Wyk/Föhr. Louisa Ganzel lebt auf Föhr und startet gerade als Model international durch. Warum es mehr braucht, als gut auszusehen.
Morgen Paris, London, Barcelona oder Mailand. So genau im Voraus weiß Louisa Ganzel nie, wo sie als nächstes hinfliegen muss. Klingt ziemlich abgehoben das Leben der 21-Jährigen. Der Grund: Sie startet als Nachwuchsmodel durch, da gehört ein Leben auf gepackten Koffern dazu. Doch ihr Zuhause bleibt Föhr. Wie es die Föhrerin zum internationalen Model geschafft hat.
Wenn sie Termine bei namhaften Designern in den europäischen Modemetropolen hat und jemand Interesse an Louisas Gesicht hat, muss sie spontan dorthin fliegen. Allein. Es sind anstrengende Tage, an denen sie sich von morgens bis abends präsentieren muss, an denen sie fotografiert wird. Posen ist dann angesagt.
Gerade war Louisa Ganzel auf der Londoner Fashion Week
Seit einem Jahr ist das ihr Alltag und inzwischen hat sie es mit Größen wie Giorgio Armani, Lacoste oder Seeby Chloé zu tun, sie ist auf der Pariser Fashion Week. Sie hat Mode-Fotostrecken für ausländische Frauen- und Modemagazine produziert, in Spanien, London und in Frankreich. Sie ist zu einer der größten italienischen Modemarken nach Rom geflogen. Vor zwei Wochen zeigte sie sich während der Londoner Fashion Week für paul & joe in Bademode auf dem Laufsteg.
„Ja, klar hat das Überwindung gekostet, aber du musst in dem Moment auffallen, nach außen strahlen. Dann fühlst du dich wohl.“ Und Badekleidung sei für sie als Inselkind ohnehin ein Traum gewesen. Es gehört eben so viel mehr dazu, als nur gut auszusehen. Schauspielerisches Talent etwa, sich öffnen und viele verschiedene Facetten zeigen zu können, Menschen mitzureißen. Das hat sie schon in der Zirkus AG an ihrer Schule auf Föhr gelernt, dort hat sie unter anderem Akrobatik gemacht. Sie ist eben eine kleine Rampensau. Derzeit hofft Louisa, es auf ein Magazin-Cover zu schaffen. Ziemlich viel Glamour für eine junge Frau, aber dahinter steckt sehr viel Arbeit und Disziplin.
Louisa genießt die Zeit auf Föhr als Kontrast zum trubeligen Modelleben
„Mein theoretischer Terminkalender ist voll. Erst zwei bis drei Tage vor dem Job selbst bekomme ich eine Bestätigung, ob gebucht oder nicht. Die Infos zum Job selbst bekomme ich erst am Abend vor meinem Job. Das bedeutet ich muss immer sehr gut organisiert sein, damit ich spontan aufbrechen kann“, erzählt Louisa beim Treffen im Café „StattBar“ in Wyk auf Föhr. Gerade ist sie zu Hause bei ihren Eltern. Eine eigene Wohnung lohnt sich nicht, da sie diese kaum bewohnen würde. Sie führt ein Leben auf Abruf.
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Louisa genießt die Zeit auf der Insel, ungeschminkt und leger. „Föhr ist für mich der friedlichste Ort auf der Welt. Der perfekte Kontrast zu den Metropolen Europas. Es ist meine Heimat, verbunden mit meiner großartigen Kindheit, hier ist meine Familie und ich gehöre einfach her.“ Auf Föhr liegt alles nah an einander und ist zu Fuß erreichbar. „Ich liebe spazieren und wandern. Außerdem ist Wasser mein Element und auch wenn der Wind und der Regen auf Dauer nerven können, vermisst man beides, wenn man es nicht hat.“
Louisa ist Businessfrau – mit 21 Jahren
Geduld sei das Wichtigste an ihrem Modeljob, erzählt sie. Warten, lange Arbeitstage und dann wird man doch nicht gebucht oder aus dem möglichen Cover-Foto wird nichts. Sicherheit gibt es in diesem Job offenbar nur wenig. „Das darf man nie persönlich nehmen. Dann bin ich eben nicht der richtige Typ in dem Moment und erfülle vielleicht nur 99 Prozent der Erwartungen.“ Selbstsicher klingt das und abgeklärt, und es wird deutlich, wie viel Durchhaltevermögen es für diese Arbeit braucht.
Es zahlt sich aber aus: Gerade wartet Louisa sehnsüchtig auf die nächste Ausgabe der skandinavischen Vogue – mit einer möglichen Mode-Fotostrecke von ihr. „Das Shooting in Dänemark war mein persönliches Highlight bislang“, sagt sie, und ihre Augen strahlen dabei. Sie hat ihren Traumjob gefunden, obwohl sie nie danach gesucht hat.
Fürs Modeln musste Louisa Gewicht verlieren
Beim Modeln geht es auch immer um Ausstrahlung, und natürlich nach wie vor um die richtigen Maße. „Ich war schon sehr früh sehr groß mit meinen 1,79 Metern und habe sehr lange Beine, das passt in das Bild dieser Industrie.“ Dennoch musste Louisa abnehmen. Aber sie macht nichts unüberlegt, sondern geht sehr sachlich mit den Dingen um. Abnehmen okay, aber nicht zu Lasten der Gesundheit. „Und wenn es nicht geklappt hätte, dann eben nicht“, sagt sie. Louisa stellte ihre Ernährung um und verzichtet auf jeglichen Industriezucker – sie nahm genug ab. Genügend Bewegung hat Louisa ohnehin, wenn sie regelmäßig mit ihrem Hund „Herr Frodo“ spazieren geht.
Dabei wollte Louisa nach ihrem Abitur 2020 einfach nur weg wie so viele Gleichaltrige auf der nordfriesischen Insel und später Journalistin werden. Sie wollte die Welt entdecken, so schön Föhr auch ist. Dass sie gleich ein Jetset-Leben führen wird, das sie in die spannendsten europäischen Metropolen bringen wird, hätte sie nicht erwartet. Und erstmal ging sie ja auch einen Weg, den so viele andere Abiturienten gehen: Sie jobbte, unter anderem in der Modeboutique Onerbrek auf Föhr, sie machte mit ihrer Freundin eine Interrailtour durch Europa, arbeitete auf Sizilien in einer Hundeauffangstation und auf einer Pferdranch in der Toskana, sie wanderte in den Alpen und genoss die neue Freiheit nach der Schulzeit. Auch ein Freiwilliges Soziales Jahr hatte sie begonnen.
Sie übte das Laufen in hochhackigen Schuhen auf Sizilien
Aber immer wieder hatte sich ihre jetzige deutsche Modelagentur „VIA Modelmanagement“ bei ihr gemeldet. Das erste Mal in der 8. oder 9. Klasse und dann wieder nach dem Abitur. Die Agentur wurde über Louisas Instagram-Account auf sie aufmerksam. „Das habe ich zunächst nicht ernst genommen, das war für mich sehr abstrakt. Ich wollte erst einmal Abi machen.“ Sie erteilte der Agentur eine Absage. Diese ließ aber nicht locker und meldete sich nach dem Abitur wieder. Weil Louisa offen und neugierig ist, ließ sie sich darauf ein – nicht ohne vorab zu recherchieren, wie seriös diese Agentur ist. Ihre Agentur brachte ihr online alles Notwendige übers Modeln bei.
Schließlich wurde eine internationale Agentur auf Louisa aufmerksam. Während der Interrail-Tour hatte sie deshalb auch ein Paar Highheels in ihrem 80-Liter-Rucksack dabei, um zu üben, darin zu laufen. „Ich bin durch Sizilien in Highheels gelaufen“, sagt sie und lacht. Sie nimmt sich selbst nicht zu wichtig und betrachtet vieles mit Humor.
Auf der einen Seite Model, auf der anderen Geschäftsfrau. Muss sie sein. Sie hat ihr eigenes Kleingewerbe und ist somit selbstständig. „Jetzt muss ich mich um Dinge kümmern, wie Kranken- und Sozialversicherung und vierteljährliche Umsatz/- Steuererklärungen.“ Was für viele Erwachsene schon lästig ist, bringt sich die 21-Jährige selbst bei. „Meine Agentin und meine Familie helfen mir, denn in der Schule hat man das so nicht gelernt.“
Auf Föhr packt Louisa Ganzel wieder das Fernweh
Sie muss außerdem Werbung in eigener Sache machen und ihre Plattformen in den sozialen Medien pflegen. „Auch wenn ich auf Föhr bin, habe ich nicht frei.“ Sie ist loyal und jobbt noch immer gern bei „Onerbrek“. „Der Job gibt Halt, das Team ist wie eine kleine Familie.“ Nebenbei bildet sie sich weiter über Business und Businesspläne, Mental-Coaching, Ernährung und Schauspiel. „Die Schauspielerei ist ein großer Traum von mir.“
Louisa ist in beiden Welten zu Hause, in der glamourösen Modewelt und in der nordfriesischen Weite und Ruhe. „Man ist nie zufrieden mit dem, was man gerade hat, also verspüre ich zeitgleich mit meinen Föhr-Aufenthalten direkt wieder Fernweh nach der großen weiten Welt.“