Stormarn ist Bindeglied zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein und könnte zum Vorreiter einer Kooperation der beiden Nachbarn werden.
Glinde. Stormarn könnte zum Vorreiter einer engeren Kooperation der beiden Nachbarn Hamburg und Schleswig-Holstein werden. Zwei Bereiche bieten sich nach Einschätzung des Barsbütteler SPD-Landtagsabgeordneten Martin Habersaat dafür besonders an: die Schulen und die Wirtschaft. Habersaat ist Mitglied einer Landtagskommission zur norddeutschen Zusammenarbeit. Sie hat nach fast zweijähriger Arbeit nun ihren Abschlussbericht vorgelegt.
Von allen Kommissionsmitgliedern getragene Handlungsempfehlungen gibt es allerdings nicht. Jede Landtagsfraktion hat ihre Vorstellungen in eigenen Stellungnahmen formuliert. Wobei sie teilweise deckungsgleich sind. Im Bereich der Wirtschaft sind sich die Fraktionen zum Beispiel darin einig, dass die Nordstaaten eine gemeinsame Förderpolitik betreiben sollten.
Die SPD geht noch einen Schritt weiter und schlägt vor, gemeinsam Gewerbegebiete auszuweisen. Dies hatte auch Norbert Leinius vorgeschlagen, der Geschäftsführer der Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft Stormarn (WAS). Er hatte der Kommission im Dezember 2010 unter anderem berichtet, dass in Hamburg Gewerbeflächen knapp werden, weshalb die Firmen vermehrt im "Speckgürtel" nach Grundstücken suchen. Die Ausweisung gemeinsamer, grenzüberschreitender Gewerbegebiete könnte eine Lösung des Problems sein. Habersaat sieht dafür in Stormarn besonders gute Möglichkeiten. "Wir haben zum Beispiel das Gewerbegebet Stapelfeld/Braak, das man Richtung Hamburg erweitern könnte", sagte er. "Auch in Barsbüttel wäre so etwas möglich."
Allerdings müssten dabei noch viele Hindernisse überwunden werden. Wichtigster Punkt: Wie werden die Gewerbesteuereinnahmen zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein aufgeteilt? "Das ist alles nicht einfach", sagt Habersaat. "Aber ich traue es Norbert Leinius zu, dass er es schafft, in Stormarn das erste grenzüberschreitende Gewerbegebiet im Norden hinzubekommen."
+++ Schon 1991 gab es einen Kooperationsversuch +++
Stormarn könnte auch im Bereich der Bildung zu einem Vorreiter werden. Die Landes-SPD will dafür sorgen, dass die freie Schulwahl im ganzen Norden zur Realität wird. Derzeit regelt ein Gastschulabkommen, unter welchen Voraussetzungen ein Jugendlicher aus Schleswig-Holstein eine Schule in Hamburg besuchen kann - und umgekehrt. Dieses Abkommen hat schon in der Vergangenheit für viel Verdruss gesorgt. Dieser Tage sorgt es erneut für Ärger , denn schleswig-holsteinische Kommunen müssen nun für diejenigen Schüler, die in Hamburg unterrichtet werden, einen Schulkostenbeitrag zahlen, bekommen aber im Gegenzug kein Geld für Hamburger, die eine Schule in ihrem Ort besuchen. Glinde hat sich deshalb bereits geweigert, diesen Schulkostenbeitrag zu zahlen.
Habersaat, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, will nun für den Fall, dass seine Partei nach der Landtagswahl im Mai die Regierung stellen sollte, das Gastschulabkommen durch eine "bessere Regelung" ersetzen. In einem zweiten Schritt will er dann dafür sorgen, dass die beiden Bundesländer eine gemeinsame Schulentwicklungsplanung betreiben.
Das Fernziel lautet: Identische Bildungssysteme sollen dafür sorgen, dass ein Umzug von Hamburg nach Schleswig-Holstein möglich ist, ohne dass sich die Kinder schulisch völlig neu orientieren müssen. "Stormarn liefert dafür eigentlich schon jetzt die Voraussetzungen", sagt Habersaat. "Wir haben hier keine Regional-, sondern nur Gemeinschaftsschulen. Sie sind den Hamburger Stadtteilschulen sehr ähnlich. Und wir haben hier - wie in Hamburg - nur Gymnasien, die in acht Jahren zum Abitur führen."
Im aktuellen Streit um die Schulkostenbeiträge setzt Habersaat auf eine "schülergenaue" Abrechnung. "Ich stelle mir vor, dass jeder Schüler in seiner Schultasche gleichsam den Schulkostenbeitrag dabei hat und ihn da abliefert, wo er unterrichtet wird." Und das gelte dann eben auch für Hamburger in Schleswig-Holstein. Die derzeitige Situation - viele Schleswig-Holsteiner besuchen Hamburger Schulen, nur wenige Hamburger gehen den umgekehrten Weg - wird sich nach Ansicht von Habersaat rasch in Richtung eines Gleichgewichts verändern, wenn die Eltern im Bereich der Landesgrenze wirklich die freie Schulwahl haben. "Die Schulen in Stormarn sind gut ausgestattet", sagt der Barsbütteler, der in Hamburg zur Schule gegangen ist. "Warum sollten sich nicht Eltern aus Jenfeld entscheiden, ihre Kinder in Barsbüttel unterrichten zu lassen?"
Die Sozialdemokraten wünschen sich einen gemeinsamen Ausschuss
Der Taktgeber für eine stärkere Kooperation der beiden Bundesländer sollte nach Ansicht des Landtagsabgeordneten ein gemeinsamer Ausschuss der beiden Parlamente sein. Die Hamburger Bürgerschaft hat einem entsprechenden Antrag bereits zugestimmt. Im Kieler Landtag gibt es dafür derzeit keine Mehrheit. Die Christdemokraten sind dagegen. Sie favorisieren ein Regierungsabkommen zwischen beiden Ländern, über das am 28. Februar bei einer gemeinsamen Kabinettssitzung gesprochen werden soll. Habersaat findet, man könne beides tun. "Ein gemeinsamer Ausschuss hat den Vorteil, dass er regelmäßig tagt. Damit ist das Thema Kooperation auch regelmäßig Gegenstand der politischen Debatten." Der Ausschuss könnte sich um die bereits bestehenden Einrichtungen der beiden Länder kümmern, zum Beispiel um das Statistikamt. Außerdem sollte er nach Ansicht Habersaats Zielvorgaben für einzelne Kooperationsschritte erarbeiten. "Wir brauchen einen Fahrplan für mehr Gemeinsamkeit."