Kiel. Außerdem setzt der Arbeitsminister auf Zuwanderer: „Wir können künftig nicht mehr erwarten, dass jeder Busfahrer Deutsch spricht.“
Mit mehr arbeitenden Senioren will Schleswig-Holsteins Arbeitsminister Claus Ruhe Madsen (parteilos) gegen den immer gravierender werdenden Mangel an Arbeits- und Fachkräften ansteuern. „Mein Vorschlag zielt eindeutig auf Freiwilligkeit“, betonte der Politiker in Kiel und sprach vom „grauen Gold“. Über die hier bestehenden Möglichkeiten müsse mehr gesprochen werden. „Ich will natürlich jetzt hier nicht, dass wir von einem Pflegeheim zum nächsten laufen, um da die Leute rauszuholen.“
Er wolle niemanden verpflichten, sagte Madsen. Arbeitgeber mit Weitsicht sollten die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen, damit Senioren ihre Kompetenzen und Fähigkeiten im Betrieb erhalten können. „Wir brauchen jedes Potenzial.“
"Graues Gold": Minister Claus Ruhe Madsen will Senioren länger arbeiten lassen
Madsen und der Regionalchef der Arbeitsagentur, Markus Biercher, machten deutlich, dass auf dem Arbeitsmarkt der Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel zunehmend die Arbeitslosigkeit als Kernproblem in den Hintergrund drückt. Auch mit Zuwanderern und Menschen mit Behinderung will Madsen dem Mangel begegnen. Zwischen 14.000 und 18.000 Zuwanderer jährlich werden laut Arbeitsagentur benötigt. Im Norden drohe bis 2035 eine demografisch bedingte Fachkräftelücke von 180.000 Menschen.
In das neue Jahr ist der Arbeitsmarkt mit positiven Zahlen gestartet. „Der Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein hat sich insgesamt als äußerst robust erwiesen“, stellte Biercher fest. Daran habe auch die Übernahme in die Statistik der Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine nichts geändert. Die Zahl der Arbeitslosen sank 2022 im Jahresdurchschnitt um 8,2 Prozent auf 81.600. Ohne die Ukraine-Flüchtlinge würde das Minus 11,7 Prozent betragen. Bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gab es ein Plus von 17.000 auf fast 1,05 Millionen. Dies bedeute ein Allzeithoch, sagte Biercher. Auch die Personalnachfrage nahm zu. 2023 werde die Arbeitslosigkeit weiter rückläufig sein.
Madsen: Deutsche sollen sich darauf einstellen, dass nicht überall Deutsch gesprochen wird
Madsen wünschte sich auch, dass ukrainische Flüchtlinge schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden. In Dänemark sei von den arbeitsfähigen Ukrainern schon die Hälfte in Arbeit, hier noch nicht. Dem Argument fehlender Sprachkurse hielt Madsen entgegen, die Deutschen sollten sich darauf einstellen, dass man im Sportgeschäft oder im Hotel auch einmal nicht Deutsch spricht.
„Wir können nicht mehr die Erwartungserhaltung haben, dass jeder Busfahrer Deutsch spricht. Ich weiß allerdings auch nicht, warum man unbedingt mit dem Busfahrer sprechen muss.“ Ihm fehle ein bisschen der Pragmatismus. Man könne nicht erwarten, dass Menschen nach wenigen Monaten im Land Abiturdeutsch sprechen. „Das werden die Leute schon lernen, wenn sie arbeiten, und das werden auch die Kinder lernen, wenn sie zur Schule gehen.“
Schleswig-Holstein braucht dringend mehr Arbeits- und Fachkräfte
Aus Sicht der Landesregierung sei die Gewinnung von Arbeits- und Fachkräften die größte Herausforderung für den Arbeitsmarkt in den nächsten Jahren, sagte Claus Ruhe Madsen. Sie werde dagegen ein ganzes Instrumentarium an Maßnahmen etablieren. Dazu gehörten ein Klimaschutzfachkräfteprogramm, ein Pakt für Gesundheits- und Pflegeberufe, ein Förderprogramm für Projekte zur Fachkräftesicherung und ein Welcome Center für Zuwanderer. Als besonders positiv wertete der Minister den Rückgang der Langzeit- und Jugendarbeitslosigkeit.
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„Wir müssen deutlich mehr tun, um Langzeitarbeitslose wieder in Arbeit zu bringen“, sagte die Vorsitzende des DGB Nord, Laura Pooth. Entsprechend der Zielrichtung der Bürgergeld-Reform müssten langzeitarbeitslose Menschen noch stärker mit dem Ziel gefördert werden, sie nicht nur schnell, sondern vor allem nachhaltig wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.
Die Landesregierung sollte bei Fachkräftesicherung zügig aus dem Ankündigungs- in den Umsetzungsmodus übergehen, forderte Pooth. „Dazu gehören neben der Bereitschaft, Förderprogramme und Projekte auch nachhaltig zu finanzieren, der spürbare Einsatz für Tariflöhne, eine umlagefinanzierte Ausbildungsgarantie sowie die Stärkung der abschlussorientierten Weiterbildung.“