Grabau. Das Opfer erzählt, wie die Täter vorgegangen sind. Polizei gibt Tipps zum richtigen Verhalten.
Wie viel Geld Heiner Schulz (Name von der Redaktion geändert) am Ende genau verloren hat, kann er gar nicht genau beziffern. Bei all den Überweisungen, die er getätigt hat, den Krediten, die er aufgenommen hat, hat er den Überblick verloren. Fest steht aber: Es wird ein sechsstelliger Betrag sein. Viel davon hat er aus eigenem Kapital bezahlt, einiges hat er sich von Banken geliehen. Deshalb hat er aktuell noch 35.000 Euro Schulden.
Das Geld, das er verloren hat, wird er wohl nicht mehr wiedersehen. „Ich habe bei der Polizei Anzeige erstattet, aber die sagten mir, dass die Erfolgschancen bei den Ermittlungen gering sind“, so Schulz. Der Grabauer, der anonym bleiben möchte, ist Opfer von Bitcoinbetrug geworden.
Viele Menschen kennen sich mit Bitcoin nicht aus: Das nutzen die Täter aus
Bitcoin ist die älteste und weltweit führende Kryptowährung. Kryptowährungen sind digitale Währungen, die durch einen komplexen Algorithmus verschlüsselt sind. Sie ermöglichen bargeldlosen Zahlungsverkehr und entziehen sich der Aufsicht oder Mitwirkung von Banken und Behörden. Kryptowährungen dienen zur Wertaufbewahrung und zum Handel.
Weil Bitcoin und Kryptowährung vielen Menschen abstrakt erscheint, ist der Bereich auch eine Quelle für Betrugsmaschen, die immer häufiger vorkommen. Oft nutzen die Täter den eigenen Wissensvorteil aus. Sie bringen ihre Opfer dazu, Geld in Kryptowährungen zu investieren und versprechen immens hohe Gewinne. Oft bauen sie seriös wirkende Internetseiten, auf denen die Opfer vermeintlich ihren Vermögensgewinn verfolgen können. Das motiviert viele Opfer, immer mehr Geld einzuzahlen.
Betrüger ködern ihre Opfer mit seriös wirkenden Internetseiten
Doch die Seiten sind fake. Möchten sich die Opfer irgendwann ihr virtuelles Geld auszahlen lassen, passiert nichts. Oft ziehen sich solche Fälle über Monate hin. Nicht selten verlieren die Opfer zehn- oder hunderttausende Euro, ehe ihnen überhaupt bewusst wird, dass sie auf einen Betrüger hereingefallen sind. Eine Anzeige bei der Polizei kommt meistens zu spät.
Etwas ähnliches ist auch Heiner Schulz passiert. „Es fing alles im November 2022 an“, sagt er. Damals sei er angerufen worden. „Mir wurde gesagt, dass ich 75.000 Euro gewonnen habe.“ Würde er das Geld in Kryptowährung investieren, seien exorbitante Erträge zu erwarten. Das hörte sich für Schulz gut an. „Mir wurde aber gesagt, dass ich dafür fünf Prozent des Gewinnes aus eigener Tasche einzahlen müsse.“ Das waren 3750 Euro. Für den Senior war das nicht allzu viel Geld. Denn er hatte vor einiger Zeit für 350.000 Euro sein Haus verkauft und ein finanzielles Polster auf dem Konto.
Mann wird mit großen Gewinnen gelockt und zahlt immer weiter ein
Also zahlte er die 3750 Euro ein – auf das Konto einer seriös wirkenden Plattform, mit der die Täter ihre Opfer ködern. Auf den ersten Blick sieht sie nicht verdächtig aus. „Ich dachte, das wird schon alles richtig sein“, so Schulz. Bis er merkte, dass das ganz und gar nicht der Fall war, sollte noch einige Zeit vergehen. Eine Woche später bekam er eine weitere Nachricht: Er habe noch mehr Geld gewonnen, dieses Mal sogar 245.000 Euro.
Das Spiel ging von vorne los: Würde er das Geld in Kryptowährung investieren, sei er bald stinkreich – so das Versprechen der Betrüger. Dafür müsse er nur, erneut, fünf Prozent des Gewinnes erst einmal aus eigener Tasche einzahlen. Wieder kam Schulz der Zahlungsaufforderung nach. Dieses Mal bezahlte er 12.250 Euro. So ging es immer weiter. „Um die Weihnachtszeit herum bekam ich die Nachricht, dass ich 4,6 Millionen Euro gewonnen habe“, so Schulz.
Grabauer ist selbst Laie auf dem Gebiet, hat niemandem von seinen Einzahlungen erzählt
Als er seinem Gesprächspartner gesagt habe, dass er die entsprechenden fünf Prozent, das wären 230.000 Euro gewesen, auf die Schnelle nicht habe, seien die Zahlungsaufforderungen immer penetranter geworden. Der Kontakt lief teilweise über Telefon, teilweise über einen Messenger. Noch immer erschien Schulz das Versprechen auf die großen Gewinne reizvoll. Als sein eigenes Vermögen weg war, nahm er mehrere Kredite auf, zahlte weiter ein.
Freunden oder Familie erzählte er nichts, bat auch nicht um Rat. „Ich fand, dass das niemanden etwas anging“, so Schulz. Er selbst habe zuvor keine Berührungspunkte mit Bitcoin gehabt, sei Laie. Die Betrüger versprachen ihm auch noch einen ganz besonderen Service: Nämlich, dass sie sein Vermögen verwalten würden, ohne, dass er sich darum kümmern muss. Deshalb hat er das auch lange nicht getan und sich in Sicherheit und Reichtum gewähnt.
Erst nach Monaten ahnte das Opfer, dass etwas nicht stimmen kann
Es muss im Januar oder Februar dieses Jahres gewesen sein, als er ahnte, dass etwas nicht stimmen kann. „Es wurde immer weiter gedrängelt, dass ich Geld bezahlen soll“, so Schulz. Das Geld hatte er längst nicht mehr, hatte sich mittlerweile schon hoch verschuldet. Als er nicht mehr zahlte, wurden die Forderungen aggressiver. „Da wurde mir alles zu bunt“, so Schulz.
Zu diesem Zeitpunkt wollte der Grabauer nicht nur nicht mehr bezahlen, sondern so langsam auch etwas von seinem angeblichen Gewinn sehen. Doch da machte sein Ansprechpartner dicht. Das ginge erst, wenn er noch mehr Geld bezahlt. Schließlich ging Schulz zur Polizei, erstattete Anzeige. Die Beamten zerschlugen seine bis dahin bestehende Hoffnung, dass er eigentlich längst Millionär ist. Die bittere Wahrheit war: Er war Opfer einer miesen Betrugsmasche geworden, sein ganzes Geld vermutlich weg.
Bis heute bekommt er Zahlungsaufforderungen von den Betrügern
„Bis heute bekomme ich Nachrichten von der Person, der angeblich mein Geld verwaltet“, so Schulz. Es sind weitere Zahlungsaufforderungen, die der Grabauer laut Polizei ignorieren soll. Trotz dieses Kontaktes stehen die Chancen laut Polizei schlecht, den oder die Betrüger ausfindig zu machen. Meistens wissen sie, wie sie unsichtbar bleiben.
Heiner Schulz fällt es noch immer schwer zu glauben, dass sein Geld wirklich weg sein soll. „Es wurmt mich, dass ich auf diese leeren Versprechen hereingefallen bin“, sagt er. Genau diese Scham ist laut Sandra Kilian, Sprecherin der Polizeidirektion Ratzeburg, ein Grund, warum die Dunkelziffer bei solchen Betrugsmaschen vermutlich immens hoch ist. „Wir gehen davon aus, dass viel nicht zur Anzeige gebracht wird.“ Oft passiere es auch, dass Menschen dubiose Nachrichten sofort als Betrugsversuche entlarven und gar nicht erst bei der Polizei anzeigen. Explizite Zahlen über angezeigten Bitcoinbetrug in Stormarn erfasse die Polizei nicht.
Polizei rät bei dubiosen Nachrichten zu Wachsamkeit
Weil es aber immer wieder zu solchen und ähnlichen Betrugsversuchen komme, betreibt die Polizei Prävention und gibt Verhaltensregeln. „Der sogenannte Enkeltrick oder das Ausgeben als Polizist sind weitere häufige Maschen von Trickbetrügern“, so Kilian. Wer eine Nachricht von einer unbekannten Nummer erhält, sollte grundsätzlich skeptisch werden, niemals sensible Informationen wie Bankdaten oder Adressen preisgeben oder gar Zahlungsaufforderungen nachkommen. „Hallo Mama, mein Handy ist kaputt, das ist meine neue Nummer.“ Wer solche oder ähnliche Nachrichten bekommt, sollte unbedingt wachsam sein und sich rückversichern.
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Skepsis sei auch geboten, wenn angebliche Polizisten vor der Tür stehen und zum Beispiel wegen einer angeblichen Einbruchsserie Geld und Wertgegenstände sicher verwahren wollen. „So etwas würde die Polizei nie verlangen“, so Kilian. Ebenso wenig würde eine Kaution verlangt, damit ein Kind oder Enkel nicht ins Gefängnis müsse. Auch solche Forderungen seien typisch für Trickbetrüger. Ob Whatsapp-Nachrichten, Schockanrufe oder Betrugsversuche, wie Schulz sie erlebt hat: „Im Zweifel sollte die Polizei kontaktiert werden“, so Kilian. „Besser einmal zu viel, als einmal zu wenig.“