Kiel. Der überzeugende Sieg der CDU bei der Landtagswahl geht auf das Konto von Daniel Günther. Was ist dran an diesem Mann?

Will man mit nur einem Beispiel beschreiben, was an diesem Sonntag bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein passiert ist, es genügt ein Blick in Wahlkreis 8. Hier haben 30.954 Frauen und Männer ihre Erststimme dem Mann von Liste 1 gegeben. 30.954 Stimmen oder 58,4 Prozent für den Bewerber der CDU. Der heißt Daniel Günther, Wahlkreis 8 ist seine Heimat.

Das allein macht den Wahlkreis noch nicht zum Sinnbild des gesamten Wahlausgangs. Das Bild wird komplett durch den Direktkandidaten der SPD in diesem Wahlkreis 8. Der heißt Thomas Losse-Müller und war der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten. 8518 Erststimmen - oder 16,1 Prozent – fuhr der 49-Jährige ein. Und damit scheiterte er im Wahlkreis genauso deutlich wie die SPD auf Landesebene.

Wahl Schleswig-Holstein: Warum Günther gewonnen hat

43,5 Prozent der Zweitstimmen landesweit – zuletzt hatte die CDU 1983 bei einer Landtagswahl im Norden mehr geholt. Der überzeugende Wahlsieg geht auf ein Konto: das von Daniel Günther. Nur: Was ist dran an diesem Mann? Was macht Daniel Günther so erfolgreich? Woher rührt seine große Popularität?

Die CDU im Norden hat von Anfang voll auf die Karte Günther gesetzt. Während die SPD alles im Wahlkampf aufbot, was im Berliner Politikbetrieb einen bekannten Namen hat, war der Wahlkampf der CDU einzig auf ihren beliebten Ministerpräsidenten zugeschnitten. Warum die CDU gut tat, einzig auf den Trumpf zu zocken, zeigen zwei Umfragen von Infratest dimap im Auftrag der ARD. Gerade einmal 17 Prozent der Befragten sind demnach davon überzeugt, dass Merz im Wahlkampf der CDU im Norden eine „eine große Unterstützung für die Landespartei“ gewesen sei.

Auch eine zweite ARD-Umfrage belegt, dass es Günthers Wahlsieg war und nicht der der Bundespartei. Gefragt, ob die CDU das Bundesland vorangebracht habe, antworteten 57 Prozent der Schleswig-Holsteiner mit Ja - nur 37 Prozent der Nordrhein-Westfalen sehen das in ihrem Bundesland auch so. Dort wird am nächsten Sonntag wählen.

Wahl Schleswig-Holstein: CDU holt 43,5 Prozent der Zweitstimmen landesweit

Günther war der Notnagel der CDU bei der Landtagswahl 2017. Das sagt er auch selbst. Zur Überraschung der meisten Beobachter setzte er sich vor fünf Jahren gegen Amtsinhaber Torsten Albig von der SPD durch. 32 Prozent für die CDU waren ordentlich, mehr aber auch nicht. Und vor allem ließen die 32 Prozent nur wenige Bündnisse zu. Gemeinsam mit Monika Heinold und Robert Habeck von den Grünen und mit Heiner Garg sowie Wolfgang Kubicki von der FDP schmiedete Günther das erste Jamaika-Bündnis im Norden. Das hatte es bis dahin einmal erst in Deutschland gegeben – im Saarland. Und dort war Schwarz-Grün-Gelb gescheitert.

Günther machte es besser. Genauer gesagt: Er machte „Jamaika“ zu seinem Projekt, moderierte die Konflikte weg, organisierte die Mehrheiten. Kein größerer Konflikt drang nach außen. „Harmonisch und konstruktiv“ sei die Arbeit fünf Jahre lang gewesen, sagten Heinold, Günther und FDP-Spitzenkandidat Bernd Buchholz übereinstimmend. Und dass sie die Koalition gern fortgeführt hätten. Nur wird „Jamaika“ jetzt vermutlich Opfer des eigenen Erfolgs.

Ein dritter Koalitionspartner wird bei dem Ergebnis nicht mehr benötigt. Zwar betonte Günther am Wahlabend erneut, mit Jamaika weitermachen zu wollen, nur dürfte das kaum passieren. Buchholz hatte das bereits ausgeschlossen; und Heinold hatte ein Dreierbündnis, bei dem ein Partner nicht gebraucht wird, mit dem „fünften Rad am Wagen“ verglichen. Und das braucht kein Mensch.

"Jamaika": So hat das Bündnis gearbeitet

Zurück zu „Jamaika“. Am Beispiel der Corona-Pandemie lässt sich gut erklären, wie das Bündnis gearbeitet hat. Im Lauf der Pandemie hat es zig Auseinandersetzungen über den richtigen Kurs und genauso viele Korrekturen gegeben. Nur wurden die in der extra eingerichteten „Jamaika“-Runde abgeräumt, bevor sie im Kabinett Ärger machten. Diese Runde wirkte komplett im stillen. Öffentlich machten dann deren Kompromisse: Daniel Günther, Monika Heinold und Gesundheitsminister Heiner Garg zu dritt. Heinold hätte als Finanzministerin bei den Pressekonferenzen keiner gebraucht – sie war dennoch immer dabei.

Das Signal lautete: Wir als Schwarze und Grüne und Gelbe stehen geschlossen für den Kurs der Landesregierung. Günther, der als „genialer Moderator und absoluter Geduldsmensch“ (ein Insider) gilt, hat Heinold und Garg, hat Grünen und FDP Platz gegeben, sich zu profilieren. Die Wähler honorierten die Corona-Politik der Landesregierung und deren Einigkeit dabei: 76 Prozent der von Infratest dimap befragten Schleswig-Holsteiner gaben an, mit dem Corona-Management des Landes zufrieden zu sein. Selbst unter den SPD-Anhängern waren 72 Prozent der Meinung, „Jamaika“ habe das Land gut durch die Pandemie gebracht.

Über mehrere Monate hat Infratest dimap die anstehende Schleswig-Holstein-Wahl mit Umfragen im Auftrag des NDR begleitet. Und von Januar bis Ende April war die Zufriedenheit mit „Jamaika“ extrem hoch. Gleichbleibend gaben drei von vier Befragten an, mit der Regierung zufrieden oder sehr zufrieden zu sein. Nur: Profitiert davon hat vor allem die CDU. Neben seiner ungeheuren Popularität – Günther ist in den Umfragen der beliebteste deutsche Ministerpräsident – spielte ihm in die Karten, dass es keinerlei Wechselstimmung im Land gab.

Die Grünen sind neben der CDU der zweite große Gewinner der Wahl

Zwar konnten auch die Grünen ihr Ergebnis deutlich steigern. Sie sind neben der CDU der zweite große Gewinner der Wahl. Aber sie können sich lange nicht sicher sein, der nächsten Regierung anzugehören. Und die FDP hat trotz hoher Zufriedenheit mit „Jamaika“ deutlich verloren. Für sie gilt wie für die Grünen: eine weitere Regierungsbeteiligung ist im Moment völlig offen.

Der Wahlkampf war fair im Umgang, menschlich sauber, aber ein wenig müde in den Themen. Nach mehr als zwei Jahren erschöpft von Corona und besorgt ob des Krieges in der Ukraine, wirkte der Wahlkampf oft wie eine Nebensache. Kein Thema zündete. Die SPD setzte auf ihre Klassiker wie bezahlbaren Wohnraum und kostenlose Kitas, aber nichts verfing. Vom eher leisen, fast schon stillen Wahlkampf profitierte: der beliebte Ministerpräsident Er hat die Zustimmung zu „Jamaika“ abgeschöpft.

Günther ist in den Umfragen der beliebteste deutsche Ministerpräsident

Mit dem Ergebnis einer Umfrage lässt sich das Warum dieses Wahlausgangs beantworten: Befragt danach, was entscheidend war für ihr Abstimmungsverhalten – der Kandidat, das Programm oder die langfristige Parteibindung – legten sich 54 Prozent der Schleswig-Holsteiner auf den Kandidaten fest. Nur 27 Prozent gaben ab, das Programm sei für ihre Wahl entscheidend gewesen, 17 Prozent nannten die langfristige Parteibindung als Grund.

Über ihren Ministerpräsidenten sagten 74 Prozent, Günther habe die Interessen das Landes sehr gut vertreten, 72 Prozent meinten, er habe das Bundesland besser durch die Pandemie gebracht als andere Regierungschefs 71 Prozent lobten seine Fähigkeiten, verschiedene Positionen (wie im Kabinett) zusammenzuführen.

Abendblatt hatte Günther im Wahlkampf begleitet

Das Abendblatt hatte den CDU-Politiker im Wahlkampf begleitet – und dabei den wohl typischen Günther erlebt. In Jeans und Pulli, locker, zugewandt und ziemlich entspannt redete er eher kurz, um sich anschließend Zeit für die Menschen und ihre Themen zu nehmen. Ein Dialog hier, eine Selfie dort – Günther macht Wahlkampf dieser Art Spaß. Menschen, die ihn lange kennen, beschreiben ihn als sehr guten Zuhörer und Kommunikator.

Günther wird nachgesagt, er habe ein „Feeling“ fürs Publikum, könne gut und schnell eine Stimmung im Raum antizipieren und dann den richtigen, oft selbstironischen Ton treffen. Mitarbeiter beschreiben Günther, der meist locker und spontan wirkt, schon als sehr genau, beinahe detailversessen, jemand, der sich präzise vorbereite, um dann aber fast immer frei zu reden. Anderes, als viele andere Politiker, zeigt er Emotionen. Auch das dürfte zum Erfolg beitragen.

Günther spricht wie die Menschen vor Ort

Günther spricht wie die Menschen vor Ort. Ein Beispiel. Als er in Norderstedt beim Wahlkampfauftritt im Feuerwehrmuseum um „beide Stimmen“ für die CDU, wirbt, nennt er den Wahlausgang eine „verdammt knappe Kiste. Ich war gern Ihr Ministerpräsident, und ich will Ihr Ministerpräsident bleiben“, sagte er im April.

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Und das wird Günther auch bleiben, auch wenn er schon am Wahlabend als der künftige starke Mann des Bundes-CDU gehandelt wurde. Günther lässt sich nicht in einer Ecke der Partei verorten. In Fragen der Inneren Sicherheit oder auch in der Bildungspolitik ist Günther ein ziemlich konservativer Knochen. In Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts, des Lebens miteinander ist er deutlich mehr Merkel als Merz. Und wenn er mit seiner Partei hadert, dann sagt er es auch. Mehrfach hat er sich gegen seine Partei positioniert.

Günther lässt sich nicht in einer Ecke der Partei verorten

So hatte Günther bis zuletzt für die generelle Impfpflicht gekämpft und die Taktiererei seiner Bundestagsfraktion bei dem Thema kritisiert. Als seine Partei noch überlegte, einen eigenen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten zu nominieren, hatte sich Günther längst auf die Wiederwahl des Sozialdemokraten Frank-Walter Steinmeier festgelegt. Als die Frauenquote in der CDU noch ein Tabuthema war, setzte sich Günther schon für deren Umsetzung ein.

Der Grüne Robert Habeck – ein Freund Günthers – hat das so formuliert: „Daniel Günther ist ein guter Ministerpräsident geworden, weil die Grünen geholfen haben, dass er es werden kann. Im Grunde ist er zum modernen Gegenentwurf zu Friedrich Merz geworden, weil er Personen wie Monika Heinold im Kabinett hatte, die ihm einen Kompass gegeben haben. Weil die Grünen seit Jahren in Schleswig-Holsteins Regierung Anker und Treiber sind. Daniel Günther und ich sind befreundet, aber politisch kann er nur der bleiben, der er ist, wenn er – vielleicht auch gegen seine eigene Partei – ein progressives, ökologisches, soziales Gegengewicht in der Regierung hat.“