Ahrensburg. Ahrensburger Verein wählt die Tiere zum zweiten Mal nach 2015 aus. Vogelgrippe setzt dem Bestand stark zu.
Sie ist etwa 40 Zentimeter groß, ein eleganter Fischfänger, hat circa 90 Zentimeter Flügelspannweite – und ist zum zweiten mal Titelträger: Die Brandseeschwalbe (Thalasseus sandvicensis) ist vomAhrensburger Verein Jordsandzum Seevogel des Jahres 2023 ernannt worden. Der Naturschutzverein hat die Art ausgewählt, da sie in der Brutzeit 2022 von einer noch nie dagewesenen Vogelgrippe-Epidemie betroffen war. In Nordwesteuropa starben Zigtausende Vögel.
Das war Anlass, die vom Aussterben bedrohte Art erneut auszuwählen, obwohl sie bereits 2015 Seevogel des Jahres war. „Besondere Situationen erfordern besondere Maßnahmen – die erneute Benennung einer Art ist ein Novum in der Geschichte und verdeutlicht, wie stark die Brandseeschwalbe aktuell gefährdet ist“, sagt Veit Hennig, Vorsitzender des Vereins Jordsand.
Vogelgrippe traf neben Brandseeschwalben auch viele andere brütende Tiere
Während die Vogelgrippe bisher besonders im Winterhalbjahr auftrat und dann vor allem Gänse und Enten betraf, verbreitete sich das Virus diesmal auch während der Brutzeit mit verheerendem Ausgang für koloniebrütende Seevogelarten. Neben Brandseeschwalben waren vor allem Flussseeschwalben, Kormorane, Lachmöwen und Basstölpel betroffen. Die Brandseeschwalbe stehe somit stellvertretend für andere in Nord- und Ostsee von der Vogelgrippe betroffene Tiere.
„Die aktuelle Entwicklung zeigt, wie sensibel die ohnehin gefährdeten Seevogelbestände auf unkalkulierbare Ereignisse wie die Vogelgrippe reagieren und führt uns noch einmal drastisch vor Augen, dass wir alles in unserem Einflussbereich Stehende zum Schutz unserer Seevögel umsetzen müssen“, sagt Hennig. Der erhebliche Verlust von natürlichen und ungestörten Lebensräumen in den vergangenen Jahrzehnten habe bereits viele Seevogelarten an den Rand des Aussterbens gebracht. Sollte das aktuelle Massensterben aufgrund der Vogelgrippe weitergehen, könnten Teilpopulationen stark gefährdeter Arten wie der Brandseeschwalbe in Deutschland für immer verschwinden, fürchtet der Experte.
Verein Jordsand fordert Ausweisung von weiteren Schutzgebieten
Der Verein Jordsand fordert die Schaffung sowie Ausweisung und Unterschutzstellung von weiteren Brut- und Rastplätzen für Seevögel, damit sich die Bestände wieder erholen können. Größere und stärker verteilte Populationen können Krankheiten und Seuchen besser überstehen.
Bereits vor dem Vogelgrippeausbruch galt die Brandseeschwalbe in Deutschland laut Roter Liste als vom Aussterben bedroht. „Die Brandseeschwalbenpaare verteilen sich auf nur wenige Koloniestandorte an Nord- und Ostsee“, so Hennig. „Die Art brütet fast ausschließlich in Schutzgebieten, die aufgrund ihrer Insellage für Prädatoren nur unter erschwerten Bedingungen erreichbar sind und in denen eingeschränkte Betretungsmöglichkeiten Schutz vor menschlichen Störungen bieten.“
Auch Überfischung und Klimawandel machen sich negativ bemerkbar
Aber auch industrielle Überfischung und Klimawandel wirkten sich negativ aus. An der Nordseeküste gebe es mehr und intensivere der als „Kükenfluten“ bezeichneten Sturmfluten während der Brutzeit. Deshalb komme es regelmäßig zu Verlusten von Gelegen und Jungvögeln. Zudem könnten veränderte Wassertemperaturen und Strömungsverhältnisse das zeitliche Auftreten von Nahrungsfischen im Umfeld der Brutkolonien beeinflussen. In der Nachbarschaft der Kolonie auf Neuwerk werde die geplante Schlickverklappung aus der Elbvertiefung zu einer starken Trübung des Wassers und einem noch höheren Sediment- und Schadstoffeintrag als heute führen.
An den Atlantikküsten sowie in Nord- und Ostsee von Irland bis Estland brüten vermutlich etwa 63.000 Brandseeschwalbenpaare. Charakteristisch sind das weiße Gefieder, die silbergrauen Oberflügel, der schwarze Schnabel mit der gelben Spitze und ein schwarzer Federschopf. Weithin zu hören sind die rauen „Kürick-kürick“-Rufe. Hauptnahrung sind Sandaale und kleine heringsartige Fische. Nach der Brutzeit ziehen die Vögel zum Überwintern entlang der Atlantikküste bis nach Südafrika.