Schleswig-Holstein. Wolfgang Kulow aus Großenbrode ist Extremsportler und badet zweimal die Woche in der vier Grad kühlen See.
Es ist eine Frage der Haltung, der Konzentration, sagt Wolfgang Kulow. Dann könne der Körper die vier Grad kalte Ostsee gut ertragen. Dann gehe der Schmerz vorüber. Der 72-Jährige steigt zweimal die Woche ins Meer vor seiner Haustür in Großenbrode. Danach sei der Kopf frei. Anfängern gibt der Extremsportler Tipps, worauf beim Eisbaden zu achten ist.
Wenn Wolfgang Kulow vom Bad in der kalten Ostsee erzählt, klingt es ganz einfach. So nach dem Motto, wenn man es wirklich will, dann schafft man es auch. Und er hat ja schon viel größere Herausforderungen in seinem Leben gemeistert. Der in Großenbrode aufgewachsene frühere Marinetaucher und Fliesenleger ist Extremsportler, der regelmäßig auf Expeditionen geht.
Ostsee: Wolfgang Kulow gibt Tipps fürs richtige Eisbaden
Er lief 200 Kilometer durch die Sahara, fuhr mit dem Rad 5000 Kilometer durch die USA, absolvierte einen zehnfachen Ironman und schwamm 90 Kilometer rund um Fehmarn. Dazu ist er nach eigenen Angaben der erste Mensch, der unter Wasser einen Marathon lief und einen Unterwasser-Triathlon absolvierte. Kulow fuhr mit dem Rad über den vereisten Baikalsee. Und wer dort schon einmal in einem Eisloch bei minus 15 Grad gebadet hat, für den ist ein Bad in der winterlichen Ostsee keine große Sache.
Vormittags um elf sei eine gute Zeit für einen Sprung ins Meer. Dann geht es die 150 Meter von seinem Zuhause ans Wasser, oder er schnappt sich sein Fahrrad und fährt ein Stück weiter. Er trägt dann eine Daunenjacke, Badehose, vielleicht einen Pulli und Schuhe. Denn das Wichtigste beim winterlichen Badevergnügen ist, dass einem nicht schon vor dem Gang ins Wasser kalt ist. Bewegung ist wichtig, und so wärmt er sich mit Liegestützen auf oder geht ein wenig hin und her. „Bewegung ist das A und O, damit das Blut zirkuliert“, sagt er. Vor allem die Fußsohlen gilt es warm zu halten. Dafür stellt er sich mit nackten Füßen zum Beispiel auf eine Isomatte oder ein Handtuch. „Sonst zieht die Kälte von den Fußsohlen bis in die Haarwurzeln.“
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Eisbaden: „Schmerzen kann man kontrollieren“
Zweiter Schritt: Konzentration, sich auf das Bevorstehende fokussieren. Damit die Grundwärme nicht verloren geht, sucht sich Kulow die Stelle vorab aus, an der es ins Wasser geht, guckt ob da auch keine Steine liegen. Ja, und dann geht es hinein in die graue Ostsee. Das verläuft ruhig, ohne Geschrei. Mit den Händen schippt er sich immer wieder Wasser über den Körper, watet hin und her. Dann kommen die Schmerzen, kriechen die Waden und die Beine immer weiter hoch. Spätestens jetzt, und das hat Wolfgang Kulow häufig beim Eisbaden beobachten können, laufen die jungen Leute, die Anfänger, ganz schnell wieder hinaus.
„Die halten das keine Minute aus, das ist doch schade.“ Es seien immer mehr Jüngere, die beim traditionellen Anbaden Anfang Januar an den Küstenorten mitmachen, so seine Einschätzung. Sein Tipp fürs erste Mal: „Nur mit den Waden ins Wasser gehen und sich dann allmählich steigern.“ Schmerzen, sagt er, könne man kontrollieren. Je nach Wassertiefe geht er bis zur Brust oder bis zum Kopf ins Nass, aber den Kopf selbst taucht er nicht unter.
Sich überwinden kann für vieles die Lösung sein
Wer es so weit geschafft hat, dem verspricht Kulow ein tolles Erlebnis. Er jedenfalls spürt es jedes Mal wieder: „Der Kopf wird entmüllt, resettet sozusagen. Weil der Körper mit dem Kältereiz zu tun hat, wird der Kopf frisch und frei. Wenn da Probleme sind oder so und du gehst in das kalte Wasser, sind die komplett weg.“ Man habe keine Gelegenheit, an irgendetwas zu denken. Und wann ist das in der heutigen Zeit schon möglich? Das Baden bei Kälte scheint eine Kurzmeditation zu sein.
Wenn man dann wieder aus dem Wasser kommt, fängt der Körper an zu arbeiten, es ist einem nicht mehr kalt, und man hat ein gutes Gefühl. „Ich kann jedem empfehlen, der viel Stress hat, mal kurz rein ins kalte Wasser und wieder raus, dann ist alles wieder klar im Kopf. Man muss ja gar nicht schwimmen.“ Wolfgang Kulow ist überzeugt: Jeder kann im Winter in der Ostsee baden. Außer Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen.
„Das ist ein Stück Freiheit. Man schaut in die Weite und kann allein in die Ostsee rein“, sagt er in der Video- und Podcast-Reihe „Ostseelauschen“ vom Ostsee-Holstein-Tourismus e. V. „Keiner mag ins kalte Wasser. Aber wenn du dich dafür motivieren kannst, ist das eine tolle Sache.“ Sich überwinden, positiv an alles herangehen, kann für vieles die Lösung sein. Dann gehen Dinge, von denen man vorher nicht dachte, dass sie gehen. So Wolfgang Kulows Einstellung, der übrigens von sich behauptet, immer schnell zu frieren.