Ammersbek. Erdwärme und Photovoltaikanlage liefern Energie für die Heizung des Neubaus. Handwerker beginnen im Frühjahr mit Innenausbau.
Dutzende dunkelblaue Leitungen laufen aus der Erde durch ein Meter tiefe Gräben zu einem Sammelschacht aus Beton zusammen. Das ist der Übergabepunkt, von dem zwei dickere Rohre mit dem gemeinsamen Vor- und Rücklauf in den Neubau der Grundschule Bünningstedt in Ammersbekführen. Von der Heizung, die aus der Tiefe kommt, wird später nicht mehr viel zu sehen sein.
„Über Erdwärme in Kombination mit zwei Wärmepumpen und einer Photovoltaikanlage wollen wir die neue Grundschule so klimaneutral wie möglich betreiben“, sagt Frank Thiemann, Bauamtsleiter im Rathaus, bei einem Baustellenrundgang mit Bürgermeister Horst Ansén. Tatsächlich ist der 10.000-Einwohner-Ort im Westen von Stormarn auf diesem Gebiet Vorreiter in Schleswig-Holstein. Erstmals kommt eine Schule im Land ohne fossile Brennstoffe aus, produziert im Alltag kein Kohlendioxid (CO2) mehr.
16 Erdwärmesonden bohren sich an der Grundschule Bünningstedt in die Tiefe
Kernstück ist die Geothermie, wie die Erdwärme auch heißt. 16 Erdwärmesonden bohren sich auf dem Feld neben der Großbaustelle bis zu 110 Meter in die Tiefe. Schon ab zehn Metern liegt die Temperatur konstant zwischen neun und elf Grad Celsius, wie eine Erkundungsbohrung vor knapp zwei Jahren ergeben hatte. „Sehr günstige geologische Verhältnisse“ stellte das Hanseatische Umweltkontor aus Lübeck damals fest. Der grobe und feine Sand sowie die darunter liegende Tonschicht ermöglichten einen sehr guten Wärmeaustausch.
Durch die Leitungen fließt eine Mischung aus Wasser und dem Frostschutzmittel Glykosol, die für Wärmepumpenanlagen besonders geeignet ist. In der Tiefe erwärmt sich die Flüssigkeit auf etwa elf Grad, wird nach oben zum Sammler gepumpt und schließlich zur Wärmepumpe. Die erzeugt für die Fußbodenheizung ein Niveau von circa 30 bis 35 Grad. Bei dem Prozess kühlt sich Sole auf etwa vier Grad ab. Dann fließt sie durch das frostfrei verlegte Leitungssystem zurück nach unten in die Erde, um sich dort erneut aufzuheizen.
Strom für den Betrieb der Wärmepumpen liefert eine PV-Anlage
Den Strom für den Betrieb der Wärmepumpen produziert das Gebäude ebenfalls größtenteils selbst. Das in südlicher Richtung gelegene Satteldach bekommt eine große PV-Anlage die einer Leistung von 70 Kilowatt-Peak (kWp). Die Gemeinde kooperiert bei diesem Projekt mit Greenpeace Energy. „Wenn die Solaranlage im Winter nicht ausreicht, weichen wir auf Ökostrom aus“, sagt Bürgermeister Ansén.
Der Heizwärmebedarf der Schule wird auf knapp 120.000 Kilowattstunden (kWh) im Jahr geschätzt. Das sind umgerechnet etwa 13.000 Liter Heizöl, die die Gemeinde spart. Im zweigeschossigen Hauptteil sind ebenerdig Mensa und Küche, Musik-, Kunst- und Werkraum, Kinderküche, Schulbibliothek, Multifunktions- und Technikraum sowie die Ganztagsangebote untergebracht. Im Obergeschoss befinden sich die beiden vierten Klassen sowie das Lehrerzimmer und Sekretariat. Die beiden eingeschossigen Anbauten sind jeweils für die ersten bis dritten Klassen gedacht. Sie haben eine gemeinsame Mitte und einen sogenannten Differenzierungsraum.
Ammersbek tut etwas für Klimaschutz und spart auch noch Geld
Mit der modernen Technik tut Ammersbek nicht nur etwas für den Klimaschutz, sondern spart auch noch Geld. Dank der Bundesförderung für sogenannte Effizienzgebäude (EG) gibt es rund 1,3 Millionen Euro Zuschuss. Die Heizung über Erdsonden und die Sole-Wasser-Wärmepumpe hat einen Aufstieg vom Standard EG 55 zu EG 40 ermöglicht.
„Außerdem ist das System sehr wartungsarm“, sagt Bauamtsleiter Thiemann. Die Wirtschaftlichkeitsberechnung eines Ingenieurbüros hatte ergeben, dass die Mehrkosten in der Anschaffung im Vergleich zur Erdgas-Wärmepumpen-Kombination schon bald ausgeglichen seien. Langfristig gebe die Gemeinde sogar weniger Geld aus. Laut Fachleuten könne die Anlage durchaus 70 Jahre in Betrieb sein.
Im Sommer 2024 sollen Schüler und Lehrer in Neubau umziehen
Unterdessen ist die Baustelle bisher von Lieferengpässen und krankheitsbedingten Personalausfällen weitgehend verschont geblieben. „Wir liegen noch recht gut im Zeitplan“, sagt Horst Ansén. Im Frühjahr soll der Innenausbau beginnen. Im Sommer 2024 können die rund 165 Schüler und 13 Lehrkräfte, die den Baufortschritt tagtäglich gespannt verfolgen, aus dem Altbau auf der anderen Seite des Parkplatzes dann umziehen.
Die Preisexplosion in der Baubranche macht allerdings auch vor der Grundschule nicht Halt. Die ursprünglich kalkulierten Kosten von 8,3 Millionen Euro werden deutlich nach oben schnellen. Eine belastbare Prognose mag Frank Thiemann, der auch Architekt ist, derzeit allerdings nicht abgeben. Da erst 60 Prozent der Aufträge vergeben sind – die Mehrzahl der Arbeiten müssen EU-weit ausgeschrieben werden –, sei dies zu früh. Der vom Land Schleswig-Holstein bewilligte Zuschuss verändert sich nicht und liegt bei 2,1 Millionen Euro.
Der mehr als 60 Jahre Altbau ist ein Sanierungsfall
Der 1957/58 errichtete und mehrfach erweiterte Altbau hätte dringend modernisiert und saniert werden müssen. Weil die Kosten zuletzt auf sechs Millionen Euro geschätzt wurden, stimmten die Gemeindevertreter mit großer Mehrheit für den Neubau. Vor einer ähnlichen Situation steht die Grundschule Am Hagen in der Nachbarstadt Ahrensburg: Dort kostet die provisorische Containerschule, die für zwei Jahre aufgestellt wird, allein 2,8 Millionen Euro.
Die Gemeinde will das alte Schulgrundstück am liebsten in ein Wohngebiet umwidmen. Der Verkauf der Grundstücke soll in die Finanzierung des Großprojektes einfließen und die Kreditaufnahme minimieren. Allerdings ist dafür die Zustimmung der Landesplanung in Kiel nötig. Die will den 1998 erstellten Regionalplan Schleswig-Holstein Süd ohnehin neu aufstellen. Das Beteiligungsverfahren verzögert sich jedoch und soll nun in der zweiten Jahreshälfte starten.