Alkersum. Vor den Werken von Zachariasen sollen Besucher auf Föhr auf ihre Atmung achten und die Bilder emotional erfassen. Ein Selbstversuch.

Eine Teilnehmerin sei emotional so angefasst gewesen, dass Tränen geflossen sind. Sie musste das Erlebte verarbeiten, berichtet Ilke Kurzweg. Die Entspannungstherapeutin bietet im Museum Kunst der Westküste in Alkersum auf Föhr Meditation zu den Werken des norddeutschen Künstlers Günter Zachariasen an. „Kunst und Meditation“ nennt sich das Programm. Klingt seltsam. Ist aber tatsächlich eine besondere Art, sich Kunst zu nähern. Ein Selbstversuch.

Nordsee: Entspannungstherapeutin von Föhr leitet Meditation

Es sind keine gegenständlichen Bilder, die der 85-jährige Zachariasen geschaffen hat, sondern abstrakte Farbbilder, die puristisch erscheinen und viele Assoziationen ermöglichen und nichts vorgeben. Weite und Offenheit vermitteln sie alle. Doch hat wohl jeder Betrachter andere Verknüpfungen bei jedem der mehr als 60 Werke in der Ausstellung. Diese Bilder, findet die Föhrerin Ilke Kurzweg, laden geradezu zum Meditieren ein, dazu, sich der Kunst anders zu nähern. „Ich versuche jeden abzuholen. Mal im Sitzen, mal im Liegen. Wir erfahren die Bilder mit allen Sinnen.“

Los geht's. „Atmet mit geöffneten Augen. Nehmt den Duft wahr, nehmt auch die Energie in dem Raum wahr. Und wenn ihr nichts spürt, ist es auch okay. Aber begebt euch auf diese kleine Reise“, sagt Ilke mit sanfter Stimme.

Nach ein wenig Körperarbeit, ein wenig Achtsamkeitsübungen zum Aufwärmen, bei denen die drei Teilnehmerinnen bereits gespürt, geatmet und sich gelockert haben, sitzt nun jede von uns auf einem Meditationskissen vor einem Bild. Ein Bild, das wir uns ausgesucht haben. „Schaut euch euer Bild liebevoll an.“

Teilnehmerinnen sollen sich mit ihrem Bild unterhalten

Dann sagt Ilke lange nichts. Stille. Stille, die man aushalten können muss. „Versucht mal, gar nicht mehr so genau hinzugucken, sondern einfach das Bild zu fühlen.“ Es sind Sätze, die manche als zu esoterisch empfinden mögen. „Das ist doch nichts für uns auf der Insel, höchstens für die Gäste“ hatte mir meine Föhrer Vermieterin noch gesagt. Ja, man muss sich schon darauf einlassen wollen. Und die Teilnehmerinnen, die an diesem Nachmittag gekommen sind, wollen das ja auch. Die sanfte Stimme von Ilke tut gut. „Mit jeder Ausatmung taucht ihr ein bisschen mehr in euer Bild ein.“

Sie spricht von einer Unterhaltung mit unserem Bild. Bei meinem, es ist grau-blau, passiert nicht viel. Die Gedanken schweifen immer wieder ab. Das wird sich bei dem nächsten Bild allerdings ändern. „Ihr werdet eins mit eurem Bild“, meint Ilke. „Lasst euch von eurem Bild tragen.“ Ich denke an die Weite des Wattenmeeres, an das Meer und an den dichten Nebel, durch den ich nach Föhr fahren musste.

Angenehm und entspannend ist das. Mit einem sanften Gongschlag in der Klangschale holt uns Ilke wieder zurück, gibt neue Anweisungen. Hände aneinander reiben zum Beispiel und die warmen Hände auf den Augen ablegen. Anweisungen, für die man dankbar ist. Dafür sind wir ja hier, mal nicht selbst überlegen und handeln, sondern einfach machen lassen. Verantwortung abgeben.

Bei dem grünen Bild passiert etwas: Geister und Fratzen tauchen auf

Nach etwa der Hälfte der Zeit ertönt ein sanfter Gong und wir können uns ein anderes Bild aussuchen. „60 Prozent haben beim letzten Mal ihr Bild gewechselt, die übrigen sind bei ihrem Bild geblieben“, berichtet Ilke. Wir drei wechseln. Dieses Mal hat mein Bild viel Dunkelgrün und einen hellen Kreis, der an ein kosmisches Licht erinnert. Diese Meditation erfolgt im Liegen, eingemummelt in warmen Decken. Wieder sollen wir dieses Bild mit allen Sinnen wahrnehmen, den Geruch, die Geräusche. „Schaut euer Bild an. Schaut wieder ganz genau hin. Lasst den Blick liebevoll auf eurem Bild verweilen“, höre ich Ilke.

„Schaut nicht mehr so genau, sondern fühlt euer Bild.“ Dieses Bild bewirkt etwas. Das kosmische Licht verwandelt sich in eine Fratze, in einen Geist. Gruselig ist das. Dabei war das Bild bis zu diesem Moment nicht unheimlich. Je länger die Meditation dauert, desto stärker wird das Gefühl, das dieses Bild erzeugt. „Tretet in Zwiesprache mit eurem Bild“, sagt Ilke auch noch. Ja, so ein intensives „Gespräch“ hatte ich noch nie mit einem Bild. Wir rekeln und strecken uns noch, dürfen auch gähnen, streichen unser Gesicht aus, kneten unsere Ohren durch. Ilke holt uns zurück. Zurück aus unserer Begegnung mit den Werken von Günter Zachariasen.

Mittels Meditation nähert man sich Kunst auf völlig andere Weise

Fazit: Es ist beeindruckend, was der Kopf für Bilder entstehen lässt und was für einen Unterschied es macht, sich einem Bild mittels Meditation zu nähern. Es ist etwas passiert, völlig unerwartet. Die Meditation verbindet einen mit dem Kunstwerk auf eine tiefe Art, und das Werk hat somit eine ganz andere Wirkung, aber losgelöst von allen Vorgaben.

Es mag sich hochtrabend anhören, aber es ist, als tauche man in das Bild ein und ist nur noch davon umgeben. Als Kunstbanausin, die wenig in Ausstellungen geht, war das eine spannende Art, sich Bilder anzugucken. Lieber weniger anschauen, aber intensiver.

Die nächste Kunst und Meditation ist am 30. Oktober um neun Uhr. Warme Socken mitbringen und bequeme Kleidung. Teilnahmegebühr inkl. Tagesticket: 15 Euro/ermäßigt 12 Euro. Anmeldungen unter Telefon 04681/74740-0 oder info@mkdw.de, weitere Informationen unter www.mkdw.de