Ahrensburg. Nachbarkreis Herzogtum Lauenburg bietet jetzt eine interaktive Karte an. Das Interesse ist dort riesengroß.

Seit Dienstag veröffentlicht der Kreis Herzogtum Lauenburg detaillierte Corona-Zahlen für seine Gemeinden. Über eine interaktive Inzidenzkarte die werktäglich aktualisiert wird, können sich die Bürger nun sehr viel genauer über das Infektionsgeschehen im Kreisgebiet informieren.

Das hat in Stormarn zu vermehrten Anfragen geführt, warum die hiesige Kreisverwaltung solch einen Überblick nicht ebenso anbietet. „Wir halten uns hier weiter an Empfehlungen des schleswig-holsteinischen Sozialministeriums, das Zahlen auf Kreisebene für absolut ausreichend hält“, erklärte Landrat Henning Görtz auf Anfrage unserer Redaktion.

Gefahr von falschen Rückschlüssen ist zu groß

Bereits im April vergangenen Jahres hatte das Ministerium Handlungsanweisungen zum Umgang mit aktuellen Corona-Zahlen gegeben. „Es ging seinerzeit vor allem um die Sicherstellung des Datenschutzes. Insbesondere in kleinen Orten, in denen möglicherweise Rückschlüsse auf bestimmte Personen gezogen werden könnten“, so der Sprecher des Sozialministeriums, Christian Kohl. Grundsätzlich lägen die Verantwortung und die Entscheidung zur Kommunikation der Zahlen aber bei den jeweiligen Kreisen und kreisfreien Städte. Das sei Anfang Februar in einer Videoschalte mit den Landräten noch einmal bekräftigt worden.

„Ich kann diese Empfehlung sehr gut nachvollziehen“, so Görtz. Die Gefahr von Fehlinterpretationen und daraus gezogenen Rückschlüssen für das eigene Verhalten sei einfach zu groß. Ganz abgesehen davon, dass erhöhte Fallzahlen in einer Kommune auch ganz schnell wieder gewissen Vorurteilen und Ressentiments Vorschub leisten könnten – Stichwort Treffen und Feiern von Großfamilien mit Migrationshintergrund.

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Bedenken, dass konkrete Infektionszahlen für Kommunen falsch interpretiert werden könnten, räumte indes auch Lauenburgs Landrat Christoph Mager ein. Die veröffentlichten Daten ließen mitnichten unmittelbare Schlüsse auf das tatsächliche Infektionsgeschehen an einem bestimmten Ort zu. „Wenn für eine Gemeinde ein Inzidenzwert von Null ausgewiesen wird, heißt das nicht automatisch, dass in der Gemeinde keine Kontaktpersonen von sogenannten Indexfällen leben, die jederzeit zu einem Infektionsfall werden können“, so Mager. Und Indexfälle, deren Infektion bereits länger als sieben Tage zurücklägen, seien in der 7-Tage-Inzidenz auch nicht mehr enthalten.

Viele Bürger haben die Zahlen nachgefragt

Auf der anderen Seite führe bereits eine einzelne betroffene Familie in einer kleinen oder auch mittleren Gemeinde sofort zu einem Anstieg der Inzidenz auf über 100. Nicht zuletzt würden massive Ausbrüche in Pflegeeinrichtungen und Kliniken zu Verzerrungen führen. „So stellen die publizierten Zahlen nur einen Anhaltspunkt von vielen für eine Bewertung des Infektionsgeschehens dar“, erläutert Mager.

Dennoch ist das Interesse der Menschen an konkreten Zahlen zu ihrem unmittelbaren Wohn- und Arbeitsumfeld offenbar groß. „Wir haben uns für die Bereitstellung dieser Karte entschlossen, weil es im Vorfeld viele Anfragen von Bewohnern, aber auch von Bürgermeistern und Mitarbeitern der Kommunalverwaltungen gegeben hat“, sagt Tobias Frohnert, Kreissprecher des Herzogtums.

Innerhalb von drei Stunden 11.000 Zugriffe

Den letzten Ausschlag für die Umsetzung der Inzidenzkarte gab schließlich, dass sich „nicht wenige“ der Anfragenden auf das Informationszugangsgesetz (IZG) berufen und die Herausgabe der Daten mit Nachdruck verlangt haben. Übrigens nach Rücksprache mit dem Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz in Kiel. Das sah keine zwingenden Gründe, die Herausgabe der Detailzahlen zu verweigern.

Von dem Ansturm auf den neuen Service sei man dann aber doch überrascht gewesen. „Am Mittwoch verzeichnete das Technikteam bis 10 Uhr bereits mehr als 11.000 Zugriffe, weshalb es in der Folge zu massiven Serverproblemen gekommen ist“, berichtet Frohnert. Inzwischen habe es einige Anpassungen der Software-Struktur gegeben, sodass die Karte jetzt weitgehend störungsfrei aufgerufen werden könne.

Pinneberg veröffentlicht Zahlen einmal pro Woche

Vorreiter der Veröffentlichung von Corona-Zahlen für Ämter und Kommunen ist der Kreis Rendsburg-Eckernförde. Dort sind sie bereits seit April des vergangenen Jahres verfügbar. Mit durchaus positiven Erfahrungen. Sobald die Zahlen signifikant steigen, mahnen die Bürger selbst weitergehende Infektionsschutzmaßnahmen an. So geschehen in der Stadt Rendsburg.

Seit mehreren Monaten geht auch der Kreis Pinneberg mit detaillierteren Zahlen an die Öffentlichkeit. Allerdings in deutlich geringerem Umfang als das im Herzogtum Lauenburg und in Rendsburg-Eckernförde der Fall ist. „Bei uns gibt es keine Inzidenzkarte, sondern nur ein Balkendiagramm – und das auch nur einmal in der Woche“, sagte Kreissprecherin Silke Linne unserer Redaktion.

Mit panischen Reaktionen ist niemandem gedient

Sie halte das Vorgehen für einen „guten Kompromiss“. Man könne das Interesse der Bürger und etlicher Bürgermeister an kommunalen Inzidenzzahlen ja nicht einfach ignorieren. „Andererseits müssen sie dann eigentlich auch erklärt und ins Verhältnis gesetzt werden“, so Linne. Niemandem sei damit gedient, wenn sich die Leute vor Panik nicht mehr aus dem Haus trauen oder zum Einkauf plötzlich ganz woanders hinfahren würden als sonst.

Eine gegenläufige Tendenz befürchtet Stormarns Landrat Henning Görtz für den Fall zu niedriger Infektionszahlen in einer Kommune. „Das könnte die Bürger zu Leichtsinn und Nachlässigkeit bei der Einhaltung der Schutzmaßnahmen und Hygieneregeln animieren“, ist er überzeugt. Deshalb werde seine Kreisverwaltung auch künftig auf die Veröffentlichung detaillierterer Infektionszahlen verzichten. Andererseits würden sie den Bürgermeistern natürlich weiter regelmäßig zur Verfügung gestellt – aber nur für den internen Gebrauch.