Keitum. Jens Nielsen sucht für seinen beliebten Kaffeegarten Mitarbeiter. Schuld am Personalmangel sei vor allem eine Hürde.
Geht es nach der angespannten Personalsituation, dann müsste Jens Nielsen eigentlich kleinere Brötchen backen. Der 65-Jährige führt die gleichnamige Bäckerei und Konditorei in Keitum auf Sylt in vierter Generation. Seit mehr als hundert Jahren gibt es in dem pittoresken Friesendorf Nielsens Kaffeegarten mit Blick auf das Watt. Aber es werde immer schwieriger, sagt Nielsen, „wir sind unterbesetzt“.
Er würde gern sofort zwei Mitarbeiter für die Backstube einstellen, außerdem jemanden für den Verkauf und jemanden für den Service im Café. Und Jens Nielsen würde selbst gern kürzer treten. Doch das geht nicht, solange er nicht zusätzliche Mitarbeiter findet.
Sylt: Personalmangel wegen schlechter Bahnanbindung
Ein maßgebliches Problem bei der Personalrekrutierung sei die Unzuverlässigkeit der Bahn. Die Hälfte seiner 18 Mitarbeiter pendle vom Festland auf die Insel, sagt der Konditor. Die Bahn sei deutschlandweit unpünktlich, aber Richtung Sylt sei es besonders dramatisch. „Sie klauen den Leuten Lebenszeit, wenn der Zug nicht fährt“, sagt Nielsen und das komme leider ganz häufig vor, mit ganz unterschiedlichen Begründungen. „Ich glaube, die haben einen Ausredenerfinder bei der Bahn.“
An diesem Morgen ist er wie üblich um zwei Uhr in der Früh aufgestanden und um halb drei Uhr stand er in der Backstube. Seit 1919 ist die Familie Nielsen in Keitum ansässig. Sein Betrieb sei die letzte Bäckerei in Keitum, von ehemals dreien, sagt Jens Nielsen. Diese Entwicklung sei auf der gesamten Insel zu beobachten. Seine Kunden seien treu, „meine Brötchen sind relativ berühmt“, sagt der Chef selbstbewusst. Auch um seine Nachfolge muss Nielsen sich glücklicherweise keine Sorgen machen, Ophelia, eine seiner beiden Töchter, lernt im dritten Lehrjahr das Konditorenhandwerk.
Nielsens Kaffeegarten auf Sylt gibt es in vierter Generation
Nielsen hat den Betrieb von seinem Vater Max übernommen und führt ihn zusammen mit seiner Frau Elizabeth. Nach einem großen Umbau präsentiert sich Nielsens Kaffeegarten mit einem modernen Verkaufsraum, einem großzügigen Wintergarten und einer großen Terrasse mit Blick auf das Watt.
Das Café bietet 60 Innenplätze und 40 Außenplätze, die erste Reihe sei am beliebtesten, da wollen alle sitzen, sagt der Hausherr. Der Blick auf das Watt und die Nordsee, die bei Flut inzwischen bis ans Ufer heranschwappt, ist ein überaus idyllischer Platz. Dazu gibt es neben Frühstück ein umfangreiches Speisenangebot mit – für Sylt – überaus fairen Preisen und natürlich Kuchen und Torten.
Das Haus in Keitum hat eine lange Historie
Das 1892 erbaute Gebäude hat eine lange Historie, wie auch auf einer Tafel vor dem Haus zu lesen ist. Der Keitumer Friedrich Petersen, der 1837 geboren wurde, verdiente als Geschäftsführer einer Überseefirma, die ihren Sitz im chilenischen Valparaiso hatte, ein ordentliches Vermögen. Als er nach Sylt zurückkehrte, ließ er neben seinem Elternhaus eine repräsentative dreistöckige Gründerzeitvilla erbauen – für sich und seine Frau Agnes. Als Bauunternehmer konnte er Johann Bomhoff gewinnen, der in Westerland den Bau des Rathauses und der Stadtkirche St. Nikolai ausgeführt hatte.
Nach dem Tod der beiden wurde das Gebäude 1917 versteigert, die neuen Eigentümer wurden der Bäcker und Konditormeister Nicolai Nielsen, der 1890 als Bäckergeselle vom Festland nach Sylt gekommen war, und seine Ehefrau Meta. 1919 eröffneten sie ein Café namens Nielsens Kaffeegarten. Auf Nicolai Nielsen folgten sein Sohn Karl und Enkel Max, bevor der Urenkel und heutige Inhaber Jens Nielsen den Familienbetrieb 1997 übernahm und das historische Gebäude modernisieren und umgestalten ließ.
Wegen der Personalknappheit gibt es zwei Ruhetage
Verglichen mit früher sei das Platzangebot geradezu wenig, sagt Nielsen. Als seine Eltern den Betrieb führten, seien es 250 Plätze gewesen, aber Personalengpässe kannte man noch nicht: „Damals gab es hier acht Kellner, da kamen ganze Ausflugsbusse.“
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Und auch feste Ruhetage gibt es – auch in der Hauptsaison. Wegen der Personalknappheit bleibt Nielsens Kaffeegarten montags und dienstags geschlossen, nur der Brötchenverkauf von 6.30 bis 11 Uhr ist gesichert. Die Bäckerei ist von 6.30 bis 18 Uhr geöffnet, sonn- und feiertags ab 8 Uhr, das Café von 8 bis 18 Uhr.
Er habe keine Sorgen, sagt Nielsen, „aber das Personalproblem macht mir schon zu schaffen. Das Arbeitsamt sagt, es gibt einfach keine Leute mehr, die sie vermitteln können.“ Aber der Chef hat sich eines fest vorgenommen: Durchzuhalten, bis seine Tochter Ophelia den Betrieb übernehmen kann.