Stade. Riesiger Surfpark in regenarmen Zeiten? Gegner in Stade sprechen von “klarer Umweltsünde“. Kritikpunkte im Abendblatt-Check.
Ein Surfpark benötigt Wasser, so viel steht fest. In Stade soll ab 2024 ein 22.000 Quadratmeter großes Becken (knapp drei Fußballfelder) befüllt und auf Stand gehalten werden. Nur dann können die Besucher wie versprochen fern der Küste auf bis zu zwei Meter hohen Wellen surfen.
In den Augen der Gegner und Umweltverbände ist das Projekt eine klare Umweltsünde. Der BUND Stade und insbesondere die Initiative „Surfpark – nein danke“ monieren neben Energiebedarf, Eingriffen in die Flora und Fauna und Verkehrsaufkommen immer wieder den hohen Wasserverbrauch des Projekts.
Der Stader Stadtrat hatte dem Surfpark wie berichtet im vergangenen Juli politisch grünes Licht gegeben. Die Baugenehmigung hat die Stadt noch nicht erteilt.
Wassermangel: In Niedersachsen sinken die Grundwasserspiegel
Dass sich die regenarmen Jahre ab 2018 merklich auf die Wassersituation auch in Deutschland ausgewirkt haben, ist unbestritten. In einer gemeinsamen Kooperation von CORRECTIV.Lokal und dem Abendblatt zeigt sich, dass Niedersachsen besonders von sinkenden Grundwasserspiegeln betroffen ist. Auch einige Grundwassermessstellen im Landkreis Stade zeigen stark und leicht sinkende Stände an. 39 der insgesamt 51 Messstellen im Kreis erreichten ihren Tiefststand seit 1990 in den vergangenen Jahren.
Die Bewertung der konkreten Wassersituation vor Ort ist kompliziert, wie die Abendblatt-Recherche zeigt. Zudem kursieren in der Debatte unterschiedliche Werte für den erwarteten Trink- und Grundwasserverbrauch.
Wie viel Wasser verbraucht der Surfpark wirklich?
So spricht das NDR-Satiremagazin „Extra 3“ in einem Anfang Oktober 2022 ausgestrahlten TV-Beitrag von „40 Millionen Litern pro Jahr“. Kritiker des Projektes prangern öffentlich und in Leserbriefen einen Trinkwasserverbrauch von jährlich 75.000 bis 100.000 Kubikmeter an. Auf Nachfrage stellen der Altländer Projektleiter Jan Podbielski und die Stadt Stade klar: 40.000 Kubikmeter Trinkwasser soll der „Surfgarten“ jährlich benötigen und diese Menge über das Netz der Stadtwerke Stade erhalten.
Stade hält Top-Wasserverbraucher unter Verschluss
In die Maßeinheit Liter umgerechnet handelt es sich dabei tatsächlich um einen Jahresbedarf von 40 Millionen, weil 1 Kubikmeter genau 1000 Litern Wasser entspricht. Zur Einordnung: Die gesamte Stadtgemeinschaft Stade nimmt nach Angaben der Stadtwerke jährlich rund 2,2 Millionen Kubikmeter Trinkwasser in Anspruch. Die von den Surfpark-Planern anvisierten 40.000 Kubikmeter entsprächen also nicht ganz zwei Prozent des gesamten aktuellen Stader Wasserverbrauchs pro Jahr.
Die Stader Bäder (Solemio und Freibad) haben laut Angaben der Stadtwerke im Jahr 2019 – also vor Ausbruch der Coronapandemie – 57.908 Kubikmeter im Jahr verbraucht. Der Surfpark weist also etwas weniger Wasserbedarf als der Bäderbetrieb auf. Ein Vergleich mit den lokalen Top-Verbrauchern ist nicht möglich. Die Stadtwerke Stade halten die Daten auch in anonymisierter Form wegen möglicher Rückschlüsse auf die Verbraucher und mit Verweis auf den Schutz des Geschäftsgeheimnisses zurück.
Die Deutschen verbrauchten pro Kopf zuletzt durchschnittlich 128 Liter Trinkwasser pro Jahr im Haushalt. Das ermittelte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) für das Jahr 2021. Auf das Jahr gerechnet also 46.720 Liter oder 46,72 Kubikmeter.
Verbrauch im Vergleich: Der Surfpark Stade ist kein Tesla-Werk
Im Vergleich zu umstrittenen Großprojekten ist der Wasserbedarf des Stader Surfparks gering. So weist die Tesla-Gigafactory bei Berlin Spitzenverbräuche in Millionenhöhe auf. Bis zu 1,4 Millionen Kubikmeter Wasser soll Elon Musks Werk Medienberichten zufolge entnehmen dürfen.
Noch Kleinvieh gegenüber dem Chemiekonzern BASF, wie eine Correctiv-Recherche zeigt. Das Unternehmen pumpe rund 1,2 Milliarden Kubikmeter Wasser aus dem Rhein, 20 Millionen Kubikmeter Grundwasser flößen durch die Anlagen des Werks in Ludwigshafen.
Wie groß sind die Grundwasserreserven im Stader Raum?
Nicht beantwortet ist damit die Frage, ob es vor dem Hintergrund der Jahre mit langen Trockenphasen und stellenweise sinkender Grundwasserspiegel ausreichend Wasser vor Ort gibt, um einen Surfpark zu betreiben.
Grundsätzlich geht der Gesetzgeber davon aus, dass eine Wasserentnahme in Höhe von 250.000 Kubikmetern oder mehr pro Jahr eine wesentliche Auswirkung auf den Wasserhaushalt hat, wie Fabian Buß, Sprecher des Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten und Naturschutz (NLWKN) erläutert. Der Gewässerkundliche Landesdienst des NLWKN muss im Falle des Surfparks nicht beteiligt werden, weil der Bedarf deutlich niedriger ist. Trotzdem habe die Stadt Stade den NLWKN hinzugezogen.
Angesprochen auf die teilweise sinkenden Grundwasserstände beruft sich die Stadt Stade auf ihr Entnahmemanagement und kommt zu dem Schluss, dass „eine lokale Grundwassermangelsituation nicht erkennbar“ sei. Die Wasserstände im betroffenen Gebiet hätten keine wesentlichen Veränderungen erfahren.
Projektplaner Jan Podbielski verweist auf Erkenntnisse der Hydrogeologen. „Unser Projekt entsteht in einer Region, die nach Erhebungen der zuständigen staatlichen Stellen und den Prognosen bis 2050 keinen Wassermangel hat und haben wird.“
Dabei verweist er auf klimakritische Szenarien des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie Hannover (LBEG) für den betroffenen Grundwasserkörper „Lühe-Schwinge Lockergestein“. Die Stadtwerke Stade beziehen ihr Wasser aus diesem Grundwasserkörper. Auch ein möglicher privater Brunnen des Surfparks würde diese Quelle anzapfen.
8,13 Millionen Kubikmeter Wasser dürfen diesem Grundwasserkörper pro Jahr zusätzlich zum aktuellen Verbrauch entnommen werden, wie ein hydrogeologisches Gutachten anführt. Der NLWKN bestätigt auf Abendblatt-Nachfrage: Grundsätzlich sei „im Grundwasserkörper eine ausreichende Dargebotsreserve vorhanden“, so Fabian Buß.
Was die Naturschützer und Surfgarten-Gegner sagen
Heiner Baumgarten, Vorsitzender der Kreisgruppe Stade der Umweltschutzorganisation BUND kennt diese Zahlen. Er fragt: „Müssen die Reserven denn unbedingt ausgeschöpft werden?“ Außerdem rät er davon ab, das Thema Wasser nur punktuell zu betrachten. „Wir müssen auch auf unsere Nachbarn schauen.“ Unmittelbar etwa auf die Samtgemeinde Harsefeld, wo die Wasserversorgung problematisch sei. Dass dort der Wasserdruck und nicht die Wassermenge das Problem ist, räumt Baumgarten selbst ein.
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Der schärfste Kritikpunkt des BUND sei ohnehin nicht der Wasserbedarf, sondern Eingriffe in die Natur und Lebensräume – zum Beispiel von Vögeln. Eine mögliche Klage, die der BUND weiterhin prüfen lässt (das Abendblatt berichtete), konzentriere sich wiederum auf allgemeine Verfahrens- und Abwägungsfehler seitens der Stadt Stade.
Für Dr. Bernd Hohendorff, Sprecher der Bürgerinitiative „Surfpark – nein danke“, sind die NLWKN-Daten und andere Zahlen schöngeredet. Er verweist auf die Gesamtsituation und Probleme etwa im Raum Lüneburg. „Wir werden in Zukunft um die Ressource Wasser kämpfen müssen“, sagt er. „Wir werden den Bau verhindern.“
Ob der Surfpark – unmittelbar vor Ort – schädliche Auswirkungen auf die Wassersituation haben kann, klärt abschließend eine laufende wasserrechtliche Prüfung des Landkreises Stade.
Die Erlaubnis betrachtete die Stadt Stade als Formsache, sie lässt jedoch seit Sommer auf sich warten. Landkreis-Sprecherin Nina Dede sagt, der Kreis habe zwar „eine wasserrechtliche Genehmigung in Aussicht gestellt“, allerdings fehlten noch Unterlagen. Zuständig sei die Stadt Stade. Details zu der Prüfung nennt sie nicht. Die Stadt verweist bei Nachfrage auf den Kreis.
- Diese Recherche ist Teil einer Kooperation des Hamburger Abendblatts mit CORRECTIV.Lokal – ein Netzwerk für Lokaljournalismus, das datengetriebene und investigative Recherchen gemeinsam mit lokalen Partnern umsetzt. CORRECTIV.Lokal ist ein Teil des gemeinnützigen Recherchezentrums CORRECTIV, das sich durch Spenden von Bürgern und Stiftungen finanziert.