Kiel. Die Partei von Spitzenkandidatin Monika Heinold holt mehr Stimmen als die SPD. Jetzt liegt es an Daniel Günther.

Der Jubel war groß auf der Grünen-Wahlparty und auch im Fraktionssaal im Kieler Landeshaus, wo sich rechtzeitig zu 18 Uhr die Spitzen von Partei und Fraktion eingefunden hatten. Und dieser Jubel brandete gleich zweimal auf: erst, als die ARD 17 Prozent für die Grünen aufrief – und später dann 4,9 Prozent für die AfD vorhersagte. Die Grünen sind neben der CDU der klare Sieger der Landtagswahl. Sie haben ihr Ergebnis von 2017 deutlich steigern können.

Nicht nur, dass das beste Ergebnis überhaupt für die Grünen bei Landtagswahlen im Norden herauskam – es reichte nach ersten Prognosen auch für Platz 2. Die Partei landete klar vor den Sozialdemokraten. Eins ihrer Ziele hatten die Grünen damit erreicht. Das Entscheidende dürfte sie mit dem Wahlergebnis jedoch klar verfehlen: ihre Spitzenkandidatin Monika Heinold zur ersten Grünen Ministerpräsidentin überhaupt zu machen.

Grüne Aminata Touré: „Wir freuen uns unfassbar doll“

Bei der Landtagswahl 2017, nach der Monika Heinold und Robert Habeck das erste norddeutsche Jamaika-Bündnis mit CDU und FDP schmiedeten, hatte die Partei 12,9 Prozent erzielt. Allerdings: Bei Weitem konnte die Partei um das Spitzenduo Monika Heinold und Aminata Touré das Ergebnis der Europawahl 2019 nicht erreichen: Hier waren die Nord-Grünen mit 29,1 Prozent der Zweitstimmen stärkste Kraft überhaupt.

„Wir freuen uns unfassbar doll“, sagte die Co-Spitzenkandidatin Aminata Touré zur ersten Prognose. Die 29-Jährige sprach von einem „großartigen Ergebnis“ und von zwei Gewinnern: den Grünen und der CDU des Ministerpräsidenten. „Herzlichen Glückwunsch an Daniel Günther“, sagte Touré.

Die andere Spitzenkandidatin, also Monika Heinold, lobte den Grünen Landesverband als „geschlossen wie nie“. Das Ergebnis sei eine Bestätigung der Arbeit von „Jamaika“, in dem „eine konservative CDU und moderne Grüne“ sehr gut zusammengearbeitet hätten. Die Grünen interpretieren das Ergebnis als Aufforderung an Daniel Günther, jetzt ein schwarz-grünes Bündnis zu schmieden. Ginge es nur nach dem Ministerpräsidenten, der die vergangenen fünf Jahre sehr gut mit Monika Heinold zusammengearbeitet hat, seien die Chancen für Schwarz-Grün groß, hieß es am Sonntagabend bei den Grünen. Allerdings sei die CDU-Fraktion deutlich konservativer als ihr Spitzenkandidat. Und so befürchten viele bei den Grünen, dass es zu einer CDU-FDP-Regierung kommen könnte.

Schleswig-Holstein-Wahl: Es geht auch ohne die Grünen

Fraktionschefin Eka von Kalben nannte die Grünen am Sonntagabend den stabilisierenden Faktor und Motor der Jamaika-Regierung. Für das seit 2017 regierende Bündnis hatte Monika Heinold auch in der Hochphase des Wahlkampfs nur Lob übrig. Man habe harmonisch und konstruktiv zusammengearbeitet; die strittigen Themen intern besprochen und die Kompromisse oder Entscheidungen dann aber einstimmig verkauft. Von einem handfesten Streit wurde nichts bekannt. Allenfalls waren es, je näher der Wahltag rückte, Kabbeleien. Wie die mit FDP-Spitzenkandidat Bernd Buchholz. Den nannte Heinold zuletzt einen „lieb gewonnenen Kollegen“, der nur leider „marktradikal“ sei.

Ein anderes Mal sagte Heinold, Daniel Günther sei mit grüner Hilfe ein moderner Ministerpräsident geworden, seine CDU bleibe aber konservativ. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck machte gleich mehrfach Wahlkampf in der Heimat. Bei einem Gespräch mit dem Abendblatt warnte der Flensburger vor einem Rückfall in alte Schleswig-Holstein-Zeiten. „Das Land war viele Jahre lang polarisiert, die Gräben zwischen konservativen und progressiven Parteien waren tief, die politische Kultur verhunzt, wenn man an die Barschel-Affäre, an den ,Heide-Mord‘ denkt.“ Das habe sich erst mit der Regierungsbeteiligung der Grünen geändert.

Monatelang sah es in den Umfragen aus, als würden Habecks und Heinolds Grüne ziemlich sicher der nächsten Landesregierung angehören. Doch jetzt geht es auch ohne sie. Habeck warnte jedenfalls vorsorglich: „Wir brauchen eine
Regierung, die über das eigene Lager
hinausgreift, in der Politiker gezwungen sind, sich mit den Positionen der anderen auseinanderzusetzen.“

Die Grünen setzten im Wahlkampf vor allem auf stärkeres Tempo beim Umbau Schleswig-Holsteins hin zur Klimaneutralität. Während Günther im Jahr 2045 so weit sein will, hat SPD-Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller 2040 aufgerufen als Ziel. Den Grünen geht das alles nicht schnell genug – sie wollen mit der Dekarbonisierung 2035 so weit sein. Um das hinzubekommen, fordern sie mehr als die jetzt ausgewiesenen zwei Prozent der Landesfläche für den Betrieb von Windrädern. In einem Sofortprogramm für die Zeit nach der Wahl sprechen sie sich für die Einrichtung eines Gremiums von Klimaexperten („Rat der Klimawaisen“) aus und dafür, die Hürden für Fotovoltaik abzubauen.