Ahrensburg. Volkmar Broese rutscht das Schmuckstück 1975 im Wald bei Göttingen von der Hand. Was 48 Jahre später passiert, gleicht einem Wunder.

Es ist erst wenige Monate her, da hätte Volkmar Broese ungläubig abgewunken, hätte jemand dem Ahrensburger gesagt, dass er seinen Ehering noch einmal in den Händen halten würde. Vor 48 Jahren hatte der heute 72-Jährige das Schmuckstück in einem Wald bei Göttingen verloren. Doch nun, fast ein halbes Jahrhundert später, hat der Ring den Weg zurück zu seinem Besitzer gefunden.

Die Geschichte, wie es dazu kam, ist so unwahrscheinlich, dass sie kaum zu glauben ist. „Ich habe nie ernsthaft darüber nachgedacht, die Sache war für mich erledigt“, sagt Broese. Doch eine Reihe wundersamer Zufälle, ein ehrlicher Finder und ein eifriger junger Kommissar trugen dazu bei, dass die Geschichte ein glückliches Ende nahm. Und auch das Abendblatt spielte dabei eine entscheidende Rolle.

Nach 48 Jahren: Ahrensburger erhält verlorenen Ehering zurück

Es ist Winter 1975, als das Unglück seinen Lauf nimmt. Volkmar Broese, damals 25 Jahre alt und seit einem halben Jahr mit seiner großen Liebe Eugenia frisch vermählt, studiert Forstwissenschaft in der niedersächsischen Universitätsstadt. „Es gab eine bodenkundliche Exkursion in ein Waldstück östlich von Göttingen“, erzählt der Ahrensburger. Die Studenten sollen Löcher graben, um Bodenproben der verschiedenen Schichten zu nehmen.

„Dabei muss es passiert sein“, sagt der 72-Jährige. Als Broese auf dem Heimweg ist, bemerkt er es: Der Ehering ist weg. „Wir waren frisch verheiratet, das war natürlich schlimm“, erinnert er sich. Aufgebracht fahren Volkmar und Eugenia Broese noch am selben Tag zurück in den Wald, suchen mit Freunden Quadratmeter um Quadratmeter ab – erfolglos. „Es war Winter, alles lag voller Laub“, erinnert sich Broese. Der zarte Goldring mit den verdrillt zusammengefügten Enden bleibt verschwunden.

Der zweite Ring wird 2015 von Einbrechern gestohlen

Volkmar Broese gibt auf, ein Jahr später lässt er sich bei einem Juwelier einen neuen Ring anfertigen – mit identischem Aussehen, aber ohne den besonderen emotionalen Wert des Originals. Die Zeit vergeht, und das Paar zieht mehrfach um. 1982 lassen sich die Broeses aus beruflichen Gründen schließlich in Ahrensburg nieder. Doch auch der zweite Ring steht unter keinem guten Stern. „2015 wurde bei uns eingebrochen, und den Ring haben sie mitgenommen“, erzählt Broese.

Und so kommt es, dass der 72-Jährige mittlerweile bereits die dritte Inkarnation des Schmuckstücks am Finger trägt. Volkmar Broese nimmt es mit Humor. „Andere haben mehrfach die Ehefrau gewechselt und ich eben den Ring“, scherzt er. Eine Ehekrise mit seiner Eugenia habe es, sagt der Ahrensburger lachend, wegen des Ring-Dramas nie gegeben.

Ein junger Kommissar nahm sich mit viel Ehrgeiz des Fundes an

Zurück in den Wald bei Waake im Landkreis Göttingen: Fast 48 Jahre nach Volkmar Broese unternimmt ein 24 Jahre alter Forstwissenschaftsstudent mit Kommilitonen ebenfalls eine bodenkundliche Exkursion zu ebenjenem Ort. Bei der Säuberung des Waldbodens legt er am 15. Juni 2022 zufällig etwas Hartes, Glänzendes frei: einen Goldring. Zunächst vermutet der 24-Jährige, das Schmuckstück könnte einem anderen Studenten gehören. Der Ring macht in den Forstinstituten die Runde. Doch niemand kennt ihn.

Im Winter 1975 verlor Volkmar Broese aus Ahrensburg, gerade frisch verheiratet, seien Ehering (Foto) bei einer forstwirtschaftlichen Exkursion während des Studiums in Göttingen.
Im Winter 1975 verlor Volkmar Broese aus Ahrensburg, gerade frisch verheiratet, seien Ehering (Foto) bei einer forstwirtschaftlichen Exkursion während des Studiums in Göttingen. © Polizeiinspektion Göttingen | Polizeiinspektion Göttingen

„Eine Professorin hat ihn dann bei der Polizei abgegeben“, erzählt Eugenia Broese. Auf der Wache in Göttingen-Weende hat das Paar, ohne es zu ahnen, Glück: Der junge Kommissar Robin Kreß nimmt sich des Fundes an und macht sich mit viel Ehrgeiz daran, den Eigentümer des goldenen Ringes zu ermitteln. Sein einziger Anhaltspunkt: die Gravur auf der Innenseite des Schmuckstücks. „25.9.74 Eugenia“ steht dort geschrieben.

Ein Artikel des Abendblattes liefert den entscheidenden Hinweis

„Mithilfe dieser kargen Angaben, aber eines außergewöhnlichen Vornamens, begannen die intensiven Nachforschungen“, sagt Jasmin Kaatz, Sprecherin der Polizeiinspektion Göttingen, die diese ganz besonderen „Ermittlungen im Namen der Liebe“ nun anlässlich eines Jahresrückblicks öffentlich gemacht hat. Kreß kontaktiert Einwohnermeldeämter, stöbert in Adresslisten. Über Nordhessen verfolgt der Kommissar die Spur der Broeses bis nach Ahrensburg.

Den entscheidenden Hinweis liefert schließlich ein Artikel des Hamburger Abendblattes über das Engagement Eugenia Broeses in der Ahrensburger Flüchtlingshilfe. Die 69-Jährige ist im Freundeskreis für Flüchtlinge als ehrenamtliche Helferin aktiv. Ende Februar 2022 berichtet die Regionalausgabe Stormarn des Abendblattes über die Initiative, die neue Mentoren für geflüchtete Menschen sucht. Damals groß im Foto: Eugenia Broese.

Volkmar Broese hält den Anrufer zunächst für einen Betrüger

„Von der Organisation bekam Herr Kreß die Erreichbarkeit der Familie“, sagt Polizeisprecherin Kaatz. Dann folgt der entscheidende Anruf. Eugenia Broese kann sich noch genau an den Tag im Juli erinnern. Die 69-Jährige nimmt damals den Hörer ab. „Als sich die Polizei Göttingen gemeldet hat, war ich im ersten Moment perplex, dann war mein erster Gedanke, dass es was damit zu tun hat, dass wir da mal gewohnt haben“, erinnert die 69-Jährige sich.

„Heißen Sie Eugenia?“, habe der Polizeibeamte am anderen Ende der Leitung gefragt. Eugenia Broese bejaht. „Dann wollte er wissen, an welchem Tag ich geheiratet habe“, erzählt die Ahrensburgerin. Sie habe kurz überlegt. „Mein Mann hat mitgehört und war skeptisch. Er rief mir zu, ich solle auflegen“, so Broese. „Ich habe zuerst an einen Enkeltrickbetrüger gedacht“, sagt Volkmar Broese.

Im Juli erreicht ein Umschlag die Wohnadresse der Broeses

Doch die 69-Jährige bleibt am Hörer, und die Geschichte kommt zu einem ebenso wunderbaren wie unwahrscheinlichen Ende. Kurze Zeit später kommt per Post ein Umschlag bei den Broeses in Ahrensburg an. Darin: der goldene Ehering. Auf dem Polizeirevier in Göttingen wurde in der Fundanzeige vermerkt: „Fundsache übergeben: 12.07.22, verschickt“.

Eugenia und Volkmar Broese können noch immer kaum glauben, dass der Ring den Weg zurück zu ihnen gefunden hat. „Die Wahrscheinlichkeit war so gering“, sagt Volkmar Broese. Und seine Frau ergänzt in Richtung ihres Mannes: „Allein die Tatsache, dass jemand fast 50 Jahre später im selben Loch gräbt wie du damals, widerspricht aller Warscheinlichkeit.“

Im kommenden Jahr feiert das Paar Goldene Hochzeit

Mit dem ehrlichen Finder haben die Broeses mehrfach telefoniert. Seine Aufrichtigkeit hat sich für den 24-Jährigen ausgezahlt: Von dem Ahrensburger Paar gab es einen großzügigen Finderlohn. Auch dem Polizeibeamten sind die beiden „unfassbar dankbar.“ Eugenia Broese sagt: „Es ist nicht selbstverständlich, dass sich jemand bei so einer Lappalie so engagiert.“ Für die Eheleute bleibt nicht nur eine unglaubliche Geschichte, auch der Zeitpunkt, an dem sie den Ring wieder in den Händen halten, könnte kaum romantischer sein: Im kommenden Jahr feiert das Paar Goldene Hochzeit.