Föhr. Seit 2023 gibt es keine gynäkologische Notfallversorgung mehr auf der Nordseeinsel. Kirsten Rickmers in Sorge um werdende Mütter.

Dass ein einziger Satz so viel auslösen würde, damit hat Kirsten Rickmers nicht gerechnet. Wobei Aufsehen wollte sie ja irgendwie schon erregen mit ihrem Beitrag. Oder eher ein Bewusstsein schaffen dafür, dass auf der kleinen Nordseeinsel Föhr schwangere Frauen im Notfall derzeit nur schlecht versorgt werden können.

Der Grund: Die einzige Gynäkologin der Insel ist nicht mehr in der Notfallversorgung mit. Rickmers und die zweite Hebamme auf Föhr, sind auf sich allein gestellt. Und auch auf der Nachbarinsel Sylt ist die ausreichende Notfall-Versorgung von Schwangeren immer wieder ein Thema.

Nordsee: Hebamme warnt Schwangere – „Kommt nicht auf die Insel“

Also schrieb Kirsten Rickmers kurz nach einem ereignisreichen Osterwochenende: „An alle Vermieter, bitte informiert eure Gäste darüber, den Urlaub nicht anzutreten wenn eine Schwangerschaft besteht!“ Am Telefon wird Kirsten Rickmers sogar noch radikaler: „Bleibt bitte weg“, sagt sie und meint damit natürlich nur schwangere junge Frauen. „Kommt hier zu uns, wenn eure Kinder auf der Welt sind, aber nicht vorher.“

Die fröhliche blonde Frau arbeitet seit 32 Jahren auf Föhr als Hebamme. Mehr als 1500 Kindern hat sie bereits auf die Welt geholfen. Noch immer ist sie täglich für Mütter vor und nach der Geburt im Einsatz. Sie liebe ihren Beruf, sagt Kirsten Rickmers. Aber die Bedingungen hätten sich in den vergangenen Jahren zunehmend verschlechtert. „Alles begann damit, dass Ende 2015 die Geburtshilfe hier auf der Insel eingestellt wurde.“

Die Nordseeinsel Föhr ist bei Touristen sehr beliebt.
Die Nordseeinsel Föhr ist bei Touristen sehr beliebt. © mmphotographie.de - stock.adobe.com | Markus Münch

Konkret hieß das: Das Krankenhaus bot keine Unterstützung für werdende Mütter bei der Geburt mehr an. Der Kreißsaal wurde geschlossen. Seitdem müssen die Frauen von Föhr zwei Wochen vor der Geburt aufs Festland umziehen, um dort ihre Kinder in den Kliniken von Husum, Heide oder Flensburg zur Welt zu bringen.

Nordsee: Nur zwei Hebammen und eine Gynäkologin auf Föhr

Doch Babys kommen nicht nach Plan auf die Welt. Und die von Besucherinnen und Touristinnen schon mal gar nicht. Also erarbeiteten Kirsten Rickmers, ihre Kollegin und die Gynäkologin der Insel sofort ein Notfallkonzept, um weiterhin werdenden Müttern im Notfall eine Versorgung während der Schwangerschaft und rund um die Geburt anbieten zu können.

So wurde den drei Frauen in der Klinik ein Raum für Notfall-Entbindungen zur Verfügung gestellt. „Sogar Kaiserschnitte konnten wir hier immerhin noch machen, wenn es mal sein musste.“ Nur Kreißsaal durfte er nicht mehr heißen. Stattdessen war es der Raum 007, in dem nun die Babys auf Föhr zur Welt kamen.

Föhr: Seit 2023 keine Gynäkologin mehr in der Notfallversorgung

Mehr als sieben Jahre lang habe dieses System einwandfrei funktioniert. Bis Ende 2022, berichtet Kirsten Rickmers. Denn da kündigte die einzige Gynäkologin der Insel ihre Mitarbeit im Notfallkonzept auf. Für Kirsten Rickmers eine Katastrophe. „Von heute auf morgen standen wir alleine da in der Notfallbetreuung der Schwangeren.“ Denn die beinhalte ja nicht nur die Geburt, ganz im Gegenteil „Es gibt so viele unvorhergesehene Dinge, die bei einer Schwangerschaft eintreten können und bei der die Frauen Hilfe brauchen.“

Deshalb würden sie und ihre Kollegin nun zu allen größeren und kleineren Notfällen gerufen. „Wir haben natürlich jetzt viel mehr Einsätze.“ Das alleine sei ja nicht mal unbedingt das Problem. „Aber wir können in vielen Fällen einfach nicht helfen“, sagt die 57-Jährige. Schließlich sei sie Geburtshelferin und keine Gynäkologin.

Hebamme Kirsten Rickmers wurde Ostern mehrfach zu Touristinnen gerufen

Bei einer Blutung beispielsweise würden ihnen die Möglichkeiten fehlen, abschließend zu klären, wie gefährlich oder ungefährlich diese sei. „Ich stehe hier jetzt ganz oft und kann einfach nichts machen.“ Was allerdings bei echten Komplikationen schnell lebensgefährlich für Mutter und Kind werden könne. Diese Verantwortung laste schwer auf ihr, sagt Kirsten Rickmers. Und diesem Gefühl habe sie mit ihrem Facebook-Eintrag einmal Raum geben wollen.

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Anlass war ein ereignisreiches Osterwochenende, an dem die erfahrene Hebamme wieder mal zu verschiedenen Notfällen gerufen wurde. Kirsten Rickmers berichtet: „Das Problem ist, dass die Schwangeren ganz ahnungslos auf die Insel kommen und fest davon ausgehen, dass hier die entsprechende Betreuung zur Verfügung steht. Die sehen, hier ist eine Klinik und denken, dann wird mir schon geholfen.“ Weit gefehlt.

Nordsee: Reizklima hat Auswirkungen auf die Schwangeren

Dazu komme, dass das Reizklima an der Nordsee vielfach kleinere oder größere Komplikationen bei den werdenden Müttern auslösen könne. „Eine Wattwanderung beispielsweise wirkt wie eine Fußreflexzonenmassage und kann Wehen auslösen.“

Viele würden sich hier so viel bewegen wie zu Hause nicht. Auch das könne Wehen oder Blutungen auslösen. „Und dann das Reizklima, das macht auch was mit dem Körper.“ Die Frauen aber seien oftmals vollkommen von den Folgen überrascht. „Und dann klingelt bei mir das Telefon.“

Föhr: Hebamme bittet werdende Mütter, die Insel zu meiden

Seit Beginn des Jahres seien sie und ihre Kollegin dazu übergegangen, im Zweifel die Mütter sofort auf das Festland zu verlegen. „Aber auch das ist nicht immer einfach“, so Kirsten Rickmers. Da gebe es die Fähre, die aber ja nur zu bestimmten Zeiten fahre. Dann einen Hubschrauber, auch der sei nicht immer in der Lage zu fliegen, schon wegen des Wetters. „Und dann haben wir noch den Seenotrettungskreuzer.“

All diese Situationen wolle sie aber unbedingt vermeiden, deshalb ihr Eintrag bei Facebook. Dass sie sich damit bei dem einen oder anderen Insulaner unbeliebt gemacht habe, damit müsse sie nun leben. „Ich will wirklich niemandem etwas Böses. Und unserem Tourismus schon gar nicht schaden“, sagt sie. „Aber ich kann und will diese große Verantwortung nicht mehr lange so alleine tragen.“