Ahrensburg. Ahrensburg solle seine Klage gegen die neue Anlage zurückziehen – raten die von der Stadt beauftragten Gutachter.
Der Rat der Experten ist eindeutig: Die Stadt Ahrensburg sollte ihre Klage gegen die Genehmigung zum Neubau des Müllheizkraftwerks (MHKW) in Stapelfeld zurückziehen. „Das Ergebnis unserer Prüfung ist ebenso kurz wie klar: Es besteht nur sehr geringe Aussicht auf Erfolg“, sagte Stefan Geiger, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, in der gemeinsamen Sitzung von Umwelt- und Hauptausschuss. Der promovierte Jurist von der Hamburger Kanzlei GSK Stockmann präsentierte mit seiner Kollegin Benita Leder ein von der Stadt in Auftrag gegebenes Gutachten zum Fall.
Die beiden Spezialisten für Umweltrecht kommen zum gleichen Ergebnis wie das Ahrensburger Rathaus. „Auf weitere Rechtsmittel wird verzichtet“, hatte die Verwaltung dem Umweltausschuss schon für die Sitzung Anfang Oktober empfohlen. Zuvor hatte das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) den Widerspruch der Stadt Ahrensburg gegen die Bau- und Betriebsgenehmigung des MHKW zurückgewiesen.
Ahrensburg zahlt rund 35.000 Euro für Anwalts- und Gerichtskosten
Die Kommunalpolitiker mochten die Entscheidung des LLUR – die Behörde ist dem Landesumweltministerium angegliedert – allerdings nicht akzeptieren. Von CDU und Grünen über SPD und Wählergemeinschaft WAB bis zu FDP und Linken waren sie einstimmig für eine Klage vor dem Oberverwaltungsgericht in Schleswig. Um die Frist zu wahren, blieben nur wenige Tage Zeit. Zugleich wurde die Verwaltung beauftragt, externe Expertise zu den Erfolgsausschichten einzuholen.
Rund 35.000 Euro an Gerichts- und Anwaltskosten (Stundenhonorar der Kanzlei: 320 Euro) lassen sich die Parteien ihren Kampfgeist kosten. Das Ergebnis dürfte ernüchternd sein. „Eine Rechtsverletzung der Stadt sehen wir aktuell nicht“, sagte Anwalt Geiger, der 15 Jahre Erfahrung im Umweltrecht hat. In dieser Zeit habe er sowohl Verwaltungen als auch Unternehmen beraten. „Wir verstehen also beide Seiten“, sagte er.
Die Stadt kann keine verletzten Rechte geltend machen
Die Kanzlei habe natürlich nicht sämtliche Antragsunterlagen sichten können, sondern sich auf die wesentlichen Fragen im Widerspruchsverfahren konzentriert. Um die nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) erteilte Genehmigung mit Erfolg anfechten zu können, müsste die Stadt Ahrensburg in einem eigenen Recht verletzt sein. „Die Verletzung eines solchen subjektiv-öffentlichen Rechts können wir derzeit nicht begründen“, so Geiger.
Ein Kernpunkt der Ahrensburger Argumentation war, dass Schlussfolgerungen zum Einsatz der „Besten verfügbaren Technik“ (BVT) in der Genehmigung nicht vollständig enthalten seien. „Aber auch an dieser Stelle gibt es keinen Anknüpfungspunkt“, sagte Anwältin Benita Leder. Sogar das kritische Ingenieurbüro für Umweltschutztechnik (IfU) aus Lollar-Salzböden bei Frankfurt/Main, von dem Ahrensburg zuvor ein Gutachten erstellen ließ, habe festgestellt, dass sich die genehmigten Emissionsgrenzwerte innerhalb der BVT-Bandbreiten bewegten.
Eigene Flächen in Naturschutzgebieten sind kein Argument
Darüber hinaus könne sich die Stadt Ahrensburg auch nicht darauf berufen, dass ihr Flächen in Naturschutzgebieten in der Nähe der Müllverbrennungsanlage Stapelfeld gehörten. „Der Befund ist eindeutig“, sagte Stefan Geiger. „Man sollte die Klage zurücknehmen, wenn man nicht erfolgreich sein kann.“ Die zweite Möglichkeit wäre, noch einmal den rund 4000 Seiten starken Genehmigungsantrag auf seine Korrektheit zu prüfen. „Das wäre ein erheblicher Aufwand, auf Fehlersuche zu gehen – mit absolut offenem Ausgang“, so der Rechtsanwalt.
„Das LLUR musste die Genehmigung erteilen, da gibt es auch keinen Ermessensspielraum“, sagte Geiger. Jasper Lauert (Grüne) wollte noch wissen, ob Faktoren wie der niedrigere Schornstein (nur noch 63 statt jetzt 110 Meter hoch), die zusätzliche Errichtung der Klärschlammverbrennung (KVA) oder die nicht kontinuierliche Messung von Schadstoffen eine Rolle spielen könnten. „Da kommen wir für Ihre Klage nicht hin“, sagte Geiger.
Auf der 220-Millionen-Euro-Baustelle wird Tag und Nacht gearbeitet
Trotzdem verzichteten die Kommunalpolitiker auf die Abstimmung über das weitere Vorgehen. Weil es für die Begründung der Klage vom Verwaltungsgericht keine offizielle Frist gibt, wollen sie noch einmal in den Fraktionen über das Thema sprechen. Die Stadt Ahrensburg ist der einzige Beteiligte, der in dem Genehmigungsverfahren Widerspruch eingelegt hat. Weder direkte Anlieger noch Umweltverbände hatten sich dazu entschlossen.
Auf die 220-Millionen-Euro-Baustelle in Stapelfeld hat die Klage zunächst keinen Einfluss. Dort war am Mittwoch die Grundsteinlegung gefeiert worden – auch mit politischen Vertretern von mehreren Gruppen, die in Ahrensburg weiterhin über die Klage nachdenken. Das Land Schleswig-Holstein fördert das Müllheizkraftwerk wegen seiner Energieeffizienz – es erzeugt Strom und Fernwärme – sogar mit bis zu 7,85 Millionen Euro.
Ende 2024 sollen die Anlagen in Betrieb gehen. Die 1979 eingeweihte jetzige „Mülle“ wird danach stillgelegt und abgebaut.