Sylt. Sylts oberster Naturschützer Dr. Roland Klockenhoff über Tobedünen, besondere Strandinseln und unverzichtbares Engagement junger Leute.

Der Naturschutz auf Sylt feiert 2023 seinen 100. Geburtstag. 1923 wurden auf der Insel die ersten Schutzgebiete Schleswig-Holsteins ausgewiesen, und der Verein Naturschutz Sylt, Vorgänger der heutigen Sylter Naturschutzgemeinschaft, wurde gegründet.

Im Interview spricht der Vereinsvorsitzende Dr. Roland Klockenhoff über gestern, heute und morgen, über Dünen, die wieder wandern sollten, Heide, die wieder gestört werden muss – über falsch verstandenen Naturschutz und Wagnisse für die Zukunft.

Hamburger Abendblatt: Lassen Sie uns zum Anfang unseres Gespräches einmal kurz zurückschauen: Wie ist der Naturschutz auf Sylt entstanden?

Dr. Roland Klockenhoff: Darüber könnte man Bücher schreiben – und es wurde ja in der Tat gerade eines von der Bremer Historikerin Anna-Katharina Wöbse („Sylt. Eine fragile Schönheit. 100 Jahre Naturschutz“) darüber veröffentlicht. Aber um es kurz zu machen: Sylt verdankt die ersten Schritte seines Naturschutzes zwei Männern aus Berlin und Hamburg. Der 1856 in Berlin geborene Ferdinand Avenarius kam als Jugendlicher zur Erholung nach Sylt. Der spätere Herausgeber der Zeitschrift „Der Kunstwart“ war Vorkämpfer des Naturschutzes auf Sylt. Der junge Hamburger Mediziner Dr. Knud Ahlborn kam nach dem Ende des Ersten Weltkrieges auf die Insel. Er erwarb die ehemaligen Militärlager Klapp­holttal und Puan Klent für den Hamburger Jugendverband und die Freideutsche Jugend als Sommertreffpunkte. Avenarius hatte 1923 erreicht, dass das Listland und das Morsum Kliff unter Schutz gestellt werden. Gemeinsam mit Knud Ahlborn plante er die Gründung des Vereins „Naturschutz Sylt“. Avenarius erlebte die Gründung des Vereins nicht mehr. Aber Ahlborn führte den Verein 50 Jahre lang als Vorsitzender. Clara Enss führte den Verein danach zwei Jahrzehnte und führte ihn mit der Bürgerinitiative Sylt, die aus dem Widerstand gegen das Hochhausprojekt „Atlantis“ in Westerland entstanden ist, zusammen.

Was hat sich in den 100 Jahren maßgeblich getan für den Naturschutz auf der Insel?

Eine Menge! Mittlerweile stehen mehr als 50 Prozent der Inselfläche unter Naturschutz, damit sind bis auf den Nössekoog so gut wie alle Dünen- und Heidegebiete sowie die Überschwemmungsgebiete geschützt, die Umgebung wurde zum Nationalpark respektive Weltnaturerbe erklärt, und vor der Küste gibt es das einzige Walschutzgebiet Deutschlands. Sehr große Bereiche der Insel – zunächst einmal im Norden und im Osten – wurden bereits in den ersten Jahren unter Schutz gestellt. Das wurde in den 60er-Jahren fortgesetzt, mit den Dünen und so gut wie allen Heidegebieten. Auf Sylt wurden damit die Siedlungsräume der Insel-Ortschaften begrenzt.

Die Naturschutzgebiete sind für Bebauung tabu. Also, wenn dort Planungen gemacht werden, gibt es erheblichen Widerstand. Die Unterschutzstellung ist ein wesentlicher Erfolg. Ich denke, das lässt sich, einfach gesagt, in fünf Worten zusammenfassen: bis hierhin und nicht weiter! Natürlich ist das Tabu in den vergangenen 100 Jahren immer wieder einmal gebrochen worden, und natürlich wurde auch immer wieder darum gestritten.

Ich denke da beispielsweise an „Sonnenland“, das war der Werbebegriff für die heutigen Zweitwohnungssiedlungen Westerheide und Süderheide in der Lister Blidselbucht. Es gab sogar Pläne für eine touristische Pfahlbau-Siedlung im Wattenmeer, die mit einer Seilbahn erschlossen werden sollte. Ohne das Engagement wäre mittlerweile wahrscheinlich die ganze Insel dicht mit Hochhäusern wie in Westerland bebaut. Vielleicht gäbe es auch eine Autobahn von Nord nach Süd. Wir haben die politische Einstellung zu all diesen Themen verändert, die Natur stärker ins Bewusstsein der Sylter gerückt. Das sind aber wirklich nur ganz verkürzt die wesentlichen Erfolge. In den 100 Jahren ist natürlich viel, viel mehr passiert.

Die Braderuper Heide in Wenningstedt ist eines der Sylter Naturschutzgebiete.
Die Braderuper Heide in Wenningstedt ist eines der Sylter Naturschutzgebiete. © picture alliance / imageBROKER | Karl F. Schöfmann

Ist es mit der Einrichtung der Schutzgebiete getan?

Der Naturschutz, die Unterschutzstellung, darf keine Käseglocke sein. Drüberstülpen und fertig – das funktioniert nicht. Wir wissen aus unserem Alltag: Eine Käseglocke tut dem Käse eine Zeit lang gut – und dann tut sie ihm nicht mehr gut. So oder so ähnlich verhält es sich auch beim Naturschutz. Stellt man ein Gebiet unter Naturschutz, dann verändert sich die Natur ja dennoch weiter. Es muss darum gehen, eine möglichst große Artenvielfalt zu bewahren.

Worin liegt das Hauptaugenmerk, die Hauptarbeit des Vereins heute?

Heute müssen wir niemandem mehr erklären, dass Naturschutz wichtig ist. Es wird sich kaum noch jemand hinstellen und sagen: Was soll der Quatsch? Es wird niemand öffentlich sagen: Ich bin gegen Naturschutz! Das würde sich heute niemand mehr trauen. Die großen Gegner gibt es heute nicht mehr, die Megaprojekte, die massiven Eingriffe, die sind heute nicht das Thema. Es gibt halt immer wieder kleine Aufladungen und Aufregungen. Das übliche Scharmützel. Es wird immer in kleinen Details am Naturschutz gezerrt. Aber das sehe ich mittlerweile ganz, ganz gelassen. Wir haben eine Philosophie: Wenn wir zu viel gelobt werden, dann müssen wir einmal wieder richtig Dampf machen. Und: Wir versuchen, dem offiziellen, dem staatlichen Naturschutz, immer um zehn Jahre voraus zu sein! Also, vieles von dem, was wir früher gefordert haben, erfüllt der staatliche Naturschutz schon heute – nur es gibt ein erhebliches Handlungsdefizit.

Das müssen Sie einmal näher erklären.

Als ich vor 30 Jahren als Vorsitzender anfing und wir irgendeinen Ortstermin hatten, standen da zehn ehrenamtliche Naturschützer und ein hauptamtlicher Mitarbeiter der Naturschutzverwaltung. Heute stehen da zehn Hauptamtliche und ein Ehrenamtlicher. Diese Professionalisierung ist eigentlich eine unheimlich tolle Entwicklung. Auch wir haben seit vielen Jahren eine hauptamtliche Geschäftsführung.

Also alles gut?

Nein, natürlich nicht. Naturschutz ist, was die verschiedenen Schutzkate­gorien betrifft, kompliziert, mittlerweile sind die meisten Flächen auch als FFH (Flora, Fauna, Habitat), also europäische Schutzkategorie geschützt. In FFH-Gebieten gibt es offiziell ein Verschlechterungsverbot, über Managementpläne soll der Zustand der Gebiete erhalten oder verbessert werden. Auf Druck der EU ist das Land immer noch dabei, diese Pläne zu machen. Die Verschlechterung ist in vielen Gebieten in den letzten 15 Jahren mehr als dramatisch, passiert ist kaum etwas. Noch habe ich den damaligen Leiter der Kreisnaturschutzbehörde anlässlich der FFH-Unterschutzstellungen im Ohr, bald werde alles besser, Pustekuchen! Effektiver Naturschutz kostet Geld. Es geht wie immer um Geld – und die Frage, wie viel uns der Erhalt der Natur wert ist. Es wird leider mehr verwaltet als gestaltet.

Das führt unweigerlich zur Frage: Wie finanziert die Naturschutzgemeinschaft Sylt ihre Arbeit?

Vor allem durch Spenden. Wir erhalten darüber hinaus eine staatliche Förderung für die Betreuungsarbeit in den Naturschutzgebieten, die den Grundbetrieb sichert. Nur zehn Prozent der Einnahmen stammen aus den Beiträgen unserer Mitglieder.

Die Naturschutzgemeinschaft arbeitet auch mit jungen Erwachsenen, die hier zum Beispiel ihr freiwilliges ökologisches Jahr absolvieren. Welche Rolle spielen sie?

Anfang der 70er-Jahre gab es den ersten Modellversuch für Zivildienstleistende im Umweltschutz bei der Schutzstation Wattenmeer, dort habe ich von 1976 bis 1977 Zivildienst geleistet. Seit 1977 hatte auch die Naturschutzgemeinschaft junge Kriegsdienstverweigerer. Das hat sich dann bei uns etabliert, ebenso wie in der Nachfolge der Bundesfreiwilligendienst und das freiwillige ökologische soziale Jahr. Im Augenblick unterstützen uns sechs junge Menschen, die ihr ökologisches Jahr bei uns machen. Ihr Engagement ist für uns unverzichtbar. Für viele ist es eine prägende Zeit.

Und sie sind die Naturschützer der nächsten Generation …

Natürlich. Aber die Jugendarbeit beginnt viel früher. Ganz wichtig ist, dass die Inselkinder die Natur kennenlernen. Wir sind stolz auf unsere Kinder- und Jugendarbeit. Vor ein paar Jahren haben sich Nachmittagsgruppen etabliert, in denen Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 15 Jahren die Natur der Insel erkunden und draußen spielen. Das ist keine fünfte Kolonne des Naturschutzes, sondern eine Mischung aus Pfadfindern und Waldkindergarten. Diese Initiative hat sich dann weiterentwickelt zum Projekt „Schule raus in die Natur“. Die Schüler der dritten Klassen aller Grundschulen auf Sylt lernen ein Jahr lang immer ab der zweiten Stunde draußen. Das heißt, Betreuerin und Lehrerin gehen mit den Schülerinnen und Schülern raus, sie erkunden die Insel und lernen dabei. Viele Kinder sind heute kaum noch draußen. Auch Sylt ist zunehmend urbanisiert. Es gibt kaum noch Freiflächen in den Gemeinden. Aus dieser Situation entstand die Idee von Naturfreiräumen und auch die einer „Tobedüne“. Das hilft den Kindern und der Natur.

Tobende Kinder können den Dünen helfen?

Ja, sie bringen die Dynamik zurück in die Düne. Wir würden gern eine Düne an einem der Schullandheime nehmen und sagen: Kinder, hier dürft ihr hinauf, hier dürft ihr von oben runterrollen und nach Herzenslust spielen. Dann wird die Vegetation gestört. Aber genau diese Störung ist ja in bestimmten Bereichen gewünscht. Und wenn genug gestört wurde, dann ist die nächste Düne dran. Aber das ist ein ganz schwieriges Thema, weil wir damit an einem Tabu rütteln. Aus Sicht des Küstenschutzes sollen die Dünen festgelegt werden. In Wanderdünen aber wird der Sand weggeweht, bis kleine Tümpel am Grundwasser entstehen. Dadurch entsteht ein besonderer Lebensraum für Pflanzen und Tiere. Kreuzkröten etwa nutzen den Raum zum Leben und Laichen. Früher gab es im Frühjahr wahre Krötenkonzerte in den Dünen. Die haben massiv abgenommen. Das ist auch eine Folge des Mangels an Dynamik in den Dünen.

Spielende Kinder in einer Düne – ein kontrovers diskutierter Umstand (Symbolbild).
Spielende Kinder in einer Düne – ein kontrovers diskutierter Umstand (Symbolbild). © picture alliance / Westend61 | LOUIS CHRISTIAN

Kurios. Eigentlich wollte man die Natur in den Dünen durch Betretungsverbote und Bewuchs schützen …

Ja, eigentlich ... Aber es gibt einen Paradigmenwechsel, und wir Naturschützer überlegen teilweise, ob man die Dünen in kleinem Rahmen nicht wieder in Bewegung bringen müsste.

Aber da kollidieren Küstenschutz und Naturschutz …

Ja, das ist so. Man könnte jetzt sagen, die spinnen, die Naturschützer. Dabei ist das gar nicht so einfach. Der Küstenschutz ist ein interessantes Thema. Denn wir haben eine Küstenlinie vor der Insel, an der sich die Brandung aufbaut. Aber die Insel ist lang gestreckt. Das heißt, wenn irgendwo eine Wanderdüne initiiert wird, heißt es nicht, dass dort eine Bucht entsteht und die Insel zerbricht.

Was würde geschehen, wenn Dünen wieder wandern würden?

Die Düne wandert im Schnitt etwa vier Meter im Jahr. Wenn man einen Kilometer Platz hat bis zur nächsten Straße oder zur Bebauung, ist nicht einmal klar, ob unsere Enkel noch erleben, dass sie dort ankommt. Also wenn es überhaupt gelingen könnte, würde so eine Wanderdüne – wenn wir sie nicht gerade in den Vororten von Westerland starten lassen – nichts gefährden. Die Dünen hier sind ja nicht einfach nur eine fantastische Naturlandschaft, sie sind auch eine Kulturlandschaft: Die alten Sylter haben Dünengras geerntet, teilweise als Viehfutter, teilweise wurde es genutzt, um Seile daraus zu drehen. Es wurden sogar Gänse in den Dünen vor Westerland gehalten. Und natürlich hat das Militär die Dünen wahnsinnig intensiv genutzt und bebaut. Das heißt, es war immer Unruhe in den Dünen – ganz gleich, ob durch den Menschen oder durch Tiere.

Die größte Wanderdüne auf Sylt befindet sich bei List.
Die größte Wanderdüne auf Sylt befindet sich bei List. © picture alliance / Melanie Steur/Erlebniszentrum Naturgewalten Sylt/dpa | Melanie Steur

Wie groß ist der Verein aktuell?

Wir haben etwa 350 Mitglieder, davon sind etwas über die Hälfte Sylter. Wir haben einen kleinen sehr aktiven Kreis, das ist der Vorstand. Das hat mit Klara Enss vor mehr als 50 Jahren begonnen. Klara Enss hat den konventionellen Naturschutz mit der Umweltbewegung früh zusammengeführt und war eine der ersten Frauen an der Spitze des Naturschutzes. Außerdem gibt es ungefähr 20 bis 30 Mitglieder, die sich bei Aktionen engagieren. Wir haben uns nie darum bemüht, ein mitgliederstarker Verein zu werden. Das würde einen Rattenschwanz an Verwaltungsaufgaben mit sich ziehen.

Wie sieht die Vereinsarbeit heute konkret aus?

Wir betreiben unser Informationszentrum in Braderup – in einer ehemaligen Baracke des Reichsarbeitsdienstes. Wir fühlen uns für die ganze Insel zuständig. Aber wir betreuen als Verein ganz konkret zwei Naturschutzgebiete – die Bra­deruper Heide und das Morsum Kliff. Das ist die Basis. Aber zu unserer Arbeit gehört auch dieses Einmischen mit Blick über die Insel hinaus. Das ist Teil unserer Geschichte, die aus dem Zusammenschluss von Naturschutzverein und der Bürgerinitiative gegen die Atlantis-Pläne rührt. Das war auf Sylt, historisch betrachtet, der Beginn der Umweltbewegung.

Wie muss man sich das vorstellen, dieses Betreuen der Heide? Die Heide ist eine Kulturlandschaft. Die können Sie als Verein doch nicht vollständig wieder bewirtschaften …

Ohne Nutzung entwickelt sich die Heide zum Wald. Mehr als 30 Prozent der schleswig-holsteinischen Heide befinden sich auf Sylt. Wir können die Heide nur beispielhaft an einigen Ecken pflegen. Die Heide muss immer wieder einmal in ihrem Wachstum gestört werden. Sie kennen den Begriff „Plackerei“? Wenn man zehn Quadratmeter Heide geplaggt hat, ist man völlig fertig. Die Heide wird mühsam entbuscht. Das wird heute mit Landesmitteln maschinell gemacht, und die Kosten können für einen Hektar bei 20.000 Euro liegen.

Was passiert in der Heide genau?

Die Sylter Heide ist zuletzt in der Nachkriegszeit genutzt worden. In einer alten Heide bildet sich Rohhumus. Jedes Jahr fallen Blüten und Blätter herunter auf den Boden. Es bildet sich Torf in diesem sehr sauren, nährstoffarmen Boden. Die Heide wird in Katasterkarten immer noch als „Unland“ oder „Ödland“ bezeichnet. Wenn man die Heide verjüngen will, dann muss man an diese Torfschicht abtragen, damit die jungen Pflanzen den mineralischen Boden erreichen können. Denn im sauren Torf kann sich kein Samen­ entfalten.

Wie macht man das?

Wenn man die Heide und ihre Artenvielfalt erhalten will, muss man sie pflegen. Hierzu gehören Entbuschen, Plaggen und Abbrennen. Dabei wird es ein bisschen kompliziert, denn die untersten ein bis zwei Zentimeter der Torfschicht müssen erhalten bleiben. Das ist die Samenbank der Heide. Auch früher wurde die Heide nicht planmäßig gepflegt, sie wurde genutzt, nicht schematisch, sondern eher zufällig. Der eine hat an der Ecke mal geplaggt, der andere an einer anderen. Dort hat es ein Feuer gegeben. An anderer Stelle wuchs es einfach weiter hoch. Hier haben die Schafe mehr gefressen, da weniger. Eigentlich ist unser Ziel, wieder alle vier Entwicklungsstände der Heide herzustellen: von der geplaggten Fläche, auf der nichts ist als die Samenbank, und die ersten Sprösslinge, über das Pionierstadium (da ist es schon etwas bedeckt), das reife Stadium (Herrmann Löns lässt grüßen!) bis hin zum Degenerationsstadium, in dem die Heide über­altert. Die Heide kann sich nur verjüngen, wenn sie gestört wird. Dazu gehören auch gelegentliche Brände.

Also braucht man eigentlich so was wie einen Förster für die Heide?

Wir haben in der Tat einmal angedacht, das Thema Heide im Forstamt unterzubringen. Aber so weit kam es nicht. Wir haben auch vor ein paar Jahren mit kleinen kontrollierten Bränden versucht, die Heide zu verjüngen. Das ist zwar nicht die ganz elegante Methode, aber es funktioniert. Du lässt die Heide gegen den Wind brennen. Das Feuer frisst sich hinein. Die Samen der Heide vertragen Temperaturen von bis zu 300 Grad. Nach dem Feuer sprießen die Samen. Die Brandaktion kam bei den Menschen in den Orten aber nicht so gut an. Sie fürchteten sich, dachten, die Feuerwehr habe den Brand nicht unter Kontrolle. Es war aber nie eine Gefahr da. Doch wir haben erst mal Abstand davon genommen, das zu wiederholen.

Naturschutz-Idylle auf Sylt: Der Blick über die Braderuper Heide auf das Wattenmeer.
Naturschutz-Idylle auf Sylt: Der Blick über die Braderuper Heide auf das Wattenmeer. © picture alliance / Westend61 | Kerstin Bittner

Versuchen wir zum Abschluss, ein wenig in die Zukunft zu blicken: Was sind die größten Herausforderungen? Was sind die Pläne des Vereins?

Das ist aus meiner Sicht ganz klar das Thema Artenschutz. Alle zehn Jahre wird eine Untersuchung dazu gemacht, und alle zehn Jahre gibt es weniger Arten – nicht nur auf Sylt. Wir müssen uns bemühen, den Artenreichtum, so gut es geht zu bewahren – oder zumindest Artenrückgang zu bremsen. Ich denke, das ist ein sehr ambitioniertes Ziel. Denn es gibt viele Faktoren, die wir hier auf der Insel nur sehr begrenzt beeinflussen können: das Klima zum Beispiel. Was das Klima betrifft, sind wir keine Insel.

Haben Sie ein konkretes Beispiel?

Viele Sylter Naturschutzverbände arbeiten beispielsweise an einem neuen Projekt, das wir „Strandinseln“ nennen. Unser Strand wird, um es ganz brutal zu sagen, zunehmend industriell genutzt – von der Tourismusindustrie im wahrsten Sinne des Wortes. Auch der Küstenschutz mit schwerem Gerät ist am Strand überall sichtbar. Wenn Sie dort sehenden Auges langgehen, dann ist dort eine Fahrspur neben der anderen, und es wimmelt von Menschenspuren. Aber es gibt durchaus Pflanzen in diesem Sand, die dort gerne wachsen würden. Nur die Samen werden meist durch den vielen Betrieb daran gehindert. Das ist wie im Garten: Wenn man möchte, dass dort etwas wächst, dann sollte man nicht darauf herumtrampeln.

Und was bedeutet das für das Projekt „Strandinseln“?

Wir grenzen bestimmte Bereiche einfach ein oder sagen den Menschen: Bitte bleibt hier einmal weg. Das sind Flächen im kleinen Prozentbereich des Sylter Strandes. Aber es ist wirklich erstaunlich, was da an Pflanzen, zum Beispiel die Stranddistel, hochkommt.

Die Naturschutzgemeinschaft Sylt ist aber ja nicht allein aktiv auf der Insel …

Absolut nicht! Auf Sylt gibt es eine sehr bunte Naturschutzlandschaft. Es gibt noch einen zweiten lokalen Verein, der Sölring Foriining, der vor allem die Dünengebiete betreut. Dann gibt es auch auf Sylt natürlich die überregionalen Verbände, wie beispielsweise den Nabu, die Schutzstation Wattenmeer und den Verein Jordsand. Es gibt eine hervorragende Zusammenarbeit.

Wohin soll es für den Verein gehen?

Wir versuchen neue Wege zu gehen. Wir wollen, und damit haben wir mit der Kinder- und Jugendarbeit ja vor vielen Jahren bereits Grundsteine gelegt, gerade auch die Sylter stärker in unsere Arbeit einzubinden. Wir möchten die Menschen auch bei der Heidepflege mit einbinden. Nur wer es einmal mitgemacht hat, versteht die Zusammenhänge. Auch die jungen Freiwilligen, die die Vogelzählungen durchführen, müssen ja nicht einsam durch die Gegend gehen. Die können auch mal zwei, drei Leute mitnehmen.

Könnte der Verein in Zukunft weitere Naturschutzgebiete­ auf Sylt betreuen?

Das ist nicht unser Ziel. Wir haben uns nie darum bemüht, ganz viele Naturschutzgebiete zu betreuen. Wir haben immer gesagt, wir kümmern uns um zwei Naturschutzgebiete – und wenn wir die gut betreuen wollen, dann haben wir damit mehr als genug zu tun. Denn Naturschutz ist eine Menge Arbeit …