Siek. Der Vorwurf lautet: Die Geflüchteten werden weitgehend sich selbst überlassen. Das entgegnet Amtsleiterin Susanne Kühl.

Als Familie Ahmadi am 26. Dezember eine Nachricht vom Amt Siek bekam, da war es für sie mit der Weihnachtsstimmung vorbei. Die afghanische Familie lebt seit März 2022 im Amtsgebiet, war bis dahin in einer Unterkunft an der Sieker Hauptstraße untergebracht. In Siek war die Familie gut integriert, die Kinder gingen zur Schule, in den Kindergarten, waren im Sportverein aktiv, hatten sich mit den Nachbarn angefreundet. Ehrenamtliche hatten ihnen hiesige Bräuche nahegebracht, sie feierten ihr erstes Weihnachtsfest.

Beim überstürzten Umzug sind einige Möbel kaputt gegangen

Doch: „Weil die Immobilie abgerissen wird, sollte die Familie umziehen“, sagt Nico Markward, Vorsitzender des Freundeskreises für Flüchtlinge Ahrensburg, der die Familie unterstützt. Das Vorgehen sorgt bei dem Ehrenamtlichen für Unmut. „Die Familie wurde sehr kurzfristig informiert“, so Markward. Laut einer Ordnungsverfügung vom 6. Dezember sollte die Wohnung bis zum 19. Dezember geräumt werden. Weil das nicht machbar war, habe man sich auf den 28. Dezember geeinigt, die Ehrenamtlichen planten den Umzug. Eine neue Unterkunft in Hoisdorf konnte gefunden werden.

Doch dann das böse Erwachen: „Am zweiten Weihnachtstag bekam die Familie um 17 Uhr Besuch von einem Mitarbeiter der Amtsverwaltung, der ihr mitteilte, dass sie schon am nächsten Tag um 9 Uhr ausziehen muss“, so Nico Markward. Der Schock war groß. „Es war sehr wenig Zeit“, sagt die 14 Jahre alte Somaiya Ahmadi, die für ihre Eltern ins Deutsche übersetzt. Am nächsten Tag sei ein Sozialarbeiter gekommen und habe den Transporter beladen wollen. „Niemand konnte ihn davon abbringen“, sagt Markward. Einen Tag länger bis zum geplanten Umzugstag mit Unterstützung der Ehrenamtlichen zu warten, sei nicht möglich gewesen. Sämtliche Möbel seien ins Auto geladen und in der neuen Unterkunft abgestellt worden. „Dabei ist einiges kaputt gegangen, zum Beispiel der Kleiderschrank und der Schreibtisch“, sagt Somaiya.

Das neue Haus weist Mängel auf: Zum Beispiel das Dach ist reparaturbedürftig

„Das neue Haus weist auch Mängel auf“, sagt Nico Markward. Die Heizung werde nicht warm, die Rauchmelder würden nicht funktionieren, Fenster seien undicht, Jalousien kaputt. Auch das Dach sei reparaturbedürftig und undicht, das Holz feucht. Einen Tag nach dem überstürzten Umzug rückten Helfer des Freundeskreises an, richteten das Haus ein, reparierten Lampen, bauten Möbel auf. Ihnen ist es wohl zu verdanken, dass die Familie sich dort mittlerweile wohl fühlt. „Wir sind sehr dankbar für die Hilfe“, sagen sie. Doch ein Wermutstropfen bleibt: „Uns fehlt die alte Nachbarschaft“, sagt Somaiya. Eines der Kinder kann nicht mehr in den Kindergarten gehen, in dem es mittlerweile Anschluss gefunden hat.

Das Dach des neuen Zuhauses von Familie Ahmadi ist reparaturbedürftig. 
Das Dach des neuen Zuhauses von Familie Ahmadi ist reparaturbedürftig.  © Juliane Minow

Der Umgang mit Familie Ahmadi ist für den Freundeskreis für Flüchtlinge aber nur ein Beispiel für ein größeres Problem: „Das Amt Siek geht mit den Geflüchteten nicht gut um“, kritisiert Nico Markward. Immer wieder sei es in der Vergangenheit zu Problemen gekommen. Die genauen Verläufe bestimmter Vorgänge hat der Freundeskreis schriftlich protokolliert. Sie liegen dieser Redaktion vor. Kurzfristige Umzüge hätten Familien mehrfach aus ihrem Umfeld gerissen, Menschen seien in schimmligen Zimmern untergebracht worden.

Freundeskreis für Flüchtlinge kritisiert fehlende Unterstützung vom Amt Siek

„Umzüge von untergebrachten Personen kommen vor, wenn beispielsweise Mietverträge auslaufen und die Wohnungen vom Eigentümer nicht weiter an das Amt oder an bereits anerkannte Flüchtlinge vermietet werden“, sagt Amtsleiterin Susanne Kühl auf Nachfrage der Redaktion. „Die anstehenden Umzüge werden frühzeitig im direkten Austausch mit den Betroffenen besprochen.“ Das sieht der Freundeskreis für Flüchtlinge anders.

„Es fehlt im Amt Siek grundsätzlich an Unterstützung für die Geflüchteten“, sagt Markward. Das sei er aus Ahrensburg und Ammersbek, wo der Freundeskreis seit Jahren tätig ist, anders gewohnt. „Dort kümmern sich Mitarbeiter des Sozialamts um die ankommenden Geflüchteten, zeigen ihnen den Ort, helfen bei Formularen und sind für sie da“, so der Ehrenamtliche. Wenn es Probleme wie fehlendes Internet gebe, sei die Verwaltung bestrebt, schnell Lösungen zu finden. Im Amt Siek gebe es diese Art der Unterstützung nicht. „Die Flüchtlinge werden abgestellt und weitgehend sich selbst überlassen“, kritisiert Markward das Amt scharf.

In Ahrensburg und Ammersbek klappe die Arbeit mit der Verwaltung besser

„Als die Familie Ahmadi ankam, wurde sie in ihr Haus eingewiesen und war dann auf sich allein gestellt“, sagt Karin Boß vom Freundeskreis. Weitere Hilfe hätte sie nicht bekommen. „Der Vater hat einen Scheck vom Jobcenter bekommen, den er ohne Ausweis nicht einlösen konnte. Die Familie hatte kein Geld, konnte keine Lebensmittel und Windeln kaufen. Sie war völlig überfordert“, so Boß. Das Jobcenter habe sich schließlich an den Freundeskreis gewandt. „Man sagte uns: Sie müssen der Familie helfen, sie hat seit Wochen keinen Ansprechpartner.“ Die Ehrenamtlichen wurden tätig, versorgten die Familie auf die Schnelle mit Bargeld, unterstützen sie seitdem. Wie es ihr ohne die Hilfe des Freundeskreises gehen würde, ist fraglich. Eine andere Flüchtlingsfamilie im Amt Siek sei betteln gegangen, weil sie nicht wusste, wie sie an Geld kommt. „Darauf haben uns Sieker Bürger aufmerksam gemacht“, sagt Markward.

Fälle wie diese gebe es im Amt Siek einige. Auch in der Kommunikation mit der Amtsverwaltung hapere es. „In Ahrensburg und Ammersbek arbeiten wir gut zusammen“, sagt Markward. „Es gibt regelmäßige Treffen mit der Verwaltung, der Ausländerbehörde und dem Jobcenter. Wenn Geflüchtete ankommen, werden wir informiert, damit wir sie in Empfang nehmen und Infoveranstaltungen anbieten können“, so der Vorsitzende. Das Amt Siek hingegen habe kein Interesse, mit dem Freundeskreis zusammenzuarbeiten. Markward habe sich mehrfach mit Amtsleiterin Susanne Kühl getroffen – ohne Erfolg.

Amt Siek möchte nicht mit dem Freundeskreis zusammenarbeiten

Zu einzelnen Vorfällen wollte Kühl sich auf Nachfrage nicht äußern. Lediglich die grundsätzlichen Abläufe in der Unterbringung und Betreuung der momentan 161 Personen schilderte sie: „Personell stehen neben den beiden Sozialamtsmitarbeiterinnen ein Flüchtlingsbetreuer zur Verfügung, der sich um die Belange der Geflüchteten kümmert“, so Kühl. Darüber hinaus arbeite das Amt mit einem Fachunternehmen zusammen, das für die Betreuung von Geflüchteten Sozialpädagogen und Sozialarbeiter beschäftige. „Hier steht uns ein weiterer Betreuer und Ansprechpartner im Amt zur Verfügung.“ Inwieweit die Betreuung in der Realität funktioniert, dazu gab die Amtsleiterin keine Auskunft.

Dass das Amt Siek jedoch nicht gewillt ist, mit dem Freundeskreis zusammenzuarbeiten, dem widersprach Susanne Kühl nicht: „Wir finden es bedauerlich, dass Gespräche mit dem Verein anscheinend nicht möglich sind, ohne dass im Nachhinein der Weg über die sozialen Netzwerke und die Presse gewählt wird“, sagt die Amtsleiterin. „Daher haben wir uns dazu entschieden, ausschließlich den persönlichen Kontakt mit den Geflüchteten beizubehalten.“ Genau diese fehlende Kooperationsbereitschaft kann Nico Markward nicht nachvollziehen: „Wir verstehen nicht, warum das Amt Siek nicht mit uns zusammen arbeiten will. Es würde allen Beteiligten helfen.“