Ahrensburg. CDU und Grüne treiben die Planungen für die Gutschein-Aktion trotz Protesten voran. WAB-Antrag auf Beratungsbedarf wurde abgelehnt.
Sabotage-Vorwürfe, gegenseitige Unterstellungen und Anschuldigungen: Das geplante Stadtgeld hat in der Ahrensburger Stadtverordnetenversammlung für einen Riesen-Zoff zwischen den Fraktionen gesorgt. Der Anlass: Die Wählergemeinschaft WAB beantragte zu Beginn der Sitzung erneut, das Thema wegen Beratungsbedarfs von der Tagesordnung zu nehmen. Aus demselben Grund war bereits im Hauptausschuss vor einer Woche nicht über die Richtlinie zur Umsetzung des Vorhabens beraten und abgestimmt worden.
Grüne wollen das Stadtgeld im Januar umsetzen
„Das ist eindeutig Verzögerungstaktik“, empörte sich Benjamin Stukenberg (Grüne). „Das Stadtgeld soll so lange sabotiert werden, bis wir es irgendwann wegen der Pandemie-Entwicklung nicht mehr einführen können.“ Angesichts der rasant steigenden Corona-Fallzahlen sei nicht klar, ob es im November überhaupt noch eine Stadtverordnetenversammlung geben könne, sagte Grünen-Fraktionschefin Nadine Levenhagen. „Wir möchten das Stadtgeld unbedingt im Januar umsetzen.“ Ohne zeitnahen politischen Beschluss ist der geplante Aktionszeitraum vom 18. Januar bis 28. Februar laut Bürgermeister Michael Sarach schwierig zu schaffen.
Vorgesehen ist, dass jeder Einwohner einen Einkaufsgutschein erhält, den er in Geschäften, Restaurants, Cafés und Kulturbetrieben in Ahrensburg einlösen kann, die während der Corona-Pandemie zeitweise schließen mussten. Kinder sollen 50 Euro, Erwachsene 30 Euro erhalten. CDU und Grüne hatten die Aktion mit ihrer politischen Mehrheit Ende September auf den Weg gebracht – gegen vehemente Proteste der anderen Fraktionen. Diese haben erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit der Maßnahme oder halten die Kosten von rund 1,3 Millionen Euro angesichts der coronabedingt angespannten Finanzlage für zu hoch.
Diskussion wird zunehmend emotional geführt
CDU-Fraktionschef Detlef Levenhagen nannte den WAB-Vorstoß eine „Unverschämtheit“. Seit dem Hauptausschuss habe die Wählergemeinschaft eine Fraktionssitzung gehabt, bei der sie über das Thema hätte beraten können. „Was du machst, ist frech“, sagte Levenhagen in Richtung des WAB-Chefs Peter Egan. Er warf ihm vor, seine Fraktion nicht im Griff zu haben. Später entschuldigte sich der CDU-Politiker für Letzteres, die Worte seien ihm „so herausgerutscht“.
„Wenn jemand seine Fraktion nicht im Griff hat, dann du“, wetterte Peter Egan zurück. Und zählte auf, dass im Hauptausschuss sogar ein CDU-Vertreter der Vertagung zugestimmt habe, zwei weitere sich enthalten hätten. Einer von ihnen war Matthias Stern. „Ich habe mich aus Fairness enthalten“, sagte er. „Das war ein Fehler.“
Besucher bezeichnen Verhalten als Kindergarten
Unterstützung erhielt die WAB von SPD und Linken. SPD-Fraktionschef Jochen Proske sagte: „Ich finde es befremdlich, dass der Punkt wieder auf der Tagesordnung auftaucht.“ Es sei „guter parlamentarischer Stil“, dem Beratungsbedarf einer Fraktion zuzustimmen. In Richtung der CDU und Grünen sagte er: „Aber Sie haben hier die Mehrheit, Sie können alles beschließen und damit weiteres Porzellan zerschlagen.“ Ali Haydar Mercan (Linke) warf CDU und Grünen „Tatsachenverdrehung“ vor. „Das ist kein guter Stil“, kritisierte er. Detlef Steuer (WAB) sprach von einem „Trauerspiel der Ahrensburger Politik“. Er sagte: „Der Tabubruch ist ein schlimmes Signal. Dann haben wir hier künftig ein anderes Klima.“
Bei einigen Besuchern, die die Sitzung in der Turnhalle des Eric-Kandel-Gymnasiums von der Tribüne aus verfolgten, sorgte das Verhalten der Politiker für Kopfschütteln. „Kindergarten“, rief ein Mann. Letztlich wurde der Wunsch der WAB auf Vertagung mit den Stimmen von CDU und Grünen abgelehnt, die FDP enthielt sich.
Geld könnte schon im ersten Quartal 2020 ausgehen
Als das Thema dann mehr als eine Stunde später offiziell an die Reihe kam, hatten sich die Gemüter der Politiker noch nicht wieder beruhigt. Bela Randschau (SPD) bezeichnete die vorherige Diskussion als „schockierend“. Ali Haydar Mercan erhob Vorwürfe gegen die Fraktionschefs von CDU und Grünen.
Peter Egan appellierte, nichts zu tun, „was uns weiter von einem ausgeglichenen Haushalt wegbringt“. In den ersten zehn Monaten dieses Jahres habe Ahrensburg rund 17 Millionen Euro mehr ausgegeben als eingenommen. „Es ist absehbar, dass uns spätestens im ersten Quartal 2021 das Geld ausgehen wird und wir über Kassenkredite reden müssen“, so Egan weiter. Daraufhin wurde er abrupt von CDU-Politiker Matthias Stern unterbrochen: „Das hat jetzt aber nichts mit der Richtlinie zu tun.“
FDP-Fraktion spricht sich für zügige Umsetzung aus
Lediglich die FDP hielt sich aus dem Streit heraus. Die Fraktion hatte sich im September gegen das Stadtgeld ausgesprochen. „Aber die Mehrheit hat anders entschieden“, sagte Wolfgang Schäfer. „Daher bin ich jetzt dafür, die Aktion zügig umzusetzen, damit Händlern und Gastronomen schnell geholfen wird. Januar und Februar sind die schwersten Monate für die Branche, deshalb sollten wir das Thema nicht verschleppen.“
Die Richtlinie wurde mit 22 Ja- bei 15 Gegenstimmen beschlossen. Damit können die Planungen im Rathaus nun vorangetrieben werden. Die Richtlinie sieht vor, dass alle Einwohner, die ihren Hauptwohnsitz zum Stichtag 1. November in Ahrensburg haben, Gutscheine per Post erhalten. Sie werden in Zehn-Euro-Coupons aufgeteilt. Annahmeberechtigt sind alle Händler, Gastronomen, Dienstleister und Kulturbetriebe, die aufgrund der Landesverordnung vom 17. März vorübergehend schließen mussten. Die Geschäfte müssen sich aber zunächst über ein Internetportal bewerben. Dieses soll nun schnellstmöglich eingerichtet werden. Ausgenommen von der Aktion sind zum Beispiel Supermärkte, Drogerien, Apotheken und Baumärkte.
Jugendliche unter 16 Jahren benötigen eine Erlaubnis
Wer seinen Gutschein nicht ausgeben möchte, kann ihn an die Stadt zurückschicken und den Betrag an soziale Projekte oder Einrichtungen spenden. Eine entsprechende Liste mit möglichen Empfängern will die Politik zu einem späteren Zeitpunkt diskutieren.
Zunächst war vorgesehen, dass alle Ahrensburger unter 18 Jahren eine schriftliche Vollmacht des gesetzlichen Vertreters benötigen, um den Gutschein einzulösen. Die Politiker stimmten nun dafür, die Altersgrenze auf 16 Jahre herunterzusetzen. Der Kinder- und Jugendbeirat hatte beantragt, die Grenze bei 14 Jahren zu ziehen. Das wäre laut Sarach aber aufgrund der bestehenden Ausweispflicht schwierig.