Wangerooge. Die 400 Meter lange “Mumbai Maersk“ war vor Wangerooge auf Grund gelaufen. Radarbilder des Containerschiffs werfen Fragen auf.
- Der Riesenfrachter „Mumbai Maersk“ hatte sich am späten Mittwoch vergangener Woche im flachen Wasser nördlich der Insel Wangerooge festgefahren.
- Er wurde in der Nacht zu Freitag freigeschleppt und lief dann Bremerhaven an.
- Mit den mysteriösen Ursachen des Unfalls beschäftigen sich nun die Wasserschutzpolizei und die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung in Hamburg.
Der Containerriese „Mumbai Maersk“ ist nach seiner Havarie in der Nordsee von deutschen Behörden für seetauglich erklärt worden und fährt bereits wieder. Das knapp 400 Meter lange Schiff machte in der Nacht zu Montag in Göteborg in Schweden fest.
Der Frachter hatte sich am späten Mittwoch vergangener Woche im flachen Wasser nördlich der Insel Wangerooge festgefahren. Er wurde in der Nacht zu Freitag freigeschleppt und lief dann Bremerhaven an.
Nordsee: „Mumbai Maersk“ wieder frei – Polizei ermittelt
Dort sei die „Mumbai Maersk“ von den zuständigen deutschen Stellen und einer Klassifizierungsgesellschaft, einer Art Schiffs-TÜV, untersucht worden, sagte der Vertreter. Sie gaben das Schiff wieder zu frei. Der dänischen Reederei sei aber zur Auflage gemacht worden, es bis Mitte Februar von außen von Tauchern untersuchen zu lassen. Dies sei in Bremerhaven nicht möglich gewesen.
Die „Mumbai Maersk“ verließ Bremerhaven demnach am frühen Sonntagmorgen. Mit den Ursachen des Unfalls beschäftigen sich die Wasserschutzpolizei und die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung in Hamburg. Deren Berichte liegen aber noch nicht vor.
Die Reederei Maersk hatte am Freitag zugleich eine „interne Untersuchung“ der Ursachen für die Grundberühung im Wattenmeer angekündigt.
Nordsee: Havariekommando schleppt "Mumbai Maersk" frei
Das Havariekommando reagierte erleichtert auf die erfolgreiche Bergung des Containerriesen auf der Nordsee. „Aufgrund der Größenordnung ist das definitiv keine Routine“, sagte der technische Direktor der Behörde, Dieter Schmidt, am Freitag in Cuxhaven. Wenn das Freischleppen in der Nacht nicht geklappt hätte, hätte sich die Bergung schlimmstenfalls über Wochen hingezogen, vermutet er.
Mit den immer größer werdenden Schiffen steige auch die Wahrscheinlichkeit „komplexer Schadenslagen“, sagte der Leiter des Havariekommandos, Robby Renner. Zur möglichen Ursache des Unfalls äußerte er sich nicht. Das Havariekommando sei „Retter in der Not“, die Aufklärung sei Sache der Wasserschutzpolizei und der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung.
Erster Bergungsversuch auf der Nordsee scheiterte
In der Nacht zuvor war der erste Versuch gescheitert, die „Mumbai Maersk“ freizuschleppen. „Glücklicherweise gibt es keine verletzten Personen“, sagte er. Die Bergung des Schiffes sei von der Tide abhängig. „Wir würden jetzt schon gerne losschlagen, aber wir müssen auf den höchsten Wasserstand warten“, sagte ein Sprecher.
Beim Hochwasser am Donnerstagmittag dann stand das Wasser nicht hoch genug, um es zu versuchen. Die Reederei orderte daraufhin zwei starke Hochseeschlepper an die Unfallstelle, um in der Nacht zum Freitag den weiteren, nun erfolgreichen Versuch zu starten. Sie wurden von sechs kleineren Assistenzschleppern unterstützt.
Mit einer Ladekapazität von annähernd 20.000 Standardcontainern (TEU) gehört die "Mumbai Maersk" zu den größten Containerschiffen der Welt. Der Frachter war von Rotterdam nach Bremerhaven unterwegs, als er sich um kurz nach 23 Uhr festfuhr. Noch in der Nacht waren fünf Schlepper sowie Mehrzweckschiffe zu dem Havaristen entsandt worden, heißt es weiter. Zudem war ein Team von speziell ausgebildeten Seeleuten an Bord gebracht worden.
Nordsee: Maersk-Frachter steckt vor Wangerooge fest
Die Umstände des Unfalls sind mysteriös: Radarbilder auf Branchendienstseiten im Internet zeigen, dass der Frachter offenbar seine Fahrrinne verließ und eine Schleife fuhr, bevor es in einem Flachwassergebiet zur Grundberührung kam. Dabei handelt es sich um eine unterseeische Ablagerungsfläche für Baggergut deutlich jenseits der Seezeichen, die den Einfahrtsweg für die Weser markieren. Ob das Schiff technische Probleme hatte, ist unbekannt.
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Vieles deutet auf einen Ruderschaden hin. Die Wasserschutzpolizei ermittelt. Maersk wollte sich am Donnerstag auf Anfrage des Abendblatts dazu vorerst nicht äußern. „Unser Fokus liegt im Moment darauf, das Schiff schnell wieder frei zu bekommen, und die enge Zusammenarbeit mit den betroffenen Kunden“ sagte eine Konzernsprecherin. Alle Besatzungsmitglieder seien in Sicherheit. Das Schiff war auf einer flachen Stelle auf Grund gelaufen, sodass die Hafeneinfahrt nicht versperrt wurde. Es gebe keine Anzeichen für einen Riss im Rumpf und keine Verschmutzung.
Erinnerungen an Havarie der "MSC Zoe"
Für die Nordseeküste rief der Unfall auch Erinnerungen an den Januar 2019 wach. Damals hatte ein anderer Containerriese, die "MSC Zoe", im Sturm vor den Westfriesischen und den Ostfriesischen Inseln 342 Container verloren. Fracht aus den geborstenen Kisten verschmutzte monatelang die Küsten.
Als eine Konsequenz daraus wurde eine Verlegung der viel befahrenen Schiffsroute weiter hinaus in die Deutsche Bucht erwogen. Die Behörden in Deutschland, Dänemark und den Niederlanden sehen aber keine Grundlage für eine Änderung der bestehenden Routen, wie die Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung vergangene Woche mitgeteilt hatte.
Havarie in der Nordsee: Nabu fordert Peilsender an Containern
Angesichts der nun vor Wangerooge auf Grund gelaufenen „Mumbai Maersk“ zeigt sich der Nabu Niedersachsen entsetzt darüber, dass "solch ein Vorfall nach der Havarie der 'MSC Zoe' im Jahr 2019 unmittelbar am Weltnaturerbe Wattenmeer erneut passieren konnte." Nabu-Landesvorsitzender Dr. Holger Buschmann fordert, „dass durch politisches Handeln endlich eine deutliche Verbesserung der Prävention, hier der Ladungssicherheit, und der Reaktion auf mögliche Schiffshavarien erfolgen muss“.
Das einzigartige Wattenmeer und seine dazugehörigen Inseln müssten vor verlorener Ladung und Einträgen von Schadstoffen wie Treibstoff oder chemischen Substanzen geschützt werden. "Im Falle eines Austritts von Öl oder anderen giftigen Substanzen würde eine Mehrfachtragödie für Meeres- und Wattbewohner drohen", teilte der Nabu mit. In der Regel seien zunächst zahlreiche Seevögel betroffen, darunter auch bedrohte Arten.
Grüne: Havarie vor Wangerooge ein Menetekel
"Wir unterstützen daher die Forderung vieler Insulaner und Küstengemeinden, den ‚Hauptschifffahrtsweg‘ vor der ostfriesischen Küste nach Norden zu verlagern", so Buschmann. Zudem müssten Container grundsätzlich mit Peilsendern ausgestattet werden. „Und es muss schnell und klar erkenntlich werden, was in den Containern geladen ist, auch öffentlich“, fordert Buschmann. „Es wird einen Unterschied machen, ob sich darin Turnschuhe oder Chemikalien befinden, wenn etwas passiert.“
Forderungen nach einer Verschärfung der Sicherheitsauflagen kommen auch aus der Politik. Stefan Wenzel, Bundestagsabgeordneter und umweltpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis/Die Grünen, sprach von einem Menetekel. Die Havarie sei „ein weiteres Beispiel für die hochgefährlichen Risiken durch die ungebremste Rekordjagd der Riesenschiffe. Die Sicherheitsanforderungen stammen noch aus einer Zeit als die Containerschiffe viel kleiner waren.“
Laut Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) zeige der Unfall, „dass wir ständig daran arbeiten müssen, den Schutz unserer Küsten vor Schadstoffunfällen zu verbessern“. Lies warf dem Bund vor, bei der Diskussion über mehr Sicherheit im Schiffsverkehr vor der Küste zu bremsen. Bei Sturm sollten große Schiffe auf Routen weiter von der Küste entfernt ausweichen, forderte der Minister. Für die Schifffahrtsregeln ist der Bund zuständig.