führe unter anderem zu deutlich geringeren Folgekosten, etwa durch den Wegfall von Pestizid-Rückständen in den Produkten. Lutz vermutet, dass Lobbyisten hinter der Entscheidung stehen.
Christian Seyfert, Pressesprecher des Ministeriums für Umwelt und Landwirtschaft in Kiel, verteidigt die Entscheidung: "Wir nehmen mit den Sparvorhaben der gesamten Landwirtschaft etwas weg. Das hat uns auch keinen Spaß gemacht." Dennoch sei Kiel zum Sparen gezwungen. "Schleswig-Holstein verschuldet sich jährlich mit 1,25 Milliarden Euro zusätzlich." Durch die Schuldenbremse in der Landesverfassung sei die Politik dazu verpflichtet, Einschnitte vorzunehmen. Zwar steht Schleswig-Holstein bisher mit dem Schritt allein da. Doch nach Meinung Seyferts stößt das Land lediglich einen Trend an: "Auch wenn es viele nicht gern hören, denke ich, wir werden nicht die einzigen bleiben, die die Beibehaltungsförderung einstellen."
Von einem "Nord-Süd-Gefälle" bei der Förderung spricht dagegen Carola Ketelhodt, Geschäftsführerin des Bioland Landesverbandes und damit auch Interessenvertreterin von mehr als 300 Biobauern in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern. "Und selbst im bekanntlich nicht reichen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern ist die Förderung höher als in Schleswig-Holstein." Ketelhodt nennt die Entscheidung "tragisch". Die Schleswig-Holsteiner Biobauern würden eindeutig benachteiligt, obwohl der Markt für Bioprodukte da sei.
Von Wettbewerbsverzerrung spricht auch Rolf Winter. Er ist Inhaber und Geschäftsführer des Gutes Wulksfelde in Tangstedt mit 260 Hektar Acker- und Grünland. "Der Einschnitt gefährdet unseren Betrieb nicht, weil wir vielseitig aufgestellt sind und die Produkte selbst vermarkten. Doch die Bauern, die keine Direktvermarktung haben, wird es schwerer treffen." Die Folgen würden sich langfristig auswirken, glaubt der 54-Jährige, der seit 20 Jahren im Geschäft ist. Der ökologische Landbau habe sich zu einem großen Wirtschaftszweig in Schleswig-Holstein entwickelt. "Es ist doch viel sinnvoller, die Betriebe zu unterstützen; auch weil die Biolandwirtschaft ein buntes und lebendiges Element etwa für den Tourismus ist."
Mit dem Wegfall der Beibehaltungsförderung gehen den Bauern nicht allein Landesmittel verloren. Da sie kofinanziert und zu 82 Prozent durch Mittel der EU und des Bundes getragen wird, entgehen den Bauern nahezu vier Millionen Euro. Zwar sei es bitter, dieses Geld nicht anzapfen zu können, so Seyfert. Doch: "Wir sind mit dem Karren schon so weit im Dreck, dass wir nicht alle EU-Mittel binden können."
Für Biobauern gab es bislang zwei Arten der Förderung: Entscheidet sich ein Landwirt, seinen konventionellen Betrieb auf den ökologischen Landbau umzustellen, erhält er für zwei Jahre eine Umstellungsförderung, die in Schleswig-Holstein bislang 262 Euro pro Hektar Acker- und Grünland beträgt. In den folgenden drei Jahren gibt es 137 Euro. Dafür verpflichtet sich der Landwirt, mindestens für fünf Jahre als Biobauer zu arbeiten. Auch der Satz für die Umstellungsförderung wird jedoch auf 187 Euro gesenkt. Sie wird auch weiterhin gezahlt - zumindest in Regionen, wo das Grundwasser durch Nährstoffeinträge wie Dünger gefährdet ist. Nach den ersten fünf Jahren konnte der Biolandwirt bislang einen Folgeantrag stellen und damit eine Beibehaltungsförderung für weitere fünf Jahre einstreichen. In Schleswig-Holstein lag sie bei 137 Euro pro Hektar Acker- oder Dauergrünland. Für Gemüse und Dauerkulturen liegen die Sätze höher. Einsparungen im Haushalt erwartet das Ministerium jedoch erst ab 2013, weil viele Verträge nicht in diesem Jahr auslaufen. Für Lutz ist der Sparplan eine Milchmädchenrechnung: "Durch die Einschnitte gehen die Steuereinnahmen deutlich zurück. Der Ökoring Schleswig-Holstein hat errechnet, dass dem Land rund 900 000 Euro im Jahr verloren gehen." Für seinen Betrieb rechnet er mit Mindereinnahmen von 40 000 Euro pro Jahr. "Das wären zwei Angestellte", rechnet Lutz vor. Im Sommer arbeiten auf seinem Hof 60 Leute. Sie bestellen 360 Hektar Acker- und Weideland und versorgen die rund 300 Rinder und anderen Tiere. Der Hof bietet die gesamte Produktpalette an, viele der Konsumenten der Bioprodukte schauen sich auch auf dem Hof um. Lutz: "Es geht mir nicht nur um das Geld, sondern auch darum, unsere gesellschaftlichen Leistungen zu honorieren." Der Biobauer-Pionier kritisiert auch die Informationspolitik des Ministeriums. "Ich habe von dem Schritt bisher nur über Kollegen gehört." Es sickere von oben nach unten durch. Lutz: "Ein Bauer, der nicht vernetzt ist, wird wohl erst davon erfahren, wenn er einen abschlägigen Bescheid für seinen Folgeantrag erhält."
Verbände wie der Bioland Landesverband wollen nun die Mitglieder der Landesregierung umstimmen und auch den Landtagsabgeordneten die Folgen bewusst machen.