Kiel. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Günther hat bekannt gegeben, dass die Maskenpflicht im Norden ausläuft. Allerdings nicht überall.
- Schleswig-Holstein schafft die Maskenpflicht in Bus und Bahn mit dem Jahreswechsel ab
- Nicht nur im HVV gelten bald unterschiedliche Regeln: Hamburg hält an der Maskenpflicht fest
- Und auch in Fernzügen muss weiter Maske getragen werden
Jetzt auch Schleswig-Holstein: Nach Sachsen-Anhalt und Bayern schafft auch das nördlichste Bundesland die Maskenpflicht im Öffentlichen Personennahverkehr ab. Nach gemeinsamen Beratungen mit Wissenschaftlern hat das schwarz-grüne Kabinett von Daniel Günther am Montag beschlossen, die entsprechende Verordnung zum Ende des Jahres auslaufen zu lassen.
Währenddessen hält das rot-grün regierte Nachbarland Hamburg an der Maskenpflicht in Bus und Bahn fest. Die Folge: Fahrgäste müssen, beispielsweise bei der Fahrt mit der S 1 von Wedel nach Hamburg oder der S 21 von Aumühle Richtung Hansestadt an der Landesgrenze die Maske rauskramen und aufsetzen. Kritik an der Lockerung kommt unter anderem von der in Schleswig-Holstein oppositionellen SPD.
Corona Schleswig-Holstein: Empfehlung ersetzt Zwang
Die Entscheidung des schleswig-holsteinischen Kabinetts fällt gegen die Empfehlung von Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach und des Robert-Koch-Instituts (RKI). SPD-Politiker Lauterbach sagte die Tage, er sei vom Aus der Maskenpflicht mit Blick auf die Pandemielage „nicht überzeugt“. Zuletzt hatte der Gesundheitsminister gemeinsam mit RKI-Chef Lothar Wieler betont, es gebe aktuell keinen Grund für die Aussage, man könne auf die Maskenpflicht und auf die Isolation von Corona-Infizierten verzichten. Dabei verwies Lauterbach auf eine zu erwartende ansteckendere Virusvariante, die grassierenden RS-Viren und die Grippewelle.
Hingegen hatte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen verwiesen. Aus seiner Sicht sei die Rechtsgrundlage für harte Eingriffe in die Freiheitsrechte vor dem Hintergrund der hohen Zahl Geimpfter und Genesener nicht mehr gegeben. „Für uns war und ist immer wichtig und entscheidend: so viel Beschränkung wie nötig, so viel Freiheit wie möglich. Wir setzen auf mehr Eigenverantwortung, gegenseitige Rücksicht und gesunden Menschenverstand als wichtigstes Mittel gegen Corona. Damit sind wir in Schleswig-Holstein gut durch die Pandemie gekommen“, so Günther.
Die Gesundheitsministerkonferenz konnte sich zuvor nicht auf eine weitere gemeinsame Linie im Kampf gegen das Virus einigen. Statt der Maskenpflicht rät die Landesregierung Menschen mit Erkältungssymptomen, Risikogruppen und Menschen mit engem Kontakt zu Risikogruppen Masken zu tragen. „Das ist für diese Personen insbesondere dort empfohlen, wo viele Menschen auf engem Raum ohne Abstände aufeinandertreffen.“
Verwirrung in den Bahnen
Und damit nimmt die Verwirrung weiter zu: Wer vom 1 Januar an mit der Regionalbahn von Hamburg nach Kiel fährt, kann die Maske an der Landesgrenze wieder absetzen. Wer aber mit dem ICE auf derselben Strecke unterwegs, muss die Maske nicht nur in Hamburg, sondern auch in Schleswig-Holstein tragen. In Fernzügen gilt weiterhin Bundesrecht.
Und das sieht eine Maskenpflicht vor. Warum neben dem Bund beispielsweise auch Hamburg an der Pflicht zur Maske festhält, sehen schleswig-holsteinische Beobachter auch in der Person von Bundesgesundheitsminister Lauterbach begründet. Solange der nicht von seiner harten Linie abweiche, bleibe auch Hamburg bei seiner harten oder vorsichtigen Linie. Allein schon, um den Parteifreund Lauterbach nicht zu beschädigen, heißt es in Kiel.
Fallzahlen in Schleswig-Holstein steigen an
Zuletzt hatte der Kieler Virologe Helmut Fickenscher einen Öffnungskurs rechtfertigt: „Wesentlich ist der Übergang in die Normalität, da die außerordentliche Gefährdung durch schwere Erkrankung und Tod bei Sars-CoV-2 unter anderem aufgrund der hohen Impf- und Genesenen-Raten nicht mehr besteht“, sagte der Leiter des Instituts für Infektionsmedizin der Universität Kiel der Deutschen Presse-Agentur. Fickenscher appellierte stattdessen an die Eigenverantwortung der Menschen: „Wir alle können nun unsere persönlichen Erfahrungen im Umgang mit Masken nutzen, um unser eigenes Risiko und das anderer zu reduzieren, egal durch welchen Erreger.“ Dazu seien aber gesetzliche Pflichten nicht mehr notwendig.
Nach einem vorläufigen Rückgang steigen die Fallzahlen in Schleswig-Holstein allerdings wieder deutlich an. Zuletzt wurde 711 Infektionen gezählt, von den 37 Corona-Patienten auf Intensivstationen mussten zehn beatmet werden. Die Kliniken des Landes sind – wie die in Hamburg – stark belastet durch die hohe Zahl von Patienten mit Atemwegserkrankungen. Auch fallen viele Pflegekräfte und Ärzte deshalb aus. In der Folge arbeiten viele Kliniken am Limit.
HVV empfiehlt weiterhin das Tragen von Masken
Der Hamburger Verkehrsverbund HVV und seine Mitgliedsunternehmen sind angesichts Zehntausender Pendler nicht begeistert von dem norddeutschen Flickenteppich. Die Rede ist von einem „besonders großen Bruch zwischen beiden Ländern“, der sich jetzt abzeichne. Nach außen gibt man sich dennoch gelassen. Man habe in der Pandemie „gewisse Routinen“ entwickelt im Umgang mit unterschiedlichen Regelungen in Hamburg und in Schleswig-Holstein.
- „Extrem beliebt“: Aminata Touré lobt Daniel Günther
- Schleswig-Holstein will über ÖPNV-Maskenpflicht entscheiden
- Was Schleswig-Holstein schon macht und was geplant ist
So verweist HVV-Sprecher Rainer Vohl beispielsweise auf unterschiedliche Maskentypen, die zwischenzeitlich in den beiden Bundesländern verpflichtend gewesen sei. Über Aushänge und Durchsagen, über das Fahrgast-Fernsehen und über Apps wollen die Bus- und Bahnunternehmen ihre Kunden auf die unterschiedlichen Regeln informieren. Auch wenn es keinen Zwang mehr gibt: Der HVV empfiehlt, in Bussen und Bahnen auch in Schleswig-Holstein Maske zu tragen. „Gerade jetzt im Winter“, sagt HVV-Sprecher Vohl.
Corona Schleswig-Holstein: Verband begrüßt Aus der Maskenpflicht
Nach der Entscheidung Bayerns – Ministerpräsident Markus Söder hatte dort über viele Monate mit die strengsten Coronaregeln in Deutschland durchgesetzt – und Sachsen-Anhalts hatte der Verband der Verkehrsunternehmen das Aus für die Maskenpflicht im ÖPNV begrüßt. „Es gibt weder aus dem Ausland, wo seit Monaten keine Maskenpflicht in Bussen und Bahnen mehr herrscht, noch aufgrund uns bekannter wissenschaftlicher Studien Erkenntnisse, dass die Infektionszahlen außergewöhnlich steigen, wenn im ÖPNV keine Maske mehr getragen wird“, sagte Sprecher Lars Wagner.