Sylt. Eine Begegnung mit Ingo Pohl. Der Geistliche spricht über Kirche, seinen bewegten Lebensweg und Ferienappartements für Geflüchtete.

Ein gemütliches Friesenhaus unter Reet, umgeben von einem malerischen Garten, dient als Pastorat der evangelischen Kirchengemeinde St. Martin zu Morsum. In das mehr als 200 Jahre alte Gebäude ist Ingo Pohl gemeinsam mit seinem Mann Manfred und Mischlingshündin Smilla im Oktober vergangenen Jahres eingezogen. Zu diesem Zeitpunkt hat der 54-Jährige die Nachfolge von Christiane Eilrich angetreten. Aber auf der Insel ist der gebürtige Berliner schon seit mehr als fünf Jahren zu Hause, damals hatte Pohl die zweite Pfarrstelle in der Gemeinde St. Severin in Keitum übernommen und seitdem in Tinnum gelebt.

Jetzt war der umtriebige Pastor zu Gast im Sylt-Podcast des Hamburger Abendblatts und empfing zum Gespräch in der Küche am großen Holztisch im Pastorat. „Es wurde für Morsum ein neuer Pastor gesucht, und ich habe mich der Kirchengemeinde angeboten. Es hat geklappt. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich jetzt hier arbeiten kann und habe den Wechsel in keiner Weise bereut“, erzählt Pohl.

Sylt: Pohl zog es von Brunsbüttel an die Nordsee

Was unterscheidet sein neues Terrain von seiner alten Arbeitsstelle? „St. Severin in Keitum ist die bekanntere Kirche und ein kultureller Mittelpunkt auf der Insel. Dafür sind wir in Morsum noch eine richtige Dorfkirche und begleiten das dörfliche Leben. Während in Keitum zur Ferienzeit etwa 80 Prozent der Kirchgänger Urlauber und nur 20 Prozent Einheimische waren, ist das hier in Morsum umgekehrt.“

Bevor Pohl auf die Insel kam, war er Pastor in Brunsbüttel. „Auf der Insel ist alles langsamer und leiser als in der Stadt. Und wir leben hier mit den Gezeiten. In diesem Fall meine ich nicht Ebbe und Flut, sondern die Gäste, die kommen und gehen.“ Der Geistliche sieht es als ein Privileg an, dass er hier in der Kirche Menschen aus der „ganzen Republik, aus Österreich und der Schweiz erreicht. Die Urlauber kommen hierher und wollen etwas von der Kirche, hier wird geheiratet und es werden Kinder getauft“. Und Pohl spricht im Sylt-Podcast auch ein sensibles Thema an.

"Jeder kann sich hier begraben lassen“

„Wir haben hier einen Bestattungstourismus, und der ist wichtig für die Friedhöfe auf der Insel. Jeder kann sich hier begraben lassen.“ Eine andere Art der Bestattung ist nicht so seins. „Ich halte nichts von anonymen Seebestattungen. Denn jeder braucht doch einen Ort der Erinnerung.“ Ingo Pohl ist ein Mensch, der Klartext spricht, der polarisiert. Natürlich auch in seinen Predigten, und wahrscheinlich ist das auch sein Rezept dafür, dass seine Gottesdienste meist sehr gut besetzt sind. Jetzt ist die St. Martin-Kirche in Morsum, die 1240 erstmals urkundlich erwähnt wurde, seine Bühne. Aber Ingo Pohl ist auch einer, der Brüche in seiner Biografie hat.

Kirche St. Martin.
Kirche St. Martin. © picture-alliance / DUMONT Bildarchiv | Sabine Lubenow

Auch sein Lebenslauf kommt im Sylt-Podcast zur Sprache. Er sei im damaligen Westberlin aufgewachsen und hat dort auch sein Abitur gemacht. Sein Studium hat Pohl in Paderborn und in Rom absolviert und 1992 als Diplomtheologe abgeschlossen. Es folgte 1997 die Priesterweihe in Osnabrück – in diesem Jahr am 8. Mai feiert er sein 25. Jubiläum im Dienste der Kirche. Als Seelsorger arbeitet er unter anderen auf den Nordseeinseln Borkum und Juist. 2005 trennte sich Pohl von der katholischen Kirche. Es habe Probleme mit der Auffassung von Gehorsam gegeben, berichtet Pohl und konvertierte zur evangelischen Kirche.

Pohl machte einen Abstecher in die Politik

Ich glaube, so Pohl, ich bin eine gute Mischung aus den besten Teilen beider Konfessionen. Noch im selben Jahr tauchte Pohl in die Politik ein. Durch eine Initiativbewerbung landete er als wissenschaftlicher Referent bei der CDU-Bürgerschaftsfraktion in Hamburg. Aber es zog ihn zurück zu seinen Wurzeln. „Ich bin in meinem Herzen immer Seelsorger und Priester geblieben. Und als mich die evangelische Kirche fragte, ob ich nicht für sie als Pastor arbeiten möchte, habe ich mich beworben.“

Um es kurz zu machen: Ingo Pohl bekam im Februar 2012 eine Stelle als Pastor in Brunsbüttel und lernte dort auch seinen Mann Manfred kennen. 2016 ging es gemeinsam nach Sylt. Was ihn auch nach 25 Jahren als Kirchenmann noch antreibt? „Wichtig ist mir, dass die Menschen in unserer manchmal selbstverliebten und egomanischen Ellenbogengesellschaft auch eine andere Wirklichkeit erleben, in der sie sich gut aufgehoben fühlen. Und diese andere Wirklichkeit möchte ich mit Beten, Singen, Zuhören und Gesprächen vermitteln.“

Ingo Pohl ist auch Krankenhausseelsorger

Die Arbeit bestimmt sein Leben. Häufig ist Pohl in seiner Funktion als Krankenhaus-, Notfall- und Feuerwehrseelsorger, er ist ebenfalls Brandmeister, auch nachts im Einsatz. Nur nicht, wenn es mal in den Urlaub geht, dann haben die drei Mobiltelefone Pause. Seit zehn Jahren ist die griechische Insel Kreta sein Ferienziel. Hier ist der Pastor inzwischen mit Einheimischen befreundet und in deren „familiäre Strukturen eingebunden“.

Vom 27. März bis zum 7. April ist Pohl als Reiseleiter im Einsatz. Zum fünften Mal geht es nach Israel mit Insulanern und Leuten vom Festland. Auf dem Programm stehen unter anderen Tel Aviv, Jerusalem und der See Genezareth. Es sind noch Restplätze frei.

Sylt: Pastor richtet Appell an Wohnungseigentümer

Interessierte können sich per E-Mail an ingo.pohl@kirche-morsum.de melden. Aktuell beschäftigt die Menschen der Krieg in der Ukraine. Ingo Pohl hat bereits gemeinsam mit einer Kollegin eine Friedensmahnwache mit 300 Teilnehmern organisiert. Geflüchtete sind in Gastfamilien auf der Insel untergekommen. „Es geht nicht nur darum, diesen Menschen eine Unterkunft zu bieten. Sie brauchen auch Begleitung bei ihren Besuchen auf den Ämtern oder jemanden, der ihre Kinder zur Schule bringt.“

Und Ingo Pohl hat noch ein Anliegen. „Wir haben hier viele Zweitwohnungen, die häufig leer stehen oder aber als Ferienappartements viel Geld bringen. Es wäre mein Wunsch, dass dieser Wohnraum den Geflüchteten, die alles verloren haben, zur Verfügung gestellt wird.“ Diese Forderung sei etwas provokant, gesteht Pohl sich selbst ein. Aber das passt zu dem Inselpastor, der immer Klartext spricht.