Ahrensburg. Pro Tag nutzen zurzeit durchschnittlich 100 Fahrgäste den Shuttle-Service. Politiker fordern mehr Flexibilität beim Testbetrieb.
Ist der neue Fahrdienst Ioki ein Verkehrsmittel, das sich die Stadt Ahrensburg nach der einjährigen Testphase nicht mehr leisten kann oder will? Und nach welchen Kriterien sollte die Politik entscheiden, ob sich die Investition lohnt? Diese Fragen lösten in der jüngsten Sitzung des Bau- und Planungsausschusses eine kontroverse Diskussion aus. Dort präsentierte Projektmanager Finn Blunck die Nutzerzahlen der ersten fünf Betriebsmonate. „Wir zählen bislang 11.841 Fahrgäste“, sagte der Verwaltungsmitarbeiter, sprach von einem „stetigen Wachstum“.
Prognostiziert waren 300 bis 400 Fahrgäste pro Tag
Allerdings liegen die Zahlen selbst im bisher stärksten Monat März deutlich hinter den Prognosen: Durchschnittlich kam Ioki nur auf 102 Fahrgäste pro Tag, in den anderen Monaten waren es noch erheblich weniger. „Wir sind sehr zufrieden mit dem Start, aber die Zahlen sind ausbaufähig“, sagt Thorge Storm, Ioki-Betriebsleiter bei den Verkehrsbetrieben Hamburg-Holstein (VHH). In der Analyse vor Projektstart habe Ioki mit 300 bis 400 Fahrgästen pro Tag gerechnet. Die Corona-Krise habe das Vorhaben zurückgeworfen. „Wir merken, dass uns durch die Pandemie Pendler fehlen, die im Homeoffice arbeiten“, sagt Blunck. „Vor allem mangelt es aber an Freizeitfahrten.“ So habe es an Sonntagen insgesamt nur 727 Fahrten gegeben.
Betriebskosten liegen bei 830.000 Euro pro Jahr
Seit Mitte Dezember sind fünf Elektroautos von Ioki in Ahrensburg unterwegs. Nutzer können den Service per App oder Telefon buchen und sich innerhalb des Stadtgebiets von einer beliebigen Adresse zu einem Haltepunkt bringen lassen oder umgekehrt. Es gibt keine festen Fahrpläne oder Routen. Ahrensburg ist eines von zwei Testgebieten in Stormarn, das Projekt wird mit Fördergeld finanziert und wissenschaftlich begleitet.
Rund 830.000 Euro kostet der Shuttle-Service für dieses Jahr. Ahrensburg konnte mit dem Budget 16.907 Ioki-Betriebsstunden buchen. Ende 2021 läuft der Testbetrieb aus. Die Stadtverordneten müssen im Oktober entscheiden, wie es danach weitergehen soll. Klar ist: Wenn Ahrensburg den Service weiterhin anbieten will, wird das für die Stadt nicht billig. „Der Kreis hat einen Förderantrag beim Bund gestellt, aber es ist unsicher, ob das etwas wird“, sagt Finn Blunck. „Wir müssten wohl Einsparungen beim Bestandsbusverkehr vornehmen, um Ioki finanzieren zu können.“
WAB-Politiker: „Taxifahrten sind günstiger“
Bei jährlichen Kosten von 830.000 Euro und aktuell 100 Nutzern pro Tag wird jede Fahrt mit 22,74 Euro subventioniert – noch über das Fördergeld. Künftig müsste das aus dem städtischen Haushalt bezahlt werden. „Das ist erschreckend viel“, sagt Detlef Steuer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Wählergemeinschaft WAB. „Die Kosten sind höher als für eine Taxifahrt in Ahrensburg.“ Selbst wenn sich die Nutzerzahlen verdoppeln sollten, bliebe immer noch eine Subvention von rund zehn Euro pro Fahrt. „Auch dafür bekommt man noch ein Taxi“, sagt Steuer. Die Fahrgäste selbst zahlen für Ioki nur einen Komfortzuschlag von einem Euro zusätzlich zu ihrem HVV-Ticket.
Nachfrage in Ahrensfelde und Wulfsdorf gering
Am häufigsten steuern die fünf Ioki-Shuttles laut Blunck den Regionalbahnhof, den U-Bahnhof West sowie die Innenstadt an. Die meisten Fahrten gebe es im Berufsverkehr morgens von 6 bis 8 Uhr und nachmittags von 16 bis 18 Uhr. „Bei Pendlern wird das Angebot gut angenommen“, sagt der Projektmanager. Entgegen der Erwartungen sei die Nachfrage in den Stadtteilen Ahrensfelde und Wulfsdorf nur sehr gering. „Eigentlich sollte der Stadtrand von einem starken ÖPNV profitieren“, sagt Blunck. „Wir werden dort mehr Werbung machen.“ Zudem seien in den kommenden Wochen Plakate an 23 Litfaßsäulen und eine Flyerkampagne geplant.
Bei den Mitgliedern des Bauausschusses sorgt die Präsentation teils für Ratlosigkeit. „Rund 11.000 beförderte Fahrgäste – ist das gut oder schlecht?“, will CDU-Politiker Uwe Gaumann wissen. Und weiter: „Die Idee hinter dem Projekt war, die Innenstadt vom Individualverkehr zu entlasten. Hatte es bisher den erhofften Effekt?“ Doch klare Antworten können ihm die Experten nicht geben. „Wir sehen mittwochmorgens ein erhöhtes Fahrgastaufkommen“, sagt Finn Blunck. „Es könnte sein, dass Menschen Ioki nutzen, um zum Wochenmarkt zu fahren.“ Belastbare Ergebnisse seien aber erst am Ende des Projekts durch die wissenschaftliche Analyse der TU Hamburg zu erwarten. Thorge Storm betont, dass ÖPNV-Angebote immer eine gewisse Zeit bräuchten, um sich zu etablieren. „Bei neuen Buslinien sind es etwa zwei Jahre“, sagt er. Doch so viel Zeit haben die Ahrensburger Politiker nicht, um eine Entscheidung zu treffen.
Politiker wünschen sich mehr Testmöglichkeiten
„Wir brauchen bis Herbst eine Grundlage, anhand welcher Kriterien wir das Projekt beurteilen sollen“, sagt CDU-Politiker Burkhart Bertram. „Wir wollen nicht der Buhmann sein, wenn wir dann auf Ioki verzichten.“ Gerhard Bartel (SPD) appelliert, sich bei Ioki nicht allein auf die Zahlen zu fokussieren, sondern Aspekte wie Klimaschutz und Teilhabe zu berücksichtigen. „Danach werden wir entscheiden, ob es weitergeht“, sagt er. „Von einem ÖPNV erwarten wir nicht, dass er sich finanziell rechnet.“
Jasper Lauert (Grüne) ärgert sich vor allem über das starre Konzept des Testbetriebs. „Ich habe gedacht, dass wir viel mehr ausprobieren können“, sagt er. „Wir würden zum Beispiel den Service gern mal einen Sonnabend kostenlos anbieten, um herauszufinden, wie viele Menschen ihn dann nutzen.“ Zudem wünscht er sich, Randgebiete wie die zu Ammersbek gehörende Siedlung Daheim einzubeziehen und Buslinien am Abend testweise durch Ioki zu ersetzen. „Es gibt noch viele Verbesserungsmöglichkeiten“, sagt Lauert. „Mir liegt viel daran, mehr auszuprobieren. Das brauchen wir für eine Entscheidung.“
600 Ahrensburger nutzen regelmäßig die Ioki-App
Projektmanager Finn Blunck hatte zuvor betont, dass das Ausprobieren nicht so leicht und die meisten Wünschen nicht umsetzbar seien. Die Verwaltung will das nun aber noch einmal prüfen. „Es ist schade, dass alles so unflexibel ist“, sagt auch Detlef Steuer. „Wir sollen über viel Geld beschließen, ohne eine vernünftige Entscheidungsgrundlage zu haben. Wir sehen doch, dass irgendetwas zurzeit noch nicht richtig funktioniert.“ Bedenklich finde er auch, dass nach Angaben der VHH bislang nur rund 600 Ahrensburger die Ioki-App regelmäßig nutzten. Das sind unter zwei Prozent der Bevölkerung.