Reinfeld. Brückenabriss beginnt erst im März statt am 23. Januar. Stormarns Forderung nach Behelfsauffahrt für die Bauzeit wird lauter.
Der Protest aus dem Kreis Stormarn gegen die weitgehende Sperrung der A-1-Anschlussstelle Reinfeld bis zum Jahresende wird immer größer. Neben Unternehmern aus dem nahen Gewerbegebiet, Feuerwehr und Rettungsdienst sowie Bürgermeistern der Nachbarorte schalten sich nun auch Kreistagsabgeordnete und Landrat Henning Görtz öffentlich ein. Sie alle fordern einen provisorischen Autobahnanschluss, um Dauerstaus und wirtschaftliche Folgen bis hin zu Insolvenzen zu vermeiden. Die marode Brücke über die A 1 muss schnellstens abgerissen und erneuert werden, da eine Sperrung für den Lkw-Verkehr droht.
Der Unmut über die auf Monate drastisch eingeschränkte Erreichbarkeit der Gewerbebetriebe hat auch Kreispolitik und Kreisverwaltung erreicht. „Die Sanierung der Autobahnbrücke in Reinfeld ist ein Lehrstück, wie es nicht laufen darf“, sagt Wolfgang Gerstand (CDU), Vorsitzender des Wirtschafts- und Planungsausschusses des Kreistags. Stormarns Wirtschaft werde massiv ausgebremst, das sei nicht hinnehmbar.
Sperrung der A-1-Anschlussstelle trifft 46 Betriebe im Gewerbegebiet Reinfeld/Stubbendorf
Im Gewerbegebiet Reinfeld/Stubbendorf sind 46 Betriebe ansässig. Als markante Beispiele nennt Gerstand unter anderen den Wohnmobilhändler Auto & Freizeit Nord (Nordeuropas größtes Caravan- und Reisemobil-Zentrum), das Daimler-Nutzfahrzeugzentrum, den Land- und Gartenmaschinenhändler Grube sowie die Spedition Bode. Sie alle seien für Kunden und Geschäftspartner, die aus südlicher Richtung kommen, zwingend auf eine A-1-Abfahrt angewiesen.
Auto & Freizeit Nord hatte in Sichtweite der Autobahn erst kurz vor dem Jahreswechsel ein 40.000 Quadratmeter umfassendes Ausstellungszentrum eröffnet. In den Neubau hatte die bisher in Eutin ansässige Firma innerhalb von neun Monaten Bauzeit 8,5 Millionen Euro investiert.
Kreistagsabgeordneter erwartet erhebliche Verkehrsprobleme auch in Bad Oldesloe
Es könne nicht sein, dass Betriebe, die viel Geld in moderne Niederlassungen stecken und auf diese Weise auch neue Arbeitsplätze schaffen, plötzlich monatelang abgeschnitten sind, so Gerstand. Zumal die avisierte Sperrung kein punktuelles Problem sei, sondern Auswirkungen auf die ganze Region Nordstormarn habe.
„Wir bekommen hier ohne eine Behelfsausfahrt auch ein erhebliches Verkehrsproblem“, sagt der CDU-Politiker. „Es ist doch absehbar, dass während der Brückenbauarbeiten viele Kunden und Zulieferer aus Richtung Süden kommend die Abfahrt Bad Oldesloe nutzen werden, um dann über die Ratzeburger Straße, Berliner Ring und Lübecker Straße zur B 75 nach Reinfeld zu fahren“, so Gerstand. Den 15 Kilometer langen Umweg über das Autobahnkreuz Hamberge würden sicher viele meiden.
Stormarns Landrat Henning Görtz hat bei Autobahn GmbH interveniert
Ebenso moniert der Kreistagsabgeordnete, dass zu den ersten Gesprächen der federführenden Autobahn GmbH des Bundes bisher nur Vertreter aus Reinfeld und der Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft Stormarn (WAS) eingeladen waren. „Dass Kreispolitik und das Bauamt der Kreisverwaltung an den Vorplanungen nicht beteiligt waren, ist für mich nicht nachvollziehbar“, sagt Wolfgang Gerstand. Er erwarte, dass sich das fortan ändere.
Auch Landrat Henning Görtz hat bereits interveniert. In einem Schreiben hat er die Autobahn GmbH aufgefordert, für die Zeit der Brückensperrung Abhilfe zu schaffen. Dass diese mittels einer Behelfsausfahrt vor oder hinter der Autobahnüberführung möglich sein wird, bezweifelt allerdings WAS-Geschäftsführer Ulf Hahn. „Wir reden hier über eine Abfahrt, die auch einem erheblichen Aufkommen an Schwerlastverkehr gewachsen sein muss“, so Hahn. Das sei zwar prinzipiell möglich, brauche aber Zeit. Und die gebe es im konkreten Fall nicht. „Zwar hat sich der Start der Brückensanierung in den März hinein verschoben. Doch die paar Wochen würden bei Weitem nicht ausreichen, um die Behelfsausfahrt zu erstellen“, sagt Hahn.
Ist eine provisorische Lösung zeitlich überhaupt zu schaffen?
Planung, Genehmigung, Ausschreibung, Vergabe und Bau würden im günstigsten Fall sieben bis acht Monate dauern. Mal abgesehen von den Mehrkosten von rund einer Million Euro scheue die Autobahn GmbH eine Verschiebung des Brückenprojekts aber auch deshalb, weil die Auftragsvergabe bereits erfolgt und die Maßnahme vertraglich fixiert sei.
Unterdessen sind aber tatsächlich Behelfsauffahrten betrachtet worden. Denkbar wären sie an den A-1-Unterführungen Lokfelder Straße und der Hauptstraße in Groß Wesenberg. Im ersten Fall habe es laut Hahn sogar Gespräche mit einem Landwirt über die temporäre Abtretung von Ackerflächen gegeben, zu der dieser wohl bereit gewesen wäre.
Beauftragte Baufirma hat ihren Zeitplan nach hinten verschoben
„Es bleibt aber die Frage, ob der finanzielle, planerische und logistische Aufwand für diesen kurzen Zeitraum gerechtfertigt ist, oder die offizielle Umleitungsstrecke durch Bad Oldesloe nicht doch die angemessenere Lösung ist“, sagt Ulf Hahn. Eine alternative Option schließe er zwar nicht gänzlich aus, halte sie aktuell aber nicht für wahrscheinlich.
Für den unerwarteten Zeitgewinn bei der Entscheidungsfindung sorgen die weltweiten Lieferengpässe in der Baubranche. Die Autobahn GmbH hat die Sanierung der Brücke verschieben müssen, weil das beauftragte Unternehmen seinen Terminplan überarbeitet hat. Damit wird auch die Sperrung der A-1-Anschlussstelle Reinfeld in Richtung Norden zeitlich nach hinten verlegt.
Erste Vollsperrung ist nun für 10. bis 13. März geplant
Ursprünglich sollten die Arbeiten am Montag, 23. Januar, beginnen. Nun peilt die Niederlassung Nord der bundeseigenen Autobahn GmbH den Start für März an. Wann genau die Reinfelder Ausfahrt gesperrt wird, steht noch nicht fest. „Über den detaillierten Zeitplan werden wir rechtzeitig vorher informieren“, sagt Susann Sommerburg, Sprecherin der für das Millionenprojekt zuständigen Außenstelle Lübeck.
Der Abriss des Brückenbauwerks, das aus dem Jahr 1978 stammt, war eigentlich für den 3. bis 6. Februar vorgesehen. Neuer Termin ist der 10. bis 13. März. An dem Wochenende wird die A 1 zwischen dem Anschluss Bad Oldesloe und dem Autobahnkreuz Hamberge (A 1/A 20) komplett gesperrt und der Verkehr umgeleitet. Für das Einsetzen der neuen Fertigteile ist eine weitere Vollsperrung für ein Wochenende nötig. Hinzu kommen während der Ausschalung der Kappen einige nächtliche Vollsperrungen in dem Streckenabschnitt.
Rund 100.000 Autos sind täglich auf dem Abschnitt Hamburg-Lübeck unterwegs
Zwischen Hamburg und Lübeck sind auf der A 1 täglich rund 100.000 Autofahrer unterwegs – darunter ein großer Anteil an Lastwagen. Die Brückenarbeiten werden voraussichtlich bis Jahresende zu erheblichen Behinderungen führen. Im Baustellenbereich gibt es auch während der Urlaubsmonate im Sommer je Richtung nur zwei statt drei Fahrspuren. Hinzu kommt ein Tempolimit. Zusätzlich muss die Auffahrt Reinfeld in Richtung Hamburg zweimal für jeweils etwa zwei Monate gesperrt werden.
Unternehmer aus dem Gewerbegebiet Reinfeld/Stubbendorf hatten schon im vergangenen Herbst eine Übergangslösung vorgeschlagen. Vom Kreisverkehr könnte über die Barnitzer und die Lokfelder Straße sowie eine neu einzurichtende Behelfsstraße der südliche Autobahnanschluss weiterhin erreicht werden. Der Umweg wäre vergleichsweise gering, statt 500 Meter wie jetzt müssten die Fahrzeuge bei dieser Variante etwa 2,2 Kilometer zurücklegen. Bei den offiziellen Umleitungen wäre es das Zehnfache und noch mehr.
Orte in der Umgebung müssen mit erheblich mehr Verkehr rechnen
Die einzige Alternative zum Erreichen von Reinfeld ist die B 75. An der kurvenreichen Bundesstraße müssten auch Bad Oldesloe, Wesenberg und Hamberge mit erheblich mehr Verkehr rechnen. Gleiches gilt für die Dörfer an der südlichen Ausweichroute wie Barnitz und Klein Wesenberg.
Doch offensichtlich könnte in die Angelegenheit tatsächlich noch einmal Bewegung hineinkommen. Im Dezember hatte die Autobahn GmbH noch strikt betont, dass aktuelle Vorschriften unter anderem zur Verkehrssicherung und zum Naturschutz „keine schnelle Umsetzung einer temporären Anschlussstelle erlauben“. Inzwischen klingt das Nein weit weniger drastisch. Auf Nachfrage sagt Sprecherin Susann Sommerburg: „Über dieses Thema stehen wir weiterhin im Austausch mit der Stadt Reinfeld.“