Ahrensburg. Medienkonzern will Traditionsbetrieb Ende Juli 2024 stilllegen, die letzten 120 Mitarbeiter müssen gehen. Das sagt der Bürgermeister.
Es ist erst wenige Wochen her, dass die Bertelsmann-Tochter Prinovis das Aus für ihre Tiefdruckerei in Ahrensburg zum 31. Januar 2024 verkündete. Nun folgt die nächste Hiobsbotschaft für die Schlossstadt: Auch die Axel Springer SE wird ihre Druckerei in Ahrensburg im kommenden Jahr schließen.
Das hat das Unternehmen am Dienstag bestätigt. In der zweiten Jahreshälfte 2024 soll demnach die letzte Zeitung in dem Werk am Kornkamp im Gewerbegebiet Nord vom Band laufen.
Axel Springer schließt Druckerei: Bei Prinovis nebenan ist noch früher Schluss
„Grund ist die über diesen Zeitpunkt hinaus nicht gegebene wirtschaftliche Perspektive“, sagt Christian Senft, Director Communications bei Springer. Das Aus für die Offsetdruckerei von Springer nur wenige Monate nach dem Betriebsende im Prinovis-Werk ist kein Zufall: Die benachbarten Betriebe teilen sich gemeinsame Versorgungsleitungen, unter anderem für Energie. Bis 2004 hatte die Tiefdruckerei ebenfalls zu Springer gehört. Diese „besondere Situation“ habe zur Folge, dass ein Weiterbetrieb nur der Springer-Druckerei nicht wirtschaftlich möglich sei, so Senft.
In den Bau eines neuen, eigenen Anschlusses möchte das Unternehmen kein Geld investieren. „Eine alternative Energieversorgung ist aufgrund des seit Jahren rückläufigen Print-Bereichs und der Strategie von Axel Springer zu Digital Only wirtschaftlich nicht zukunftsfähig“, sagt Senft.
Der Verlag bemühe sich aktuell um eine Verlängerung des Versorgungsvertrages mit Prinovis, um die Schließung der Druckerei zeitlich noch nach hinten schieben zu können. Derzeit arbeiten rund 120 Mitarbeiter in dem Ahrensburger Werk. Wie es für sie weitergeht, ist noch unklar. Viele von ihnen werden voraussichtlich ihren Job verlieren. „Die Einstellung des Betriebs in Ahrensburg führt leider auch zum Wegfall von Arbeitsplätzen“, sagt Senft. Man sei im engen Austausch mit den zuständigen Betriebsräten.
Axel Springer schließt Druckerei: Ver.di spricht von früherer Fehlentscheidung
Laut der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di wurden die Mitarbeiter bereits am vergangenen Donnerstag über die Pläne des Medienkonzerns informiert. Die Gewerkschaft macht die Konzernführung für das Aus verantwortlich. Diese habe es versäumt, sich auf das absehbare Szenario einer Schließung des Nachbarbetriebs vorzubereiten. Die Axel Springer SE habe nach dem Verkauf der letzten 25,1 Prozent der Anteile von Prinovis an den Bertelsmann-Konzern im Oktober 2015 keine Maßnahmen oder konkreten Planungen für eine autarke Energieversorgung auf den Weg gebracht.
Der Betriebsrat und Ver.di sehen darin eine Fehlentscheidung, da bereits während der letzten Restrukturierung bei Springer im Offsetdruck 2020 über die Problematik der autarken Energieversorgung gesprochen worden sei, sollte es zur einer Schließung von Prinovis kommen. Für Jürgen Krapf, im Ver.di-Landesbezirk Nord zuständig für Druck, Verlage, Papier und Industrie, reiht sich die Maßnahme in bisherige Entwicklungen ein. Im letzten Jahrzehnt sei immer mehr von den Beschäftigten am Standort Ahrensburg verlangt worden, während die Beschäftigtenzahl immer wieder durch Restrukturierungsmaßnahmen sank.
Ver.di sieht Konzernleitung in der sozialen Verantwortung
„Sicherlich gehen Auflagenzahlen zurück, was sich negativ im Druck bemerkbar macht“, gibt Krapf zu. „Aber diese Entscheidung ist ein Schlag ins Gesicht für alle verbliebenen Beschäftigten.“ Nach der letzten Restrukturierung habe die Hoffnung bestanden, zumindest bis Ende 2025 Arbeitsplätze zu sichern. Dies sei im 2020 vereinbarten Sozialplan zugesagt worden. „Nun werden auch die letzten 120 Beschäftigten endgültig ihre Arbeit verlieren“, so Krapf
- Basler AG verkündet Sparprogramm – Aktie stürzt ab
- Millionen-Auftrag: VHH ordern 350 Busse mit Elektroantrieb
- Stadt fehlt Fachkompetenz: Wochenmarkt wird privatisiert
Derzeit geht Ver.di von einem Betriebsende zum 31. Juli 2024 aus. Die von der Unternehmensspitze angekündigten Verhandlungen mit Prinovis über eine Verlängerung des Versorgungsvertrags hätten bislang zu keinem Ergebnis geführt. Die Gewerkschaft sieht die Konzernleitung in der sozialen Verantwortung, alles zu tun, um doch noch länger am Standort produzieren zu können und eine sozialverträgliche Lösung für alle Beschäftigten anzubieten.
Schließung der Druckerei ist herber Schlag für Ahrensburg
Für den Wirtschaftsstandort Ahrensburg ist der Rückzug des Springer-Konzerns ein herber Schlag. Am 2. Mai 1982, seinem 70. Geburtstag, legte Axel Springer persönlich den Grundstein für die damals größte und modernste Offsetdruckerei Europas. Die Investitionssumme lag bei mehr als 300 Millionen Mark. Seit der Eröffnung zwei Jahre später war das Werk eines der wirtschaftlichen Aushängeschilder Ahrensburgs und einer der größten Arbeitgeber in der Schlossstadt.
Titel wie "Bild", "Bild am Sonntag", "Die Welt", "Welt am Sonntag", Teilauflagen der "Süddeutschen Zeitung" und auch das Hamburger Abendblatt werden in Ahrensburg gedruckt. Von 2000 bis 2003 wurde der Standort erweitert. Damals waren rund 650 Mitarbeiter in der Druckerei tätig, jede Woche liefen fast 13 Millionen Zeitungen vom Band. Seit etwa 15 Jahren geht es jedoch bergab, die Mitarbeiterzahl sank stetig auf die jetzt noch etwa 120 Beschäftigten.
Fast 600 Arbeitsplätze gehen verloren
Zusammen mit dem Aus von Prinovis, wo derzeit noch 545 Mitarbeiter beschäftigt sind, gehen in Ahrensburg knapp 600 Arbeitsplätze verloren. „Die Schließung der Druckerei ist ohne Frage eine sehr schlechte Nachricht für Ahrensburg“, sagt Bürgermeister Eckart Boege. Überrascht habe ihn die Entscheidung nach dem Prinovis-Aus aber nicht. „Wir wussten von den Abhängigkeiten und dass Springer voraussichtlich keine größeren Investitionen in den Standort vornehmen wird“, so der Verwaltungschef.
Jetzt gehe es zunächst darum, gute Lösungen für alle Mitarbeiter des Werks zu finden. „Ich hoffe, dass Springer hier seiner Verantwortung gerecht wird“, sagt Boege. Das Springer-Aus wird für Ahrensburg auch finanzielle Folgen haben. Welche Summe an Gewerbesteuern für die Stadt wegfällt, dazu macht der Bürgermeister aus Datenschutzgründen keine genaue Angabe. Bedrohlich sei der Einnahmenausfall aber nicht. „Glücklicherweise zeichnet sich Ahrensburg durch eine große Anzahl und Vielfalt an Gewerbebetrieben aus“, sagt Boege. „Wenn einzelne Gewerbesteuerzahler ausfallen, ist das zwar in verschiedener Hinsicht sehr bedauerlich, für die Stadt insgesamt aber finanziell zu verkraften.“
In der Nähe gibt es bereits leerstehende Gewerbeflächen
Gedanken macht sich die Verwaltung laut dem Bürgermeister schon jetzt über eine mögliche Nachnutzung des Springer-Grundstücks, das mit mehr als 60.000 Quadratmetern zu den größten im Ahrensburger Gewerbegebiet zählt. Einen längeren Leerstand möchte die Stadt unbedingt vermeiden. Schon jetzt liegen in direkter Nachbarschaft am Kornkamp mehrere Flächen brach: Der ehemalige Famila-Markt steht seit dem Umzug des Nahversorgers in einen Neubau an der Carl-Backhaus-Straße im März 2022 leer, ebenso das alte Toom-Gebäude. Ein Großhändler für Dekoartikel, der dort zwischenzeitlich eingezogen war, hat den Standort inzwischen wieder verlassen. „Wir haben bereits einige Gespräche geführt und werden schauen, welche Möglichkeiten es gibt, dass wir zu einer guten Nachnutzung kommen“, sagt Boege. Wie diese aussehen könnte, lässt der Bürgermeister offen. „Wir verlieren einen Teil der jüngeren Stadtgeschichte“, sagt Boege. In jedem Fall gehe mit der Schließung der Springer-Druckerei eine Ära zu Ende.