Kiel. Der schleswig-holsteinische CDU-Fraktionschef Tobias Koch im Gespräch mit dem Abendblatt über Erfolg, Daniel Günther und Jamaika.

Die Aussage ist für einen Politiker außergewöhnlich: Wenn die schleswig-holsteinische CDU, um das Jamaika-Bündnis fortzusetzen, freiwillig auf Ministerposten verzichten müsse, sei das ein „kleines Zugeständnis“. Das sagt Tobias Koch, CDU-Fraktionschef im Kieler Landtag. Der 48-Jährige ist einer der größten Unterstützer Daniel Günthers, wenn es um die Neuauflage des Bündnisses mit Grünen und FDP geht.

Hamburger Abendblatt Herzlichen Glückwunsch, Herr Koch. Was überwiegt: die Freude über 43,4 Prozent bei der Landtagswahl oder die Enttäuschung? Schließlich fehlten nicht viele Stimmen an der absoluten Mehrheit der Sitze ...

Tobias Koch: Da wir mit einer absoluten Mehrheit nie gerechnet hatten, überwiegt ganz eindeutig die Freude. Nicht nur über die 43,4 Prozent. Das Wahlergebnis allein ist schon sensationell, aber dass wir 32 von 35 Wahlkreisen gewonnen haben, darunter ungewinnbar geglaubte Wahlkreise wie das Kieler Ostufer, ist fantastisch. Dass die AfD aus dem Landtag geflogen ist, weil wir es mit Jamaika geschafft haben, die Ränder kleinzuhalten, hat ebenfalls zu großem Jubel in der CDU-Fraktion geführt.

Worauf führen Sie den Sieg zurück?

Tobias Koch: Das ist zu allererst ein Erfolg von Daniel Günther. Der zweite Grund ist die Erfolgsbilanz von Jamaika. Wir haben gut regiert. Und unser Umgang miteinander, die gegenseitige Wertschätzung, der breite gesellschaftliche Konsens, den wir mit Jamaika entwickelt haben, hat den Menschen gefallen.

Damit wären wir beim Thema: Es ist zumindest sehr ungewöhnlich, ein Bündnis schmieden zu wollen mit einem Partner, der gar nicht gebraucht wird.

Tobias Koch: Das stimmt. Oft ist das noch nicht vorgekommen. Der Ministerpräsident hat am Dienstag beim CDU-Landesausschuss nochmals die Chance Schleswig-Holsteins betont, mit dem Alleinstellungsmerkmal der Erneuerbaren Energien zum klimaneutralen Industrieland zu werden. Wir können damit die bayerische Erfolgsgeschichte der letzten 30, 40 Jahre wiederholen – nämlich vom Agrarland zum industriellen Hightechland zu werden. Jamaika hat dafür die Grundlage gelegt. Jetzt können wir gemeinsam die Erfolgsgeschichte fortschreiben.

Bei einem Zweierbündnis könnte die CDU mehr Minister stellen. Sie haben den möglichen Verzicht auf Posten ein „kleines Zugeständnis“ genannt. Sehen das CDU-Politikerinnen und -Politiker auch so, die sich Hoffnungen auf einen Ministerposten machen?

Tobias Koch: Als Daniel Günther das am Dienstag bei unserem kleinen Parteitag mit ähnlichen Worten wie ich auch so gesagt hat, gab es minutenlangen stehenden Applaus und keine kritischen Wortmeldungen. Wir haben nicht formell abgestimmt, aber das war die klare Unterstützung aller Delegierten, den Weg mit Jamaika weiterzugehen. Es ist nicht völlig irrelevant, wer wie viele Posten bekommt, aber es ist nicht das Wichtigste.

Sie befürchten also keine Enttäuschung in Ihrer größer, städtischer und weiblicher gewordenen Fraktion, die dadurch ohnehin schwerer zu führen sein dürfte?

Tobias Koch: Die Stimmung in der Fraktion ist großartig. Ich sehe die vielen neuen Kolleginnen und Kollegen nicht als Beeinträchtigung, sondern als Chance. Meine nahezu einstimmige Wahl zum Fraktionsvorsitzenden stimmt mich optimistisch, dass auch die gewachsene Fraktion eine ebenso gute Zusammenarbeit entwickelt, wie dies in den letzten Jahren der Fall war.

Grünen und FDP würde das Druckmittel fehlen, im Fall eines Zerwürfnisses das Bündnis platzen lassen zu können …

Tobias Koch: Ich halte es für absolut abwegig, dass es zu einer solchen Situation kommt. Nachdem wir jetzt fünf Jahre als Jamaika hervorragend zusammengearbeitet haben, liegt die Hürde extrem hoch, dieses Bündnis durch einen Ausstieg aus der Koalition platzen zu lassen. Das gilt genauso auch für uns als CDU. Wie sollten wir erklären, dass wir erst offensiv für eine Fortsetzung des Dreierbündnisses werben, um dann bei einem möglichen Konflikt einen Koalitionspartner vor die Tür zu setzen? Wir würden uns alles kaputt machen, was wir uns als Jamaika aufgebaut haben. Wenn jeder Partner sich in der neuen Koalition wiederfindet, wenn jeder Punkte eins zu eins durchsetzen kann, wie sollte dann ein Streit entstehen, der zum Bruch führen könnte?

Neuauflage Jamaika: Was machen CDU, die Grünen und die FDP?


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  • Ein Jamaika-Bündnis würde 53 der 69 Abgeordneten im Landtag stellen. Die Opposition von SPD und SSW wäre marginalisiert. Daran können auch die Regierungsparteien kein Interesse haben. Spielen solche Überlegungen in Ihren Plänen eine Rolle?

    Tobias Koch: Wir hatten 2005 mit der Großen Koalition aus CDU und SPD ähnliche Verhältnisse, die Opposition war damals zahlenmäßig sogar noch kleiner. Damals hatten wir besondere Minderheitenrechte beschlossen, das müsste jetzt wieder passieren. Klagen beim Verfassungsgericht, die Beantragung von namentlichen Abstimmungen – all das darf nicht an der Größe der Opposition scheitern. Es muss eine Schutzfunktion geben, auch was Redezeiten und die Abfolge der Reden anbelangt.

    Sie haben gesagt: „Ich finde, eine Dreier-Konstellation hat sich hier sehr bewährt.“ Wie ist Ihre Prognose: Weiter mit Jamaika?

    Tobias Koch: Ich bin durchaus optimistisch. Die Konstellation hat sich in der Tat bewährt. Ich nehme wahr, dass sich auch FDP und Grüne mit einer Fortsetzung von Jamaika ernsthaft auseinandersetzen. Die Wahrscheinlichkeit würde ich im Moment bei höher als 50 Prozent ansetzen. Aber es gibt noch viele Fragen zu klären. Ein neues Jamaika-Bündnis halte ich für den klaren Auftrag der Wählerinnen und Wähler.