Delingsdorf. Einwohnerzahl steigt, doch Wohnraum ist knapp. Das birgt auch Probleme für Unternehmen. Landrat Henning Görtz über Zukunftspläne.
Der Bau von Wohnungen ist für den Kreis Stormarn eine der größten Aufgaben in den nächsten Jahren. „Wohnraum ist unsere Achillesferse“, sagt Landrat Henning Görtz. Er sprach bei einem Treffen des Wirtschaftsrats der CDU in Delingsdorf zum Thema „Wirtschaft – Verkehr – Fachkräftemangel: Herausforderungen für den Kreis Stormarn“. Stark steigende Mieten und Immobilienpreise machten es auch für Unternehmen immer schwieriger, dringend gesuchtes Personal in die Region zwischen Reinbek und Reinfeld zu locken.
Das bestätigt Norbert Basler, Vorstandsmitglied im Stormarner Wirtschaftsrat und Aufsichtsratsvorsitzender der Ahrensburger Basler AG. Das Hightech-Unternehmen beschäftigt weltweit rund 1000 Menschen, davon die meisten in der Schlossstadt. „Immer wieder berichten Mitarbeiter, dass sie gern in die Nähe der Firma ziehen möchten, aber nichts Passendes finden.“
In Ahrensburg ist die Politik mehrheitlich gegen Neubaugebiete
Die Auswahl dürfte nicht größer werden: Die Mehrheit der Stadtverordneten hat aus dem neuen Flächennutzungsplan (F-Plan), der die Entwicklung für gut 15 Jahre absteckt, nahezu alle möglichen Neubaugebiete gestrichen. „Wenn gerade die Städte bei der großen Nachfrage nach Wohnungen keine Flächen ausweisen, ist das preistreiberisch“, sagt Görtz. Auch die Südregion mit Barsbüttel, Glinde, Oststeinbek und Reinbek, in der rund 80.000 Menschen und ein knappes Drittel aller Stormarner leben, sei hier in der Pflicht.
Angesichts einer kreisweiten Arbeitslosenquote von nur noch 3,1 Prozent („Da kann man nahezu von Vollbeschäftigung reden“, so Landrat Görtz) sind quer durch alle Branchen geeignete Bewerber in der Region kaum vorhanden. „Deshalb haben wir keinen Fachkräftemangel mehr, sondern einen Arbeitskräftemangel“, sagt Kathleen Wieczorek, Leiterin der Arbeitsagentur Bad Oldesloe. Die Firmen haben fast 2700 freie sozialversicherungspflichtige Stellen gemeldet. Das seien so viele wie lange nicht und mehr als zu Beginn der Corona-Pandemie. Die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage wird noch größer, denn nun geht die sogenannte Baby-Boomer-Generation in Rente. Und die Zahl der Geburten war 2002 nur halb so hoch wie 1964.
In der Kreisverwaltung geht jeder fünfte Mitarbeiter bis 2030 in Rente
Die Entwicklung spiegelt sich exemplarisch in der Kreisverwaltung wider: Bis 2030 scheidet dort fast jeder Fünfte der rund 880 Mitarbeiter altersbedingt aus. Hinzu komme die reguläre Fluktuation durch Wechsel in andere Behörden oder Umzüge. „Insbesondere in Fachgebieten mit spezialisierten Berufen wie im Hoch- und Tiefbau, Stadtplanung, Lebensmittelkontrolle und IT-Administration gibt es Engpässe“, sagt Henning Görtz.
Mit „großer Sorge“ betrachte er zudem den Erziehungsbereich. Wenn auch die Offene Ganztagsschule (OGS) bis zur vierten Klasse nur noch ausgebildetes Erziehungspersonal beschäftigen dürfe, werde sich die Lage auch in Kitas weiter verschärfen. Doch zuverlässige Kinderbetreuung sei für Familien auch ein wichtiger Standortfaktor.
Stormarns Einwohnerzahl steigt bis 2030 noch mal deutlich
Laut Prognose steigt Stormarns Einwohnerzahl von derzeit rund 245.000 bis zum Jahr 2030 auf 252.000. Der Kreis ist bundesweit unter den Top 15 bei der Kaufkraftkennziffer und als einziger in Schleswig-Holstein seit 2016 schuldenfrei – was laut Landrat „auf absehbare Zeit“ so bleiben wird. Ein Pluspunkt für viele Menschen sei die Lage. „Man ist in 30 Minuten an der Ostsee, aber auch im Theater in Hamburg“, so Görtz. Die Kehrseite der Beliebtheit sei der Flächenengpass für Wohnen und Gewerbe.
In dem Zusammenhang kritisiert der Chef der Kreisverwaltung das Flächensparziel, nach dem im Bundesland pro Tag maximal 1,3 Hektar versiegelt werden dürfen. „Das ist zu undifferenziert, es sollten auch andere Kriterien gelten als allein die Hektarzahl“, meint Görtz. So zähle sogar ein 13 Hektar großer Fotovoltaikpark an der Autobahn voll mit und verbrauche die Fläche für 13 Tage – landesweit. Ein anderes Beispiel sei der Autohof Hammoor, in dessen Umgebung die Landesplanung zum Autoverkehr passendes weiteres Gewerbe untersagt habe.
Warum wird der Ahrensburger Bahnhof nicht unter die Erde verlegt?
Mit dem Bau des Fehmarnbelttunnels werde die Achse Hamburg–Lübeck noch wichtiger. Dass künftig bis zu 300 Züge täglich quer durch Stormarn rollen, sei eine weitere Herausforderung. Die S-Bahnlinie 4, die ab Ende des Jahrzehnts von Bad Oldesloe über Bargteheide und Ahrensburg zum Hamburger Hauptbahnhof fahren soll, sei wichtig, um die Pendler zum Umsteigen von den bereits überlasteten Straßen zu bewegen.
„Mutigeres Denken“ regte in dem Zusammenhang Unternehmer Norbert Basler an. „Warum wird noch nicht mal darüber diskutiert, den Ahrensburger Bahnhof unter die Erde zu verlegen?“, fragte er. Damit könnten einerseits die viel kritisierten sechs Meter hohen Lärmschutzwände in der Innenstadt verhindert und andererseits auf dem Deckel dringend benötigte Wohnungen gebaut werden, ohne Landschaft zu zerstören. Basler: „Es mag ja dabei herauskommen, dass dies nicht sinnvoll ist, aber man sollte die Debatte wenigstens führen.“