Sylt. Viele Touristen wollen die Insel am liebsten nie wieder verlassen. Die Sylter wissen, was es nur auf der anderen Seite des Damms gibt.

Als Sylt-Urlauber mag man denken: Auf dieser Insel gibt's ja alles! Unzählige Restaurants, Fischbrötchen an jeder Ecke, Shoppingparadiese und Wattwanderungen en masse, sogar eine Kaffeerösterei, einen Flughafen, Surfschulen. Doch die Insulaner wissen, dass der Weg manchmal unweigerlich aufs Festland führt – über den Hindenburgdamm nach Flensburg, Kiel oder Hamburg.

Wie Kerstin Scheele, seit 28 Jahren Bewohnerin der Insel und Mitarbeiterin im Counterbereich der inseleigenen Fluggesellschaft SyltAir, erzählt, führen vor allem Arzt-Besuche aufs Festland. "Die medizinische Versorgung hier ist nicht ausreichend", sagt sie. "Für spezielle Ärzte und Kliniken muss man nach Hamburg oder Flensburg."

Kerstin Scheele, Sylt-Bewohnerin und Mitarbeiterin der inseleigenen Fluggesellschaft AirSylt, hinter ihrem Counter.
Kerstin Scheele, Sylt-Bewohnerin und Mitarbeiterin der inseleigenen Fluggesellschaft AirSylt, hinter ihrem Counter. © Anika Würz

Sylt: Wer zum Arzt will, muss oft aufs Festland

Auch für Veranstaltungen passiere sie zuweilen den Damm: "Das kulturelle Angebot ist hier eher für das Mainstream-Publikum und auf die Gäste abgestimmt." Allerdings sei es für Insulaner ein hoher Aufwand, Konzerte und Co. auf dem Festland zu besuchen, schließlich müssten sie meist extra eine Übernachtung buchen. Immerhin erreicht der letzte Regionalexpress der Deutschen Bahn Sylt unter der Woche um 00.50 Uhr. "Ansonsten fahre ich eigentlich nur rüber, wenn ich meine Mutter in Nordrhein-Westfalen besuche, oder wenn ich Urlaub mache, zum Skifahren", so Scheele.

Ihren Kollegen Kalle Wegener, der für die Betreuung der Flugzeuge bei SyltAir zuständig ist, verschlägt es zum Einkaufen preisgünstiger Bekleidung hin und wieder nach Kiel oder Neumünster, erzählt er. Denn auf Sylt bieten ihm zufolge die meisten Geschäfte eher teure Klamotten feil.

Sylt: Inselaufschlag für Bestellungen im Internet

Susanne Matthiessen, die auf Sylt geborene Bestsellerautorin von "Ozelot und Friesennerz" sowie "Diese eine Liebe wird nie zu Ende gehn", beklagt, dass es auf Sylt keine einzige Wäscherei mehr gebe. "Wer bei der Postbank ist und ein Problem mit seiner EC-Karte hat, muss mittlerweile auch bis nach Husum fahren", berichtet sie außerdem.

Am meisten scheint ihr jedoch zuzusetzen, dass es auf der Insel bereits seit 2014 keine Geburtsklinik mehr gibt: "Du kannst hier nicht mal mehr ein Kind auf die Welt bringen. Dafür musst du von der Insel runterfahren", so Matthiessen. Und - etwas humorvoller - sie weist darauf hin: "Zum Krabbenpulen muss man jetzt auch schon nach Marokko."

Sylt-Bewohner zahlen ordentlich Versand

Offenbar ein echtes Anliegen der Insulaner: der Möbelkauf. Gleich mehrere Sylt-Bewohner berichten, für eine neue Anrichte oder eine moderne Chaiselounge aufs Festland zu fahren. So etwa die Gästekarten-Kontrolleurin im Holzhäuschen am Strandzugang in Wenningstedt oder ein Mitarbeiter des Sylter Flughafens, der seinen Namen lieber für sich behält: "Für Möbelgeschäfte fahre ich rüber, da gibt es hier keine vernünftige Auswahl, oder für größere Events. Das war’s eigentlich. Ansonsten sage ich nur: online macht’s möglich."

Er ordere viele Artikel, die es so auf der Insel nicht gibt, im Internet. Dabei variiere der Insel-Aufschlag. Typisch seien erhöhte Versandkosten von rund 16 Euro für eine Lieferung nach Sylt.