Kiel. Sabine Sütterlin-Waack (CDU) verantwortet in Schleswig-Holstein auch den Bereich Bauen und Wohnen. Was das Land unternimmt.

Die Zahl der Sozialwohnungen sinkt dramatisch, die Neubaupreise explodieren. Wie die schleswig-holsteinische Bauministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) gegensteuert, erläutert sie im Abendblatt-Interview.

Hamburger Abendblatt: Frau Sütterlin-Waack, sind Einfamilienhäuser zeitgemäß?

Sabine Sütterlin-Waack: Eines zu haben, ist auf jeden Fall noch der durchaus nachvollziehbare Wunsch ganz vieler, auch junger Menschen. Ob es noch zeitgemäß ist? Es gibt Wohnformen, die ökologisch und energetisch sinnvoller sind. Auch ist der Flächenverbrauch bei einem Einfamilienhaus höher. Deshalb werben wir stark dafür und unterstützen das gezielt mit Förderprogrammen, dass auch in kleineren Orten verstärkt zusätzlich Mehrfamilienhäuser gebaut werden. Das passiert auch tatsächlich.

Ihr Ministerium gibt das Ziel aus, „mehr flächen- und ressourcensparende Wohnungen“ zu bauen. Einzelhäuser sind viel, aber nicht unbedingt flächen- und ressourcensparend. Ist diese Position in der CDU mehrheitsfähig?

Sütterlin-Waack: Es geht nicht um mehrheitsfähig. Wir verteufeln auch keine spezielle Wohnform. Wir wollen mit dem Programm stattdessen Anreize setzen, damit die Menschen auch über andere Wohnformen nachdenken und sich vielleicht für sie entscheiden. Es gibt ein nationales Flächensparziel, das wir in Schleswig-Holstein bis 2030 umgesetzt haben wollen. Wir müssen bis dahin den Flächenverbrauch auf 1,3 Hektar am Tag senken.

Sprechen wir über Positionen Ihres politischen Gegners. Was haben Sie gegen die von der SPD geforderte Mietpreisbremse?

Sütterlin-Waack: Grundsätzlich bin ich in diesem Punkt völlig offen und ideologiefrei. Aber die Mietpreisbremse wirkt nicht, in keinem Bundesland wurde der Mietenanstieg damit verhindert. Nachdem wir die Mietpreisbremse gestrichen haben, sind die Mieten in Schleswig-Holstein weniger stark gestiegen als vorher.

Der SSW fordert eine Fehlbelegungsabgabe für Besserverdiener, die beispielsweise als Studenten in eine Sozialwohnung gezogen sind und immer noch dort wohnen. Was spricht für Sie dagegen?

Sütterlin-Waack: Der Grundgedanke ist richtig. Aber die Fehlbelegungsabgabe ist mit zu viel Bürokratie verbunden. Wir haben stattdessen das Wohnraumfördergesetz geändert, wodurch der Wohnberechtigungsschein nicht mehr zwei Jahre sondern nur noch für ein Jahr gilt.

Das klingt auch bürokratisch ...

Sütterlin-Waack: Ja, das stimmt. Was wir uns noch überlegt haben, ist ein „Wohnungstausch“: In dem Fall, als Beispiel, kann der Professor in der Wohnung bleiben, aber die Mietpreisbindung geht auf eine andere Wohnung für einen Studenten über.

Wenn sich genügend Professoren und andere Besserverdiener auf die Idee einlassen, würde sich das positiv auf die soziale Durchmischung von Quartieren auswirken ...

Sütterlin-Waack: Wir achten eh schon stark darauf, Fehler vergangener Generationen, die mit Großsiedlungen gemacht wurden, nicht zu wiederholen. Durch Programme wie das genannte können wir gegensteuern und milieu- und generationenübergreifendes Wohnen fördern.

In Schleswig-Holstein wird im Vergleich der alten Bundesländer der niedrigste Durchschnittslohn gezahlt. Wohnen wird aber immer teurer. Wie wollen Sie erreichen, dass durchschnittlich verdienende Familien ein lebenswertes Leben führen können?

Sütterlin-Waack: Jetzt bin ich als Innenministerin nicht zuständig für steigende Löhne. An dem Punkt können wir nichts machen. Aber wir können helfen, bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Und zwar über zwei Förderwege. Im ersten zahlen Mieter zwischen 5,40 und 6,25 Euro für den Quadratmeter. Der zweite Förderweg greift bei den von Ihnen angesprochenen Menschen. Da liegt die Miete bei 8 Euro. Wir haben mit 900 Millionen Euro in der Legislaturperiode sehr viel Geld für sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt. Allein am Hamburger Stadtrand wurden so 2300 Wohnungen gebaut. Aktuell haben wir die Förderzuschüsse für sozialen Wohnraum erneut erhöht – auf dann 1000 Euro pro Qua­dratmeter. Damit sind wir im Spitzenfeld unter den Bundesländern.

Preise für Bauland und Baukosten steigen rapide, jetzt ziehen auch die Zinsen an. Haben Sie keine Sorgen, dass der Wohnungsbau ins Stocken gerät?

Sütterlin-Waack: Natürlich haben wir diese Sorgen. Die Preissteigerungen sind erschreckend. Für Mieterinnen und Mieter kommt die „zweite Miete“ hinzu – denn auch die Energiekosten steigen immens. Günstigen Wohnraum zu schaffen, wird schwieriger. Ich bin aber zuversichtlich, dass uns das gelingen wird.

Von einst 220.000 Sozialwohnungen in Schleswig-Holstein sind noch 46.000 übrig geblieben, von denen weitere 13.000 bis 2030 aus der Preisbindung fallen dürften. Gleichzeitig entstehen im Jahr nur 900 neue …

Sütterlin-Waack: Die sogenannte Belegbindung ist deutlich gesunken. Wir hatten allerdings die größten Einbrüche 2014 und 2015, als wir von mehr als 70.000 auf über 40.000 fielen. 2020 gab es 46.401 Sozialwohnungen im Land, 2021 stieg die Zahl leicht auf 46.575. Den Negativlauf haben wir im vergangenen Jahr also zumindest gestoppt. Aber es stimmt: Ganz viele Wohnungen fallen aus der Bindung. Wir versuchen deshalb, ein Förderprogramm auf die Beine zu stellen, Belegbindung im Bestand zu bekommen. Das heißt, dass wir nicht nur Neubauwohnungen mit der Sozialbindung belegen, sondern wir wollen auch Eigentümer unterstützen, die die Belegbindung freiwillig verlängern.

Die Zahl neu gebauter Häuser und Wohnungen in Schleswig-Holstein hat sich seit 2008 auf gut 14.000 im Jahr 2020 verdoppelt. Und trotzdem reicht das gerade in den Ballungsräumen immer noch nicht aus. Was kann die Politik gerade dort noch leisten?

Sütterlin-Waack: Wohnraum muss vernünftig genutzt werden. Wem mit zunehmendem Alter eine kleinere Wohnung reicht, für den muss es sich lohnen, die alte große Wohnung oder das Haus für eine junge Familie frei zu machen und in etwas Kleineres zu ziehen. Dann zu den Flächen: Wir müssen verdichten und Brachflächen bebauen. Wir bezahlen als Land den Kommunen Flächenmanager, die helfen, Areale zu identifizieren, die man für den Wohnungsbau entwickeln könnte. Es geht um Konversionsflächen, alte Brachen von Industrie und Gewerbe. Acht Kreise und kreisfreie Städte haben bereits Interesse bekundet oder machen sogar schon mit. Mit dem neuen Baulandfonds von 100 Millionen Euro, den wir nach der Wahl auflegen wollen, können wir dann Investoren unterstützen, die besonders aufwendige Areale wie kontaminierte Flächen entwickeln. Maximal 20 Prozent der Kosten übernehmen wir. Das ist ein attraktives Angebot.

Fünf Jahre lang hätte die Jamaika-Koalition Zeit gehabt, die höchste Grunderwerbssteuer bundesweit zu senken. Erst jetzt verspricht die CDU, sie auf den Bundesschnitt zu senken und für Familien beim Erwerb der ersten eigengenutzten Immobilie ganz abzuschaffen. Konnte sich die CDU nicht früher gegen die Grünen durchsetzen?

Sütterlin-Waack: Eine Koalition erfordert Kompromisse. Die sind wir gern eingegangen, weil es auch immer wieder Punkte gab, in denen sich die CDU durchsetzen konnte. Mit dem Geben und Nehmen haben wir in den fünf Jahren richtig gute Erfahrung gemacht. Ich würde auch gern fünf Jahre so weitermachen.

Also nochmals fünf Jahre „Jamaika“-Koalition mit Grünen und FDP?

Sütterlin-Waack: Ja, gern! Zur Grunderwerbssteuer: Sie ist eine wichtige Einnahmequelle fürs Land. Und man sollte auch im Wahlkampf nur versprechen, was man auch halten kann. Aber wir müssen hier etwas für die Menschen machen, für junge Familien, und deren Kosten beim Haus- oder Wohnungskauf senken.