Flensburg. Es ist ein Haus mit Geschichte. Einst lebten dort bekannte Persönlichkeiten. Dennoch war es lange Zeit dem Verfall ausgesetzt.

Der Zeppelin, der viele Jahre über dem Eingang hing, ist abgenommen. Die Front des Eckener-Hauses mit dem prächtigen Giebel ist eingerüstet. Ein gutes Zeichen, finden viele Menschen in Flensburg. Denn es bedeutet: Es tut sich was in einem der geschichtsträchtigsten Gebäude in der Fördestadt. Einem Haus, das zu einem Lost Place im Norden geworden ist, seit vielen Jahren leer steht und dessen berühmtester Bewohner mit der Geschichte und dem Erfolg der Luftschiffe aus Friedrichshafen am Bodensee untrennbar verbunden ist – mit Hugo Eckener (1868-1954).

Flensburgs oberster Denkmalschützer, Eiko Wenzel, steht vor der eingerüsteten Fassade. Er freut sich, dass nun etwas passiert, um das Haus vor dem Verfall zu bewahren. 2016 hat die Stadt es übernommen, leer steht es bereits seit Anfang 2008. Für den Denkmalschützer ist das Haus mehr als nur das Geburtshaus von Flensburgs Ehrenbürger Eckener. Bereits im 15. Jahrhundert gab es das Gebäude mit einem großen Kaufmannshof, der wahrscheinlich früher direkte Anbindung ans Wasser hatte. Es sei ein ganz wichtiger Kaufmannshof gewesen, sagt Wenzel. Allein das reicht schon, um das Gebäude bewahren zu wollen.

Lost Places im Norden: Geburtshaus von Hugo Eckener

Im 19. Jahrhundert erwirbt der Zigarrenhändler Eckener das Haus und seine Kinder wachsen hier auf. Zwei seiner Kinder werden berühmt: Alexander als Grafiker und Hugo. Hugo Eckener arbeitet zunächst als Journalist, lernt 1890 während seiner Recherchen über Ferdinand Graf von Zeppelins erstes „Starrluftschiff“ auch Zeppelin selbst kennen, wie es auf dem Onlineportal „LeMO – Lebendiges Museum Online“ heißt. Das Kooperationsprojekt der Stiftung Deutsches Historisches Museum, der Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und des Bundesarchivs schreibt dazu: „Eckener begegnet den Flugversuchen anfangs mit beträchtlicher Skepsis, begeistert sich jedoch später für die noch unpopulären Luftschiffe.“

Wie aus einer anderen Zeit: Der große Erdgeschossraum im Flensburger Kulturdenkmal Eckener Haus.
Wie aus einer anderen Zeit: Der große Erdgeschossraum im Flensburger Kulturdenkmal Eckener Haus. © dpa

Anfang des 20. Jahrhunderts hängt Eckener seine publizistische Tätigkeit an den Nagel und widmet sich als Autodidakt gemeinsam mit Zeppelin dem Luftschiffbau. Ihm gelingt 1924 als Erstem die Non-Stopp-Atlantiküberquerung in einem Zeppelin. 1932 wurde der gebürtige Flensburger sogar für das Amt als Reichspräsident gehandelt.

Gebäude in Flensburg wurde 1913 verkauft

1913 musste eine seiner Schwestern das Geburtshaus verkaufen. Hugo lebte damals schon lange nicht mehr in der Stadt. Schon damals galt es Flensburger Bürgern als so erhaltenswert, dass sie auf Initiative des Museumsdirektors Ernst Sauermann und des Architekten Hans Maria Erhardts einen Verein gründeten, um das „Alt-Flensburger-Haus“ vor dem Abriss zu bewahren. Es wurde saniert und eine Art Bürgerhausmuseum entstand, in dem gezeigt wurde, wie man früher in Flensburg gelebt hat, wie Wenzel sagt.

Im Inneren des Gebäudes fühlt man sich wie in eine andere Zeit versetzt – oder mehrere. In der alten Diele, die laut Wenzel vermutlich schon bestand, als die Familie Eckener hier noch wohnte, ist eine Theke eingebaut. Wohl Überbleibsel aus der Gastronomie, die es hier seit 1913 eigentlich immer auch gab. Die Tapeten wirken hingegen alt, sind es aber nicht. Die hat vor ein paar Jahren ein Filmunternehmen hier angebracht, wie Wenzel erzählt. In dem Film „Novembersturm“ (2018), der während des Matrosenaufstandes 1918 in Kiel spielt, musste das Eckener Haus als Kieler Bürgerhaus herhalten. Die ursprüngliche Wand war den Filmschaffenden wohl zu schlicht.

Imposant: Die geschwungene Treppe, die ins Obergeschoss führt.
Imposant: Die geschwungene Treppe, die ins Obergeschoss führt. © dpa

Denkmalschützer finden immer wieder Überraschungen im Haus

Die Restauratoren und Denkmalschützer entdecken aktuell immer neue Überraschungen. Schöne, wie die Freilegung einer monumentalen Stadtansicht an einer der Wände. Experten haben das Werk als um 1800 entstanden eingeschätzt, wie Wenzel sagt. Es könnte von einem bekannten dänischen Landschaftsmaler sein. Und nicht so schöne: Als der Denkmalschützer seinen Besuchern den Gewölbekeller zeigen will, steht dieser unter Wasser. Das Grundwasser hat seinen Weg ins Gebäude gefunden, obwohl eine Pumpe dies eigentlich verhindern sollte. Petra Kuck vom Sanierungsträger ist irritiert, zumal die Pumpe in dem Moment anspringt. Einige Tage zuvor sei sie im Gebäude gewesen, sagt sie. Da war nichts zu sehen. „Das müssen wir klären.“

Eckener war übrigens nicht der einzige bekannte Bewohner des Hauses. Auch Ada Vilstrup, die spätere Frau des Malers Emil Nolde (1867-1956), hat hier gewohnt – zur Untermiete bei einer Schwester Eckeners, wie Wenzel sagt. Diese habe mit Vermietungen versucht, das Haus zu unterhalten. Nolde soll Ada hier auch besucht haben. Davon zeugt womöglich eine in eine Fensterscheibe eingeritzte Unterschrift. „Nolde“ steht dort. Und weiter unten die Namen Ernst und Ina. Ina war eine Schwester Eckeners, die mit dem Flensburger Verlegersohn Ernst Maass verheiratet gewesen ist. Ob die Unterschriften echt sind, dazu gibt es unterschiedliche Meinungen, sagt Wenzel. Es gebe auch Experten, „die sagen, das hätte Nolde nie gemacht, eine Scheibe zu zerkratzen“.

Ob die Nolde-Unterschrift auf der Fensterscheibe echt ist, ist unklar.
Ob die Nolde-Unterschrift auf der Fensterscheibe echt ist, ist unklar. © dpa

Lost Places im Norden: Unklar, was mit dem Haus passieren soll

Was nun aus dem Haus werden soll, ist noch nicht abschließend beschlossen. Die politische Tendenz sei, eine Nutzung zu finden, die möglichst vielen Bürgern ermöglicht, das Haus zu erleben, sagt Stadtsprecher Clemens Teschendorf. Mit kleineren Räumen, in denen sich Gruppen treffen können, und größeren für städtische Veranstaltungen und kleine Kammerkonzerte beispielsweise.

Wann es soweit ist, steht noch nicht fest. „Wir sind noch bei der Modernisierungsuntersuchung“, sagt Projektleiterin Kuck. „Es können noch ein paar Überraschungen kommen.“ Noch in diesem Jahr sollen die Untersuchungen aber abgeschlossen und ein Antrag auf Förderung gestellt werden. Und im nächsten Jahr soll es dann wirklich losgehen mit der Sanierung.