Sylt. Hotelier Volker Koppelt wollte den Verein groß rausbringen. Doch vieles ging schief. Zwei ehemalige Spieler erinnern sich.
Wer beim Amateurfußball vom ehrlichen Sport vor der eigenen Haustür spricht, hat manchmal nur bedingt Recht. Windige Geldgeber, obskure Verträge und überraschende Trainerentlassungen gibt es auch in den Niederungen des deutschen Fußballs.
Die Geschichten, die auf den Fußballplätzen im Norden überliefert werden, sind teilweise so absurd, dass man eigentlich ein ganzes Buch darüber schreiben könnte. Ein Kapitel darin müsste auch vom FC Sylt handeln.
Geldgeber wollte den FC Sylt groß rausbringen
„Bei diesem Verein zu spielen, war auf jeden Fall ein großes Abenteuer“, sagt Dennis Tornieporth, der heute den Hamburger Landesligisten Düneberger SV trainiert. 15 Jahre ist es her, dass der wohlhabende Hotelier Volker Koppelt den FC Sylt gründete – und damit seinen Traum von einem Fußballverein, der wie die Insel für Glanz und Prominenz steht, Wirklichkeit werden lassen wollte. Sein Ziel: Mit dem FC Sylt Meister in der Oberliga Schleswig-Holstein werden.
Dazu verpflichtete Koppelt in kürzester Zeit reihenweise Stars aus der lokalen Fußballszene. Einer von ihnen war Tornieporth. „Ich wollte einfach nochmal etwas Spannendes machen, um meine Karriere ausklingen zu lassen“, sagt er dem Abendblatt zwölf Jahre später. Auf Sylt gewesen sei der frühere St.-Pauli-Profi nur ein einziges Mal – im Frühjahr 2011, als er Koppelt die Zusage für den Vereinswechsel gab. Denn auf der Insel bestritt der Verein kein einziges Punktspiel.
Auf Sylt bestritt der FC kein einziges Punktspiel
Eigentlich hätte die Mannschaft im Westerländer Sylt-Stadion spielen sollen, erhielt vom Eigentümer Team Sylt aber keine Spielerlaubnis. Stattdessen trug der Club seine Partien in den rund 100 Kilometer entfernten Orten Fahrdorf und Felde aus. „Meine jetzige Frau hatte damals ihr Referendariat in Kiel gemacht. Wenn die Umstände nicht so gewesen wären, hätte ich das Angebot nicht angenommen“, erzählt Tornieporth.
Auch Stürmer Philipp Baasch kamen die ungewöhnlichen Trainings- und Spielbedingungen entgegen. Zum Training in Bimöhlen bei Bad Bramstedt waren es für den gebürtigen Oldesloer lediglich rund 40 Kilometer. Die Sache hatte allerdings einen Haken, wie er dem Abendblatt verrät: „Wir haben in einem halben Jahr nur dreimal trainiert.“
FC Sylt fusionierte mit dem FC Haddeby
Aber erst einmal der Reihe nach. Am 1. April 2008 gründete Koppelt – ein groß gewachsener Mann mit langen grauen Haaren, der zu den Spielen im Porsche vorfuhr – den FC Sylt. Die Mannschaft fusionierte im folgenden Sommer mit dem FC Haddeby aus Fahrdorf, den Koppelt bereits seit dem Jahr 2007 finanziell unterstützt hatte.
Ein Jahr später löste sich die Spielgemeinschaft allerdings schon wieder auf, da fusionierte Vereine nicht für die Oberliga Schleswig-Holstein zugelassen sind. Während Haddeby in die Kreisliga zurückgestuft wurde, spielte der FC Sylt nach der Meisterschaft in der Verbandsliga Nordwest erstmals in der Oberliga Schleswig-Holstein. Das war im Jahr 2009.
Sylt verpasste die Meisterschaft trotz Prominenz
In der Oberliga war die Devise klar. Der FC Sylt sollte die Meisterschaft gewinnen und auf längere Sicht den Aufstieg in die viertklassige Regionalliga Nord anpeilen. Für dieses Ziel stellte Koppelt ein ganzes Starensemble aus bekannten Amateurfußballern und Ex-Profis zusammen.
Neben dem einstiegen Zweitligatorwart Maik Wilde zählten der frühere Bundesliga-Profi Marcell Rath und später auch der ehemalige litauische Nationalstürmer Dmitrijus Guscinas zu den bekanntesten Spielern. Die erste Oberliga-Saison beendete die Mannschaft aber nur auf Platz drei.
Koppelt lockte Spieler mit Autos und Sylt-Urlauben
Neben lukrativen Verträgen lockte Koppelt die Spieler unter anderem mit Leihwagen und Sylt-Urlauben zum Verein. Im Winter 2011 stieß auch Philipp Baasch, der zuvor Stammspieler beim Ligakonkurrenten Strand 08 war, zum Team. Offizieller Trainer war zu dieser Zeit: Koppelt. Tatsächlich leitete aber Star-Neuzugang Guscinas die Einheiten.
„Er war eine absolute Maschine“, erinnert sich der mittlerweile 37-Jährige an seinen Mitspieler, der in derselben Saison mit 31 Toren Torschützenkönig in der Oberliga wurde. Der frühere Drittliga-Profi sollte auf dem Platz Koppelts verlängerter Arm sein und als „Konditions-Coach“ die Mannschaft körperlich auf die Saison vorbereiten.
Ex-Spieler: „Versprechen wurden nicht gehalten“
Tatsächlich aber trainierte das Team so gut wie nie und traf sich ausschließlich zu den Spielen. „Es wurden einige Versprechen nicht gehalten“, liefert Baasch, der den FC Sylt nach einem halben Jahr wieder verließ, einen Erklärungsansatz.
Dennis Tornieporth, heute 40 Jahre alt, kam im erst im anschließenden Sommer zum Club. Zu dieser Zeit stellte sich der Verein erstmals mit einem echten Trainerteam auf. Der frühere Bundesliga-Profi Dietmar Hirsch wurde Cheftrainer. Sein Assistent war Gregor Strebel, der zuvor unter Felix Magath beim VfL Wolfsburg gearbeitet hatte.
„Die Vorbereitung war sehr ambitioniert. So etwas hatte ich bei meinen vorherigen Vereinen noch nicht erlebt. Selbst im Profibereich haben wir teilweise weniger und auch weniger intensiv trainiert. Wir waren super fit!“, sagt der einstige Mittelfeldspieler. Die Mannschaft startete mit fünf Auftaktsiegen in die Oberliga-Saison – doch dann wurde das Trainerduo überraschend freigestellt.
Koppelt diktierte die Aufstellung des FC Sylt
Koppelt soll die Arbeit zu professionell gewesen sein. Der Mäzen und Vereinspräsident hielt sich zwar im Hintergrund auf, habe kurz vor den Spielen aber auch gerne mal Änderungen an der Aufstellung gewünscht.
„Wir haben darüber vorher schon immer unsere Späße gemacht. Mein Name wurde zum Glück nie gestrichen“, scherzt Tornieporth. Ohne das Trainerteam kam der Trainingsbetrieb erneut zum Erliegen. Die Mannschaft wurde am Ende Tabellenneunter: „Dafür, dass wir gar nicht trainiert haben, ist das doch gar nicht so schlecht!“
Heute kann Tornieporth mit einem Augenzwinkern auf die Zeit zurückblicken: „Eigentlich war Volker Koppelt ein ziemlich cooler Typ. Ich hatte keine Probleme mit ihm.“ Seine Zeit beim FC Sylt war trotzdem nach einer Saison wieder beendet. Seine Begründung: „Jeder Spieler, der länger als ein Jahr beim FC Sylt geblieben ist, hat die Kontrolle über sein Leben verloren!“
0:10-Pleite als Schlusspunkt der Vereinshistorie
Im Sommer 2012 startete der Club ein Neuanlauf mit dem früheren Profi Berkan Algan als Spielertrainer. Algan, der später für fünf Jahre Trainer von Altona 93 war, wurde aber nach fünf Wochen wieder entlassen.
Die Mannschaft löste sich im weiteren Saisonverlauf zunehmend auf. Eine 0:10-Niederlage beim SV Eichede am 16. September 2012 war das letzte Spiel, bevor sich der Verein am 21. September vom Spielbetrieb endgültig abmeldete. Alle Ergebnisse aus der Saison 2012/13 wurden annulliert und der Club ans Tabellenende gesetzt.
Insolvenzverfahren wurde für FC Sylt abgelehnt
Wie der Schleswig-Holsteinische Fußballverband am 3. Juni 2013 verkündete, wurde ein Insolvenzverfahren „mangels Masse“ – ein Fall, wenn nicht einmal die Verfahrenskosten bezahlt werden können – abgelehnt. Der FC Sylt wurde damit aus dem Vereinsregister gestrichen.
Volker Koppelt hat sich mittlerweile aus der Fußballszene zurückgezogen. Zuletzt war er in der Saison 2017/18 in beratender Funktion beim damaligen Oberligisten TSV Schilksee tätig.
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„Eigentlich ist es schade, dass Sylt keinen höherklassigen Fußballverein hat. Die Insel hätte das verdient“, sagt Dennis Tornieporth. An die Geschichte des FC Sylt wird man sich auf den Fußballplätzen im Norden trotzdem noch lange erinnern.