Grosshansdorf/Bad Oldesloe. Gemeindeordnung schreibt Live-Übertragung bei Videokonferenzen vor. Nach Ammersbek stimmt jetzt auch Großhansdorf dagegen.
Wenn Stormarner Kommunen Treffen von politischen Gremien als Videokonferenz abhalten, müssen sie diese auch im Internet übertragen. „Das ist eine unabdingbare Voraussetzung“, sagt Hermann Harder, Leiter der Kommunalaufsicht des Kreises Stormarn. In der Gemeindeordnung für Schleswig-Holstein sei dieser Passus gesetzlich klar geregelt.
Mehrere Stormarner Gemeinden wie beispielsweise Ammersbek und Großhansdorf wollen die Vorgabe umschiffen, indem sie einen Formulierungsvorschlag aus dem Landesinnenministerium gekürzt haben. In ihren geänderten Hauptsatzungen, die die Voraussetzungen für Online-Sitzungen sind, fehlt der Internet-Hinweis. Das lässt sich allerdings wohl nicht durchsetzen.
Ehrenamtler befürchten Manipulation von Bild und Ton
„Die gesetzlichen Regelungen greifen unmittelbar“, sagt Hermann Harder, der sich beim Ministerium rückversichert hat. In Paragraf 35a heißt es in der Gemeindeordnung über Sitzungen in Fällen höherer Gewalt (wie beispielsweise bei einer Pandemie): „Die Öffentlichkeit (...) ist durch zeitgleiche Übertragung von Bild und Ton in einen öffentlich zugänglichen Raum und durch eine Echtzeitübertragung oder eine vergleichbare Einbindung der Öffentlichkeit über Internet herzustellen.“
Die Gemeinde habe sicherzustellen, dass die technischen Anforderungen und die datenschutzrechtlichen Bestimmungen für eine ordnungsgemäße Durchführung der Sitzung einschließlich Beratung und Beschlussfassung eingehalten werden.
„Entscheidend ist das Wörtchen ,und’“, sagt Hermann Harder. Es reicht eben nicht aus, die Videokonferenz ausschließlich live in einen Saal zu übertragen, um Besuchern die Möglichkeit zu geben, die Debatte zu verfolgen.
Barsbütteler hat bei der Datenschutzbeauftragten nachgefragt
Doch die Internetstreams bereiten vielen Parteienvertretern erhebliche Sorgen. „Wir wären plötzlich weltweit präsent – mit allen möglichen Folgen“, sagt Rainer Rainer Eickenrodt, Fraktionsvorsitzender der Barsbütteler Wählergemeinschaft BfB. Für Berufspolitiker sei das Alltag, nicht aber für ehrenamtliche Kommunalpolitiker. Wenn jeder einen Mitschnitt speichern könne, seien Manipulationen oder gar persönliche Verunglimpfungen in sozialen Medien Tür und Tor geöffnet. Bisher müssen Film- und Tonaufnahmen bei Sitzungen explizit genehmigt werden.
Eickenrodt hat sich intensiv mit dem Thema beschäftigt, beim Innenministerium und der Landesdatenschutzbeauftragten nachgehakt. „Beispielsweise steht auch jedem Einzelnen ein persönliches Widerspruchsrecht zu“, sagt er. Für ihn ist es nicht nachvollziehbar, dass die Sitzungsübertragung in einen Saal nicht ausreicht.
Bei weiteren Kontaktbeschränkungen handlungsfähig bleiben
Nach der Ammersbeker Gemeindevertretung haben sich nun auch die Kommunalpolitiker in Großhansdorf gegen Internetstreams bei Online-Sitzungen ausgesprochen. Im Hauptausschuss stimmten die Mitglieder mit großer Mehrheit dafür, Videokonferenzen per Änderung der Hauptsatzung zu ermöglichen. Damit soll sichergestellt werden, dass die Arbeit im Falle weiterer Corona-Kontaktbeschränkungen nicht zum Stillstand kommt. „Die Möglichkeit, Online-Sitzungen abzuhalten, garantiert, dass wir handlungsfähig bleiben“, sagte Bürgermeister Janhinnerk Voß.
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Digitale Tagungen kann es „bei Naturkatastrophen, aus Gründen des Infektionsschutzes oder vergleichbare außergewöhnlichen Notsituationen“ geben. Wie schon die Ammersbeker Kollegen strichen die Großhansdorfer aus dem Formulierungsentwurf des Innenministeriums den Halbsatz, dass die Öffentlichkeit auch per Internetübertragung informiert wird. CDU-Fraktionschefin Andrea Schmolling sprach sich mit Blick auf den Datenschutz dagegen aus. Der Beschluss sieht vor, dass die Sitzungen für interessierte Bürger auf einer Leinwand in einem großen Raum, etwa dem Waldreitersaal, gezeigt werden.
Technische Voraussetzung erst in Monaten vorhanden
Diese Änderung dürfte nicht haltbar sein. Die Genehmigung der Hauptsatzung liegt für die Mehrzahl der Stormarner Orte bei der Kommunalaufsicht des Kreises. Für Städte ab 20.000 Einwohnern (Ahrensburg, Reinbek, Bad Oldesloe) ist das Innenministerium in Kiel zuständig.
Großhansdorfs Bürgermeister rechnet ohnehin nicht damit, dass die Gremien schon in wenigen Wochen online tagen können. „Erst müssen die technischen Voraussetzungen geschaffen werden“, sagte Janhinnerk Voß. So habe die Verwaltung etwa bei der vorgesehenen Konferenzsoftware „Cisco Webex“ Bedenken beim Datenschutz. „Realistisch ist eine Umsetzung in der ersten Jahreshälfte 2021.“
Ahrensburger Verwaltung übernimmt Entwurf aus Kiel
Carsten Pieck (FDP) sprach sich für Schulungen aller Beteiligten zu Beginn jeder Legislaturperiode aus. „Es muss sichergestellt sein, dass alle Gemeindevertreter mit der Software umgehen können“, betonte er. In Großhansdorf steht das Thema am Montag, 7. Dezember, noch einmal in der Gemeindevertretung auf der Tagesordnung.
In der Nachbargemeinde Siek hat die Gemeindevertretung in ihrer jüngsten Sitzung einstimmig eine rechtskonforme Satzungsänderung inklusive Internetstreams beschlossen. In Ahrensburg beraten die Stadtverordneten am Montag, 23. November, ab 19.30 Uhr in der Heimgarten-Turnhalle (Reesenbüttler Redder 4-10) darüber.