Kiel. Politologe Wilhelm Knelangen analysiert den Erfolg der CDU-Kampagne im Norden. Nicht Inhalte hätten den Wahlkampf dominiert.
100 Tage sind es her, dass CDU und Grüne in Schleswig-Holstein einen Koalitionsvertrag geschlossen haben und der Landtag Daniel Günther zum Ministerpräsidenten wiedergewählt hat. Das nimmt der Politologe Wilhelm Knelangen von der Kieler Christian-Albrechts-Universität zum Anlass, den Wahlkampf, den „historischen Wahlsieg“ und die Frage, wie es jetzt weitergeht im nördlichsten Bundesland, zu analysieren.
Knelangen, als Kenner der schleswig-holsteinischen Landespolitik ein gefragter Ansprechpartner, spricht von einem Wahlkampf in der „Zwischenzeit“. „Aus der Rückschau scheint es, als ob der Wahlkampf im Norden in einer ,Zwischenzeit‘ stattgefunden hätte – einer Phase, in der die Corona-Pandemie ihre dominante Rolle überwiegend verloren hatte, die Auswirkungen des Ukraine-Krieges aber noch nicht das landespolitische Tagesgeschäft prägten“, schreibt der Politologe in seiner Analyse.
„Die Explosion der Energiepreise, die drohende Rezession, die Finanzierbarkeit von Ausgabenprogrammen und die Aussichten auf einen Legitimationsverlust des politischen Systems – all diese Fragen ließen sich im Frühjahr allenfalls in Umrissen erkennen.“
Daniel Günther hatte "größeren Stellenwert"
Und so hätten nicht die Inhalte den Wahlkampf dominiert, sondern die große Zufriedenheit der Schleswig-Holsteiner mit der alten Jamaika-Regierung von CDU, Grünen und FDP und vor allem die Beliebtheit des bekannten Ministerpräsidenten Daniel Günther. „Einen größeren Stellenwert als alle Themen hatte dabei ihr Spitzenkandidat, den die Partei angesichts ausgezeichneter persönlicher Umfragewerte in den Mittelpunkt ihrer Wahlkampagne stellte“, analysiert Wilhelm Knelangen.
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Die CDU habe mit dieser Strategie ein „herausragendes Wahlergebnis“ erlangt, das „zu Beginn des Wahljahres nicht hätte erwartet werden können“. Vor zehn Monaten lag die Partei in Umfragen noch bei rund 28 Prozent. Dieser Wert stieg mit jeder neuen Meinungsforschung. Am Ende verfehlte die CDU die absolute Mehrheit der Sitze nur knapp, die Grünen wurden abgeschlagen zweite Kraft, die SPD fuhr ein historisch schlechtes Ergebnis ein.
CDU in Schleswig-Holstein übermächtiger Partner
So sei die CDU in der Koalition jetzt ein übermächtiger Partner, der mit jeder anderen Fraktion eine Regierung bilden könnte, käme es zu einem Zerwürfnis. Knelangen erwartet, dass die CDU „künftig mehr Initiative zeigen“ wird. „Der vermittelnde und pragmatische Politikstil, dem Ministerpräsident Günther seine hohe Zustimmung verdankte, könnte in der neuen Zweierkonstellation häufiger herausgefordert werden.“
Das gelte insbesondere, wenn sich schwarz-grüne Vorhaben angesichts der „neuen Großwetterlage“ nicht wie geplant finanzieren ließen. „Verteilungskonflikte spielten in fünf Jahren ,Jamaika‘ kaum eine Rolle. Das muss nicht so bleiben“, vermutet der Kieler Politikwissenschaftler Wilhelm Knelangen.