Bad Oldesloe. Anteil der über 60 Jahre alten Ratsuchenden erreicht Höchststand. Klienten sind im Schnitt mit 25.000 Euro im Minus.
Massive Preissteigerungen bei Lebensmitteln, hohe Energiekosten infolge des Ukraine-Krieges und noch immer Geldsorgen infolge der Corona-Pandemie. „Das vergangene Jahr war geprägt von aufeinanderfolgenden Krisen“, heißt es im Jahresbericht 2022 der Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle der Arbeiterwohlfahrt (Awo) mit Sitz in Bad Oldesloe.
Die Zahl von 423 neuen Hilfesuchenden war annähernd gleich hoch wie im Vorjahr. 2021 waren es 444 Anfragen gewesen. Aus den 423 Kontakten ergaben sich 73 Betreuungen durch die Beratungsstelle. Zusammen mit den 367 fortgeführten Betreuungsfällen kam es zu 1098 Beratungsgesprächen. „Die Zahlen zeigten, dass Schuldnerberatung, Insolvenzberatung und Prävention ein unverzichtbarer Bestandteil der sozialen Arbeit im Kreis Stormarn sind“, sagt Ute Lehmann, Leiterin der Beratungsstelle.
Die meisten Anfragen kamen aus Bad Oldesloe und Ahrensburg
Seit 36 Jahren besteht die Beratungsstelle der Awo. Rund 14.200 Anfragen von Menschen in wirtschaftlicher Not gab es in dieser Zeit. Waren es 1987 noch 94 Anfragen, bewegt sich die Zahl seit etwa zehn Jahren im Bereich zwischen 400 und 500 jährlich. Ein Höchststand wurde 2008 mit mehr als 600 registriert.
Die meisten Anfragen kamen im Vorjahr aus Bad Oldesloe (100), gefolgt von Ahrensburg (86) und dem Amt Bargteheide-Land (36). 30 Anfragen kamen aus Reinfeld, 25 aus Bargteheide. Im einstelligen Bereich liegen die Anfragen aus Reinbek (4), Glinde (2), Oststeinbek und Barsbüttel (jeweils 3).
Die Beratung von Senioren wird künftig eine größere Rolle spielen
Die Ratsuchenden gehörten allen Altersgruppen an. „Auffallend war, dass der Anteil der Altersgruppe der 51- bis 60-Jährigen von 24 auf 16 Prozent gesunken ist“, so Lehmann. Der Anteil der älteren Ratsuchenden ab 60 Jahre ist dagegen mit 21 Prozent auf einem Höchststand. 2021 waren es nur 13 Prozent. „Das Thema Senioren und Schulden wird in den nächsten Jahren an Bedeutung zunehmen. Schon heute muss die Beratungsstelle auf die besonderen Bedürfnisse dieser Altersgruppe eingehen. So fanden im vergangenen Jahr mehrfach Heim- und Hausbesuche bei nicht mehr mobilen Senioren statt.“
Von den neuen Klienten war die größte Gruppe mit knapp 47 Prozent ledig und die zweitgrößte mit knapp 25 Prozent geschieden. 41 Prozent der Ratsuchenden leben allein.
Der Anteil an ausländischen Ratsuchenden wächst
Knapp 80 Prozent der Klienten haben die deutsche Staatsangehörigkeit. Der Anteil ausländischer Ratsuchender nimmt zu. 2020 noch hatten rund 88 Prozent die deutsche Staatsangehörigkeit. „Dieser Trend wird sich unserer Meinung nach weiter fortsetzen und hat großen Einfluss auf die Gestaltung der Beratungsarbeit. Die Beratungsgespräche nehmen unter anderem wegen der Sprachbarriere mehr Zeit in Anspruch und erfordern ein hohes Maß an Geduld und Kreativität bei der Vermittlung von oftmals komplexen Inhalten“, so Lehmann.
Im Schnitt war jeder Schuldner mit knapp 25.000 Euro im Minus. Diese Zahl ist zum zweiten Mal in Folge gesunken. Im Vorjahr waren es im Durchschnitt gut 31.500 Euro. Andererseits ist die Gläubigeranzahl gestiegen. „Die Menschen verschulden sich an vielen verschiedenen Stellen, jedoch mit geringeren Beträgen. Wir vermuten, dass die Onlinegeschäfte mit ihren schnellen Klicks dazu beitragen“, so Lemann.
Erkrankung, Sucht und Arbeitslosigkeit sind Gründe für eine Überschuldung
56 Prozent der Klienten haben eine abgeschlossene Berufsausbildung, 42 Prozent dagegen nicht. Ein geringer Teil befindet sich in Ausbildung. Knapp 59 Prozent der Ratsuchenden sind arbeitslos gemeldet oder anderweitig nicht erwerbstätig. Hauptursachen der Überschuldung sind Erkrankung oder Sucht (19 Prozent), eine unwirtschaftliche Haushaltsführung (16 Prozent) und Arbeitslosigkeit (11 Prozent). „Sonstige Gründe“ werden zu 29 Prozent aufgeführt.
Seit August 2022 verstärkt ein Kollege mit dem Schwerpunkt Prävention das Team. 26 Präventionsveranstaltungen fanden 2022 in Stormarn statt, die meisten davon am Berufsbildungszentrum Ahrensburg und am Jugendaufbauwerk in Bad Oldesloe. „Im Umgang mit Geld und der Einteilung des eigenen Budgets zeigte sich, dass fast alle Schülerinnen und Schüler darin weitgehend unerfahren waren“, so Lehmann.
Auch mit Kindern sollte über Geld gesprochen werden
Erstmalig fand eine Online-Veranstaltung in Kooperation mit dem Awo-Familienzentrum in Reinfeld zum Thema „Taschengeld in Zeiten knapper Kassen“ statt. „In einem regen Austausch wurde deutlich, dass die gestiegenen Heiz- und Energiekosten und Lebenshaltungskosten alle Familien belasten und auch mit Kindern besprochen werden sollten“, so Lehmann. Des Weiteren beteiligte sich die Beratungsstelle am Netzwerk „Ahrensburg solidarisch“, das zum Ziel hat, Überschuldung im Zuge der gestiegenen Energie- und Heizkosten für Leistungsempfänger und Geringverdiener zu vermeiden.
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Für 2023 rechnet die Schuldnerberatung mit einer verstärkten Nachfrage, wenn die Jahresabrechnungen der Energieversorger ankommen. Auch die hohe Inflation mache den Menschen weiter zu schaffen. Lehmann: „Die Inflationsrate überschritt die Marke von zehn Prozent. Sie trifft Familien und Alleinstehende mit geringem Einkommen besonders hart.“
Die Schuldnerberatung bietet folgende Sprechzeiten an: in Ahrensburg jeden zweiten und vierten Donnerstag im Monat von 15 bis 18 Uhr im Uns Huus (Manshagener Allee 17), in Bargteheide jeden ersten Montag von 15 bis 18 Uhr in der Beratungsstelle (Lindenstraße 3) sowie in Bad Oldesloe montags bis freitags von 9 bis 12 Uhr sowie an jedem ersten Donnerstag von 15 bis 18 Uhr im Berliner Ring 12. Um Anmeldung unter Telefon 04531/38 02 wird gebeten.