Kiel. „Skandal“ – Opposition im Kieler Landtag greift grüne Ministerin scharf an. Es geht um eine automatische Löschfunktion auf dem Handy.
Diese Frau hat eine Bilderbuchkarriere hingelegt: Aminata Touré ist die erste afrodeutsche und mit 26 Jahren jüngste Landtagsvizepräsidentin in einem Bundesland, die erste schwarze Ministerin in einer deutschen Landesregierung, der Shootingstar nicht nur der schleswig-holsteinischen Grünen, ausgezeichnet mit einem Politikaward als „Aufsteigerin des Jahres“, in Szene gesetzt auf dem Cover der „Vogue“.
Seit gut anderthalb Jahren leitet die 31-Jährige in der schwarz-grünen Koalition von Daniel Günther das Mammut-Ministerium für Soziales, Jugend, Familie, Integration und Gleichstellung. Touré verantwortet damit unter anderem die Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge im Land und die Versorgung mit ausreichend Kitaplätzen. Und in gleich mehreren Bereichen läuft es nicht rund.
Touré: Ärger um Trennung von Staatssekretärin
Kommunen beklagen eine Überforderung mit der Flüchtlingssituation, Sozialverbände bemängeln fehlenden Kontakt ins Ministerium, Eltern kritisieren fehlende Kitaplätze. Als wäre das nicht genug, kommt der Ärger um die Trennung von Staatssekretärin Marjam Samadzade nach nicht einmal anderthalb Jahren im Amt noch hinzu.
Bereits im Sommer vergangenen Jahres hatte Touré das Aus für die von ihr ins Amt gehievte Samadzade für dieses Jahr angekündigt. Im Oktober verbreitete die ohnehin scheidende Sozialstaatssekretärin dann einen israelkritischen Post weiter. Die Konsequenz: Samadzade musste nach ihrer scharfen Kritik an Israel frühzeitig den Schreibtisch räumen.
Opposition wirft Aminata Touré Intransparenz vor
Der Ärger um diese Personalie und den Umgang der Ministerin mit den Umständen des Rauswurfs reißt seither nicht ab. So werfen die Oppositionsparteien von SPD, FDP und SSW Touré Intransparenz in ihrem Behördenhandeln vor. Schon mehrfach hat sich der Innen- und Rechtsausschuss des Landtags mit dem Thema beschäftigt. Hat Touré das Parlament umfassend und korrekt informiert? Was war schon vor dem israelkritischen Post vorgefallen? Wurde im Ausschuss „die Wahrheit umschifft“, wie es die SPD mutmaßt?
In dieser Woche hat Touré der Kritik der Opposition selbst neue Nahrung geliefert. Es geht um Textnachrichten, die sie mit der geschassten Staatssekretärin über einen Messenger-Dienst auf ihrem Diensthandy ausgetauscht hat. Nach Auffassung der Opposition müsste der Verlauf dieser Textnachrichten Teil der offiziellen Akten zu dem Fall sein. Nur: Aminata Touré hat nach Angaben ihrer neuen Staatssekretärin eine automatische Löschroutine auf ihrem Diensttelefon eingestellt, sodass alle Chatnachrichten automatisch gelöscht werden – auf ihrem Handy und auf dem Handy des Chat-Partners.
SPD, FDP und SSW: Tourés Verhalten nicht akzeptabel
Die Opposition spricht von einem „Skandal“ und vermutet Verschleierung. Niclas Dürbrook von der SPD: „Es ist nicht nur ein Verstoß gegen die Aktenordnung, sondern auch die bewusste Entscheidung, Kontrollrechte des Parlaments zu unterlaufen.“ Frau Touré habe damit eklatant Dokumentationspflichten vernachlässigt. „Vor allem entzieht die Ministerin mit dieser Vorgehensweise ihr Handeln jeder parlamentarischen Kontrolle. Das ist nicht akzeptabel“, sagte FDP-Innenexperte Bernd Buchholz. Er verlangt eine Erklärung von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) oder vom Chef der Staatskanzlei, Dirk Schrödter, zu dem Verhalten. Buchholz spricht von einer Unterdrückung beziehungsweise Löschung offizieller Akten. Unter Umständen sei das auch als Straftat zu bewerten und ein Fall für die Staatsanwaltschaft.
Tourés Sprecher Patrick Tiede erinnerte an einen Hacker- und Spähangriff auf Smartphones von Spitzenpolitikern vor rund fünf Jahren. Unter den Opfern: der damalige schleswig-holsteinische Spitzen-Grüne Robert Habeck. Seither habe Frau Touré auf allen ihren Handys automatische Löschroutinen hinterlegt, sagte Tiede.
- Streit um Flüchtlinge erreicht Kieler Kabinett: Uneinigkeit in der Koalition
- Was sich ändern muss, damit mehr Frauen in die Politik gehen
- Aminata Touré: Wie tickt die erste afrodeutsche Ministerin?
Ob die gelöschten Chatverläufe wieder hergestellt werden können, wird gerade von IT-Experten geprüft. Zudem wird als Konsequenz erwartet, dass die Kieler Staatskanzlei ihren Ministerinnen und Ministern jetzt vorgeben wird, wie sie mit dienstlichen Chatverläufen umzugehen haben.