Experten des BUND haben bei Tests eine hohe Konzentration von Bisphenol A festgestellt. Dieser chemische Stoff gilt als gesundheitsschädlich.

Stade/Buxtehude. In einer deutschlandweiten Studie hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, BUND, die als gesundheitsschädlich geltende Chemikalie Bisphenol A (BPA) in Kindertagesstätten nachgewiesen. An der Studie haben auch die Kita der Arbeiterwohlfahrt (Awo) in Horneburg und zwei Kindertagesstätten in Buxtehude teilgenommen. Wer diese beiden Kitas sind, will der BUND nicht sagen, weil er allen Einrichtungen, die an der Studie teilgenommen haben, Anonymität zugesichert hat.

Kornelia Szameitat von der Awo-Kita in Horneburg bestätigt indes gegenüber dem Hamburger Abendblatt, dass an ihrer Kindertagesstätte, wie an vielen anderen in Deutschland auch, eine hohe BPA-Konzentration festgestellt wurde. Wie hoch die chemische Belastung bei den beiden Buxtehuder Kindertagesstätten ist, die an der Untersuchung teilgenommen haben, ist derzeit unklar.

Das auf den Hormonhaushalt einwirkende BPA wurde in 92 der 107 vom BUND untersuchten Staubproben aus Kitas nachgewiesen. Laut Umweltbundesamt belegen zahlreiche Studien, dass Bisphenol A in das Hormonsystem von Säugern und Gewässerorganismen eingreife. Demnach gebe es Untersuchungen, die der Chemikalie bereits bei niedrigen Konzentrationen negative Effekte auf die Sexualität sowie einen Zusammenhang mit dem Auftreten von Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen nachweisen. Zudem gebe es Hinweise darauf, dass der Stoff die Entwicklung geistiger Fähigkeiten und des Verhaltens beeinträchtigen kann, Aggressivität fördert und Lernen hemmt.

Auffällig: Bei Kindern seien laut dem BUND rund zehnmal höhere Werte als bei Erwachsenen gemessen worden. Die untersuchten Kindertagesstätten seien im Bundesschnitt mit 4,4 Milligramm BPA pro Kilogramm Staub belastet. Das sei etwa dreimal so viel wie in einem normalen Haushalt. Woher das BPA in den vom BUND untersuchten Staubproben stamme, lasse sich laut BUND-Chemiekalienexpertin Sarah Häuser aufgrund der Vielzahl der Quellen nicht eindeutig zu klären. BPA wird unter anderem für die Herstellung von Kunststoffen, für Klebstoffe, Fugenmörtel, PVC-Böden oder Betonschutz bei Gebäuden verwendet.

Das Problem einer möglichen übermäßigen chemischen Belastung der Gebäude ist bei einigen Kindertagesstätten bereits bekannt. "Wir kennen das Problem und sind von unserem Träger auch darüber informiert worden", sagt Anke Aspridis vom Awo-Kindergarten in Buxtehude. "Bei Neuanschaffungen suchen wir daher immer nach chemisch möglichst unproblematischen Alternativen. Es ist aber nicht immer einfach, eine Ersatzlösung zu finden, etwa bei abwaschbaren Tischdecken. Die gibt es beispielsweise fast nicht ohne diese chemischen Zusatzstoffe", so Aspridis.

Das bestätigt ihre Kollegin Kornelia Szameitat vom Awo-Kindergarten in Horneburg. "Wir haben freiwillig an der Studie teilgenommen, weil wir einfach wissen wollten, wie es bei uns ausschaut. Das Ganze wurde mit der Zentrale in Hannover abgesprochen, die auch ein Gesamtbild über die Situation in ihren Kindertagesstätten haben möchte", so die Kita-Leiterin.

"Bei uns wurde unter anderem wegen der Gummistiefel und Regenmäntel, die die Kinder von Zuhause mitbringen und in der Garderobe abstellen, sowie wegen Kunststoffspielzeugs eine hohe Konzentration festgestellt", sagt die Horneburger Kita-Leiterin. Der hohe Wert habe auch sie überrascht. "Wir waren davon ausgegangen, dass bei uns alles normal sein würde", so Kornelia Szameitat.

Kerstin Beier vom Buxtehuder Paulus-Kindergarten sieht zunächst keine Gefahr für die von ihr betreute Kindertagesstätte und warnt vor Hysterie. "Wir haben bei uns nur ausgewählte Spielsachen und reduzieren soweit wie möglich die Zahl der Gegenstände aus Kunststoff in unserem Haus", sagt Beier. Die Menge an generellen chemischen Belastungen werde, soweit dies für die Kitas möglich ist, minimiert.

Wie gefährlich Bisphenol A ist, ist umstritten. Während das Umweltbundesamt Handlungsbedarf sieht, gibt es laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung eine Reihe neuerer Untersuchungen mit zum Teil schwer interpretierbaren oder auch widersprüchlichen Aussagen zur Wirkung der Chemikalie.

Der BUND geht gleichwohl davon aus, dass die gesundheitliche Gefährdung zusätzlich ansteigt, wenn mehrere hormonelle Schadstoffe auf einmal auftreten. Dies sei bei den untersuchten Kitas der Fall gewesen. So habe es im Staub von 60 Kitas untersuchten Kitas auch eine überdurchschnittlich hohe Konzentration von anderen Weichmachern gegeben.

Sarah Häuser, BUND-Chemikalienexpertin, fordert aufgrund der Ergebnisse der Studie ein entsprechendes Handeln der Behörden. "Unsere Analysen zeigen, dass Kinder wahren Giftcocktails ausgesetzt sind. Das ist ein unhaltbarer Zustand." Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner, CSU, wirft sie vor, bisher mit Untätigkeit zu glänzen.. "Damit nimmt sie in Kauf, dass Kinder aufgrund von Chemikalien in ihrer Sexualentwicklung gestört werden, Verhaltensänderungen entwickeln oder im späteren Leben an Herz- und Kreislauferkrankungen leiden", so Häuser. Hormonelle Schadstoffe müssten in allen Produkten verboten werden, die im Umfeld von Kindern verwendet werden, so die BUND-Chemikalienexpertin. Allein in Deutschland würden laut Häuser jährlich rund 400 000 Tonnen der Substanz verbraucht.