Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, sagt, die politische Grundsatzentscheidung sei längst gefallen
Stade/Buxtehude. Seit dem 31. Mai liegen die geänderten Pläne für die anstehende Elbvertiefung in Amtsstuben zwischen Cuxhaven und Lüneburg öffentlich aus. Gegenüber den bisherigen Plänen sind dabei zum Beispiel Maßnahmen zum Umweltschutz und zur Deichsicherheit eingearbeitet worden. Doch reichen diese aus, um die Bedenken der Anwohner südlich der Elbe zu zerstreuen? Über die aktuellen Pläne sprach das Abendblatt mit dem CDU-Politiker Enak Ferlemann, der in besonderer Weise mit dem Projekt verbunden ist. Als direkt gewählter Bundestagsabgeordneter vertritt der Cuxhavener den Landkreis Stade, in dem es viele Gegner des Vorhabens gibt. Als Parlamentarischer Staatssekretär arbeitet er im Bundesverkehrsministerium, das für die Elbvertiefung zuständig ist.
Hamburger Abendblatt:
Herr Ferlemann, noch vor der Bundestagswahl im vergangenen Herbst galten Sie als Gegner der Elbvertiefung, mittlerweile sind Sie Staatssekretär in einem Ministerium, das den Ausbau forciert. Sind Sie jetzt auch für die Ausbaggerung?
Enak Ferlemann:
Der ursprüngliche Plan ist von der rot-grünen Bundesregierung beschlossen worden, und damals war ich dagegen. Aber inzwischen haben sich mit den Planänderungen wichtige Verbesserungen ergeben. Darauf habe ich hingewirkt, bleibe aber skeptisch.
Heißt das, Sie würden heute dafür stimmen?
Die politische Grundentscheidung ist schon gefallen. Jetzt wird das Planfeststellungsverfahren über die Machbarkeit entscheiden.
Worin bestehen denn die Verbesserungen in den neueren Planfassungen?
Zum einen in den Küstenschutzmaßnahmen im Bereich des Altenbrucher Bogens bei Cuxhaven, die jetzt beschlossen worden sind. Die werden die Deichsicherheit erheblich verbessern, das war vorher nicht ausreichend gewährleistet. Zum anderen sind in den geänderten Planunterlagen, die jetzt ausliegen, wichtige Maßnahmen zum ökologischen Ausgleich und zum Naturschutz enthalten.
Aber den Skeptikern der Elbvertiefung geht es nicht nur um Naturschutz und um Deichsicherheit. Etwa die Obstbauern in Kehdingen und im Alten Land befürchten, dass das Wasser in den Elbenebenarmen nach der Vertiefung so salzig werden könnte, dass es für die Beregnung der Plantagen nicht mehr verwendet werden kann. Was entgegnen Sie denen?
Unsere Experten von der Bundesanstalt für Wasserbau sagen, dass es zu dem Problem nicht kommen wird. Es gibt wasserbautechnische Maßnahmen gegen das Vorrücken der Brackwasserzone.
Obstbauern in Oederquart und Jork messen aber schon seit der bislang letzten Elbvertiefung im Jahr 1999 höhere Salzwerte. Von Seiten der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes, WSV, heißt es dagegen, dass ein signifikanter Anstieg nicht feststellbar sei. Wie erklären Sie sich das?
Auch das Wetter kann den Salzgehalt beeinflussen, der kann zum Beispiel an besonders heißen Tagen im Sommer höher liegen. Außerdem messen die Bauern an anderen Stellen als die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung. Wir müssen aber zu einer gemeinsamen Datenlage kommen. Deshalb haben wir zugesagt, die Messstellen der WSV noch einmal zu verändern.
Was ist, wenn die Befürchtungen der Bauern doch eintreffen?
Man kann sich im Vorfeld darauf einstellen. Eine Möglichkeit wäre, zusätzliche Wasserreservoirs anzulegen, die gleichzeitig als ökologischer Ausgleich gelten. Solche Maßnahmen ließen sich in das laufende Verfahren einarbeiten. Ich rechne damit, dass die Bauern darauf hinwirken werden.
Nicht nur die Bauern fürchten Beeinträchtigungen, auch die Sportbootkapitäne tun es. In den Binnenhäfen südlich der Elbe wird seit der vorherigen Elbvertiefung eine zunehmende Verschlickung festgestellt. Gibt es dagegen auch Vorkehrungen?
Die Stadt Hamburg will freiwillig einen Fonds einrichten, in dem Geld zur Entschlickung der Häfen bereit gestellt wird. Unsere Wasserbauer treffen bei der Elbvertiefung auch Maßnahmen, um die Verschlickung einzudämmen. Aber der Bund kann keine zusätzlichen Mittel für die Entschlickung bereitstellen.
Warum nicht?
Weil die Verschlickung neben der Elbvertiefung auch andere Ursachen hat, etwa die Teilzuschüttung des Mühlenberger Lochs.
Das Forschungsprojekt "Klimzug Nord" untersucht zurzeit die Folgen des Klimawandels für die Region. Dabei ist immer wieder von möglichen Hochwassern die Rede. Gleichzeitig wird eine neue Elbvertiefung geplant. Wird der Klimawandel dabei überhaupt berücksichtigt?
Was den Klimawandel betrifft, wurden bei der Planung der Elbvertiefung Prognosen zum Meeresspiegelanstieg von 90 Zentimetern berücksichtigt. Dabei müssen wir von den jetzigen Voraussetzungen ausgehen. Das Projekt "Klimzug" steht erst am Anfang. Die Daten der Forscher können wir erst verwenden, wenn Ergebnisse feststehen. Und dann würde es um deutschlandweite Maßnahmen im Hochwasserschutz gehen, nicht nur im Bereich der Elbe.
Seit einigen Wochen kursiert die Idee einer "Elbvertiefung light". Sie stammt von Walter Feldt, einem ehemaligen Mitarbeiter des niedersächsischen Umweltministeriums. Er schlägt vor, die Elbe nur etwa halb so tief wie geplant auszubaggern. Wäre das nicht ein sinnvoller Kompromiss?
Ich kenne den Vorschlag gut. Herr Feldt sieht die "Elbvertiefung light" als Alternative. Ob sie das ist, oder ob sie ein anderes Projekt ist, weil sich damit das Planungsziel nicht erreichen lässt, wird die Planfeststellungsbehörde sicherlich prüfen.
Ein weiterer Vorschlag ist, das der Hamburger Hafen in Zukunft mit dem geplanten Jade-Weser-Port in Wilhelmshaven zusammen arbeiten könnte. Dort könnten die großen Schiffe festmachen, und die Elbe müsste nicht vertieft werden. Können Sie der Idee etwas abgewinnen?
Nein. Wenn die Elbvertiefung nicht kommt, werden die Schiffe nicht Wilhelmshaven, sondern Rotterdam anlaufen. Es wäre zu teuer, Hamburg von Wilhelmshaven aus mit kleineren Schiffen der Feeder-Klasse zu versorgen. Entscheiden werden das die Reeder.
Sie scheinen mittlerweile einiges Verständnis für die Hamburger Reeder zu haben. Fürchten Sie nicht um Ihre Popularität in ihrem Wahlkreis?
Nein. Im Gegenteil. Die Menschen wissen, dass ich im Verkehrsministerium ihre Bedenken einbringen kann. Das ist meine Aufgabe und die werde ich auch in Zukunft wahrnehmen.
Ist diese Elbvertiefung die letzte Ausbaustufe, oder sind noch weitere denkbar?
Nein, diese Elbvertiefung wäre die letzte. Und sie ist in der Öffentlichkeit umstritten, das verstehe ich auch, schließlich ist das ein massiver Eingriff in die Flussmorphologie. Aber unsere Wasserbauingenieure sagen, dass es gehen wird.
Nach der ursprünglichen Planung sollte ein Planfeststellungsbeschluss in diesem Herbst vorliegen. Ist das überhaupt noch zu schaffen?
Ich könnte mir vorstellen, dass der Entwurf zu einem Planfeststellungsbeschluss bis zum Herbst kommt. Aber einen Beschluss, für den auch das Einvernehmen Niedersachsens und Schleswig-Holsteins notwendig ist, wird es in diesem Jahr nicht mehr geben.