Flensburg . Schleswig-Holstein lockt zahlreiche Besucher an. Doch die Tourismus-Branche ist kein Selbstläufer – und steht vor Herausforderungen.

Tourismusminister Claus Ruhe Madsen sieht Schleswig-Holsteins Tourismus nach den Coronajahren wieder auf einem guten Weg. Aber die Medaille habe zwei Seiten, die Entwicklung sei nicht überall gleich gut, sagte der parteilose Minister am Donnerstag in Flensburg auf dem Tourismustag Schleswig-Holstein. „Wir hatten Regionen, in denen sehr viel los war und Regionen, in denen etwas weniger war.“ Unterkunftsformen wie Ferienwohnungen und Camping hätten sich schneller erholt als die Hotellerie. Zudem seien Gäste aus dem Ausland nach wie vor Mangelware. „Es muss uns gelingen, Menschen aus anderen Ländern zu überzeugen, hierher zu kommen.“

Ostsee und Nordsee: Urlaub im Norden weiter im Trend

Nach den Corona-Einbrüchen von 2020 und 2021 erzielte der Tourismus in Schleswig-Holstein mit 15,2 Millionen Übernachtungen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres einen Rekord. Im Vergleich zum selben Zeitraum im Vor-Corona-Jahr 2019 gab es nach Angaben des Statistikamts Nord ein Plus von 4,4 Prozent. Der Norden war demnach das einzige Bundesland mit einem Zuwachs. 2013 waren es noch weniger als zehn Millionen Übernachtungen in diesem Zeitraum. Die Ankunftszahlen lagen aber noch unter dem Wert von 2019. Rund 96 Prozent der Gäste kamen aus dem Inland, vor allem aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen.

Der Tourismus gilt als einer der wichtigsten Wirtschaftszweige in Schleswig-Holstein. 2019 erwirtschaftete die Branche rund 9,7 Milliarden Euro Jahresumsatz. Rund 160 000 Menschen sind direkt in der Branche beschäftigt, wie IHK-Hauptgeschäftsführer Björn Ipsen sagte. Dennoch: Der Tourismus sei auch in Schleswig-Holstein kein Selbstläufer. Die immens gestiegenen Energiekosten, die nicht einfach an die Kunden weitergegeben werden könnten, seien ein Thema, das die Branche aktuell beschäftige.

Urlaub an Ostsee und Nordsee: Diese Probleme beschäftigen die Branche

Als Dauerbrenner unter den Problemen nannte Ipsen den Fachkräftemangel. Dieser sei das größte Risiko aus Sicht der Unternehmer geworden. Während der Corona-Pandemie seien viele Mitarbeiter in andere Branchen abgewandert. Auch in der Politik werde gesehen, Schleswig-Holstein attraktiver zu machen für Fachkräfte aus anderen Regionen und Ländern.

Madsen sagte, Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben sei ein Weg. Aber „es leben bereits viele Menschen mit Migrationshintergrund in diesem Land, um die wir uns kümmern müssen. Viele Frauen finden nicht zurück in den Beruf“, sagte er. Zudem gebe es etliche Langzeitarbeitslose. Man könne aber nicht einfach sagen, wir hätten sie gerne in Arbeit. „Wir müssen uns mit denen beschäftigen. Wir müssen den Leuten unter den Arm greifen.“

Tourismus Schleswig-Holstein: Was wäre, wenn keine Gäste kämen?

Ein Thema, das vor allem seit den Coronasommern 2020 und 2021 in immer mehr Urlaubsregionen des Landes diskutiert wird, ist die Akzeptanz des Tourismus bei Einheimischen. Dem trägt auch die Tourismusstrategie 2030 Rechnung, die im April im Landtag verabschiedet wurde. Diese nimmt nicht mehr nur die Gästeperspektive ein, sondern berücksichtigt auch Bedürfnisse der Einheimischen und Beschäftigten.

Madsen verwies darauf, dass Tourismus auch Strukturen schaffe. Er habe das selbst erfahren, als seine Eltern mit ihm von Kopenhagen in einen kleinen Ort an der dänischen Nordseeküste gezogen seien. „Zwölf Menschen lebten da.“ Aber im Sommer seien dort mehr als 1000 Menschen gewesen. „Und deswegen hatten wir einen kleinen Friseur, einen Supermarkt, sogar eine ganz kleine Tankstelle. Infrastruktur, die man doch niemals für zwölf Menschen machen würde.“ Das sei das Argument, das in die Regionen gebracht werden müsse.

Corona sei auch eine Zeit, in der alle kurz inne gehalten hätten, aus dem Hamsterrad ausgestiegen seien, sagte Madsen. Aber wie wäre ein Ort, eine Küste, eine Insel langfristig, wenn keine Gäste kämen, nannte er als eine der Fragen: Hätten wir noch ein Museum, einen Zoologischen Garten oder anderes? „Hätten wir noch einen Job?“