List auf Sylt. Das historische Reetdachhaus war für den Investor kaum zu nutzen. Lister Politiker waren darüber aber nicht informiert worden.

Beim Abriss des Alten Gasthofs waren den Lister Bürgern die Hände gebunden. Sie hatten keine Möglichkeit, den Bagger zu stoppen und das historische Reetdachhaus zu retten. Darüber herrschte bei der ersten Sitzung des Bauausschusses der Gemeinde weitgehende Einigkeit.

"Der Abriss ist ein Verstoß gegen die in diesem Bereich geltende Erhaltungssatzung der Gemeinde", sagte Bürgermeister Ronald Benck. Er habe am Vormittag des 30. Dezember, als der Bagger das Friesenhaus zerstörte, mit zwei Ämtern der Kreisverwaltung (Denkmalschutz und Bauamt) telefoniert. Sie hätten die Polizei beauftragen können, den Sachstand zu klären, weil zumindest der Verdacht einer Straftat im Raum stand.

Harte Kritik an Abriss des Alten Gasthofs

Die Lister Bürger – und ihr Bürgermeister – hätten die Polizei nur wegen der Ordnungswidrigkeit eines Abrisses ohne Genehmigung rufen können, so Benck. Eine Ordnungswidrigkeit rechtfertige generell keinen Polizeieinsatz.

Der Bürgermeister wird seit dem Abriss in den sozialen Medien wegen angeblicher Untätigkeit hart attackiert. Im Ausschuss stieß er dagegen eher auf Verständnis der Kommunalpolitiker und gut 20 Bürger, die zur Einwohnerfragestunde gekommen waren.

Ihre Empörung wendete sich gegen die Kreisverwaltung in Husum. "An dem besagten Freitag gab es einen Versuch der Kontaktaufnahme aus der unmittelbaren Nachbarschaft mit der zuständigen Bauaufsicht des Kreises. Diese konnte erst gegen 13.30 Uhr zurückrufen, als der Abriss schon weitgehend vollzogen war, also nichts Erhaltenswürdiges mehr stand", lautet die Antwort des Kreises Nordfriesland auf eine Abendblatt-Anfrage.

Generell könne die Bauaufsicht die Einstellung der Arbeiten anordnen, wenn sie "im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften" wie einer Erhaltungssatzung stehen.

Warum der Alte Gasthof nicht umgebaut wurde

Der Investor Andreas Kammholz hatte im Herbst 2021 einen Umbau beantragt, um im Erdgeschoss des ehemaligen Gasthofs eine zweite Wohnung zur dauerhaften Nutzung herzurichten. Der Lister Bauausschuss hatte ihm dafür einstimmig grünes Licht gegeben.

Der Kreis Nordfriesland lehnte den Umbau jedoch ab. Um die Anforderungen für die Wohnnutzung zu erfüllen, wären massive Eingriffe in die Bausubstanz erforderlich gewesen. So hätten unter anderem die Zimmerdecken erhöht werden müssen.

Alter Gasthof hatte seine Küche verloren

Bei solchen Maßnahmen hätte das historische Gebäude seinen Bestandsschutz verloren. Als Folge wären die aktuellen Vorschriften für Neubauten anzuwenden gewesen, die der Alte Gasthof nicht hätte erfüllen können. Der Plan, zwei Dauerwohnungen zu errichten, war damit gescheitert.

Als Gaststätte ließ sich das Gebäude aber auch nicht mehr nutzen: Anfang 2021 musste die in den 1990er Jahren angebaute Küche abgerissen werden, weil sie nicht der Baugenehmigung entsprach.

Über diese missliche Situation waren offenbar weder Bürgermeister Ronald Benck noch die Kommunalpolitiker informiert worden. "Das ist sehr unglücklich, denn wir hätten auf den Investor zugehen und mit ihm gemeinsam nach einer Lösung suchen können", sagte der Lister SPD-Fraktionschef Olaf Klodt. "Außerdem hätten bei uns schon die Alarmglocken geschrillt, als die zwei Baucontainer auf dem Grundstück abgestellt wurden. Weil jedoch unser Kenntnisstand war, dass eine Umbaugenehmigung besteht, sahen wir darin kein Problem."