Sylt. Der Fotograf Hans Jessel wollte kein Sylt-Buch mehr machen – doch der Sommer 2020 veränderte seine Meinung.

Der Ort hätte passender nicht gewählt werden können: Im Sylt Museum im schönsten Inselort Keitum bei herrlichstem Herbstwetter präsentierte der Fotograf Hans Jessel am Sonntag seinen neuen Bildband. Der Titel „Sylt“ ist maximal schlicht, die Fotos hingegen spektakulär. Wohl kaum einem Fotografen gelingt es so, den Zauber seiner Heimat einzufangen und auf Papier zu bannen.

Es ist 20 Jahre her, dass Hans Jessel beim Hamburger Verlag Ellert und Richter sein letztes großes Sylt-Buch veröffentlicht, das zu einem Bestseller wurde. Und auch wenn sich die Insel seitdem verändert haben mag, ihre Schönheit hat sie nicht verloren. „Nach dem großen Sylt-Buch sagte ich, das mache ich nicht wieder. Man lockt immer mehr Menschen an, wenn wir immer nur die schönen Seiten zeigen“, sagte Jessel im Gespräch mit Museumsleiter Alexander Römer. „Ich habe mich nun anders entschieden, weil es in fast allen Berichten der vergangenen Monate über die Insel nur noch um Punks und Lindners Hochzeit ging. Das war auch nicht mein Sylt.“

Spektakuläre Fotos von Sylt: Mit Wellen fing alles an

Eigentlich dauere es Jahre, einen Bildband zu konzipieren und zu veröffentlichen, sagte er. „Aber in diesem Fall waren die meisten Fotos schon da, ich musste nur noch die Texte schreiben. Die habe ich im wunderschönen Sommer 2022 inmitten meiner Hühner im Garten geschrieben.“ Er habe sich aus einem Fundus von 100.000 Bildern bedient, von denen 220 den Weg ins Buch fanden. „Wenn du ein wirklich gutes Bild macht, merkst du das.“

Verleger Gerhard Richter lobte den besonderen Blick des Fotografen: „Uns bieten mehrmals im Jahr Fotografen Bildbände von Sylt an, aber wir lehnen immer ab: Denn wir haben Hans Jessel. Er fotografiert nicht nur, er empfindet auch, was er fotografiert. Das vermag nur jemand, der die Inselnatur leben lässt und in den innigsten Momenten einfängt“, so Richter. Hans Jessel lausche der „Sprache des Windes, des Lichts und des Sands“.

Spektakuläre Sylt-Fotos: In Unterhose ins 8 Grad kalte Wasser

Die Buchpräsentation „Sylt“ geriet zum Ereignis – rund 70 Sylter, Wegbegleiter und Medienvertreter waren am Sonntagmittag ins Museum nach Keitum gekommen. Jessel erschien mit einer Gehhilfe. „Die besten Fotos sind mit einem Sprint verbunden. Das sieht bei 20-jährigen sportlich aus, bei einem 66-Jährigen eher weniger“, erzählte er. In der vergangenen Woche habe er sich beim Fotografieren im Listland verletzt. „Als Fotograf muss man ran ans Motiv.“ So sei es auch bei seinen spektakulären Bildern der Sylter Wellen gewesen. „In Unterhose musste ich im April bei 8 Grad rein ins Wasser. In den entscheidenden Momenten versuche ich, dicht dran zu sein.“

Mit Bilder von Wellen fing alles an: 1981 hatte Jessel als 25-Jähriger seine erste Ausstellung in Keitum. Einer der ersten Käufer seiner Bilder war der bekannte Maler Siegward Sprotte: „Da habe ich mir überlegt, Fotograf zu werden.“

Kaum jemand kennt Sylt besser als Fotograf Jessel

Entscheidend für Landschaftsfotografen sei das Wetter, das er schon als Kind beobachtet hat. „Da ich die Insel kenne, weiß ich, wann ich wo hin muss. Und zwar rechtzeitig! Sie glauben nicht, wie oft ich den Wolken hinterherfahre.“ Dann schwingt er sich auf sein E-Fahrrad und steuert sein Foto-Ziel an. „Es ist verrückt, aber macht wahnsinnigen Spaß. Ich kann ihnen zu allen 100.000 Bildern die Entstehungsgeschichte erzählen.“

Jessel habe das Glück, als einer der wenigen Landschaftsfotografen in Deutschland von seinen Bildern leben zu können. Und er hat das Glück, Sylter zu sein: „Für mich ist die Insel Sylt der absolute Höhepunkt in Deutschland.“

Hans Jessel: Sylt. 312 Seiten mit 225 Abbildungen, Ellert & Richter, 50 Euro