Wenningstedt-Braderup. Naturschützer halten rund ums Wattenmeer Ausschau nach den Tieren. Ein Strandvogel ist dafür bekannt, immer in Eile zu sein.
Draußen an der frischen Luft ist Mara Schenke am allerliebsten. Das hat die 18-Jährige gerade in den vergangenen Monaten gemerkt. Auf Sylt macht die Nürnbergerin in Wenningstedt-Braderup ihr Freiwilliges Ökologisches Jahr. Diese Woche hilft sie bei der Zählung der Wasservögel rund ums Wattenmeer mit.
Etwa 400 Vogelarten leben insgesamt in dem Gebiet. Alle zwei Wochen begeben sich Naturschützerinnen und -schützer in bis zu 300 Zählzonen auf die Suche nach den Tieren. "Wir machen die Zählungen immer alle möglichst am selben Tag zur selben Uhrzeit, damit das Ergebnis nicht verfälscht wird", erklärt Mara Schenke.
Für den Termin gibt es eine Voraussetzung: Es muss Springtide sein, also besonders starkes Hochwasser. Das ist immer dann der Fall, wenn Sonne, Mond und Erde in einer Linie stehen – also bei jedem Voll- und bei jedem Neumond.
Sylt: Bei Vollmond und Neumond werden Vögel gezählt
"Dann sind viele Sandbänke überspült und die Vögel kommen ans Ufer", so Schenke. Dort rasten sie dichtgedrängt – zum Beispiel auf den Salzwiesen in der Braderuper Heide. Dort ist auch ein Zählgebiet der Bayerin. Die Tour macht sie meistens ganz allein. Mit einem Spektiv in der Satteltasche schwingt Mara Schenke sich auf ihr Mountainbike. Eigentlich darf man in der Heide nicht mit dem Fahrrad fahren – für die Naturschützerin gilt aber eine Ausnahme.
Als erstes geht es auf einen Holzsteg nah am Ufer. Hier in der Heide an Sylts Ostküste ist es zu dieser Jahreszeit ganz still. Die Natur wirkt fast unberührt. Durch das Spektiv, also ein spezielles Beobachtungsfernrohr, kann Mara Schenke die Vögel ganz genau erkennen. Die Bestimmung der Tiere fällt ihr mittlerweile nicht mehr schwer.
Nur bei gutem Wetter sind die Vögel gut zu sehen
Mit einem "Klicker" also einer kleinen Zähleruhr, zählt sie die Vögel in Ufernähe – für jeden Vogel drückt Mara Schenke einmal auf die Uhr. Die Zahl wird dann angezeigt. Ein paar Silbermöwen, einige Lachmöwen. "Heute sind nicht so viele Vögel da", sagt Schenke. Und trotzdem: Die Sicht ist gut, das Wetter optimal für die Zählung – noch.
Denn auf der Nordseeinsel kann die Witterung von einem Moment auf den anderen komplett umschlagen. Das hat auch die Bayerin in den vergangen Monaten gelernt. Und so kommt es auch an diesem Tag: Beim nächsten Stop, etwa 20 Minuten später, ist die Sonne weg. Die Luft ist kühler, Nebel ist aufgezogen. Der Horizont, der eben noch klar zu erkennen war, scheint verschwunden.
Bis zu 400.000 Vögel sind im Winter am Wattenmeer
Mara Schenke wagt noch einen Versuch, ohne Erfolg. "Man sieht wirklich fast nichts, dann können wir auch die Vögel nicht erkennen." Sie muss ihren Teil der Zählung abbrechen. Stattdessen zieht die Fachabiturientin am nächsten Tag wieder los. Die Ergebnisse schickt sie am Abend. Zehn verschiedene Vogelarten hat sie heute zählen können. Die meisten darunter Große Brachvögel (460), Lachmöwen (338) und Austernfischer.
Insgesamt zwischen 300.000 und 400.000 Vögel überwintern an der Wattenmeerküste von Sylt bis zur Elbmündung bei Brunsbüttel, sagt Ornithologe Klaus Günther von der Schutzstation Wattenmeer. Er koordiniert die Zählungen der Wasservögel im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer im Auftrag der Nationalparkverwaltung.
Wattenmeer ist für viele Vögel wichtige Nahrungsquelle
Diesen Winter sei die Anzahl der Tiere in dieser Region auf normalem Niveau. "Viele Vögel verbringen hier den Winter und nutzen das Wattenmeer im Frühjahr als Zwischenstation auf dem Weg in Richtung Arktis", sagt Günther. Zum Beispiel fliege eine Population des Knutt, eine Strandläuferart, Anfang Mai von Westafrika in Richtung Wattenmeer.
"Hier ist ihre einzige 'Tankstelle' auf der Reise, weil sie im Watt so viel Nahrung finden." Sie würden ihr Gewicht innerhalb von drei bis vier Wochen mit Fettdepots als Flugtreibstoff verdoppeln. Um dann in nur drei bis vier Tagen etwa 5000 Kilometer bis in die sibirischen Brutgebiete zu fliegen.
Als Vogel-Experte hat Klaus Günther auch ein paar Tipps, wie man Vögel auf Sylt am besten beobachten kann: "Der Zeitraum zwei bis drei Stunden um Hochwasser herum lohnt sich am meisten" .
Denn, wie auch für die Vogelzählung günstig, halten sich dann viele Wasservögel nah am Ufer auf der im Osten gelegenen Wattenmeerseite der Insel auf und sind von den öffentlichen Wegen aus gut zu beobachten. Bei niedrigem Wasserstand lohne es sich, die Tiere auf den Wattflächen bei der Nahrungssuche zu beobachten. "Dabei ist es natürlich immer am besten, ein Fernglas dabei zu haben."
Sylt: Ein Vogel wird "Keen Tied" genannt
Und was gibt es so bei einem Strandspaziergang zu entdecken? Neben den bekannten Möwen und schwarz-weißen Austernfischern ist dort auch oft der Sanderling unterwegs, ein kleiner weißer Strandläufer mit hellgrauem Rückengefieder. Auf „Plattdeutsch“ werde er auch "Keen Tied" genannt. "Weil er immer so hastig am Strand herumrennt, als hätte er keine Zeit", sagt Günther schmunzelnd.