Kappeln. Das Restaurant Tauwerk in Kappeln arbeitet mit Jugendlichen – das Konzept ist ein Erfolg. Immer mehr Jungen und Mädchen bewerben sich.
Man kann Michel Helmchen als einen glücklichen Gastronomen bezeichnen. Denn er hat ein Problem nicht, das die meisten in der Branche plagt: Helmchen hat einen Weg gegen die zunehmende Personalknappheit gefunden, über die so viele klagen und die manche Restaurantbetreiber zwingt, kürzer zu öffnen, als sie es eigentlich wollen.
Der Betreiber des Restaurants „Tauwerk“ in Kappeln beschäftigt im Service vor allem Schüler. Zwischen 25 und 30 Jungen und Mädchen arbeiten in seinem Restaurant – zu wenig Personal hat er deshalb nie. „Mittlerweile hat das ganze System eine Eigendynamik entwickelt, so dass sich die Jungen und Mädchen aktiv bei uns bewerben“, sagt Helmchen.
Gastronomie: Helmchen will die Jugendlichen schulen
Entstanden ist die Idee schon lange bevor er sich 2019 mit dem ersten eigenen Restaurant selbstständig machte. „Ich habe hier im Ort 13 Jahre in einem anderen Restaurant als Küchenchef gearbeitet“, sagt der gebürtige Kappelner. Schon da habe er immer öfter auf engagierte Schüler zurückgegriffen. Und das nicht nur als unbezahlte Praktikanten. Nein, als bezahlte Aushilfen. Stück für Stück sei in ihm die Idee gereift, dass man diese Art der Beschäftigung doch ausbauen könne. „Immer weniger junge Menschen machen eine Ausbildung in der Gastronomie“, sagt Helmchen. Der Beruf gelte als nicht attraktiv, völlig zu Unrecht wie er findet.
Doch Helmchen wollte die Jungen und Mädchen nicht einfach als billige Arbeitskräfte beschäftigen, sondern auch schulen und auf das Berufsleben vorbereiten. Also entwarf er zur Eröffnung seines eigenen Restaurants im Jahr 2019 ein Konzept zur Beschäftigung von Schülern und stellte es der IHK (Industrie- und Handelskammer) vor. „Man kann sagen, dass die von der Idee wirklich angetan waren“, so Helmchen. „Wieso sind wir selbst nicht darauf gekommen?“, hätte man ihm gesagt.
Jugendliche durchlaufen verschiedene Ausbildungsstadien
Und: Eigentlich müsste es in jeder Stadt ein „Tauwerk“ geben. Auch Helmchen ist überzeugt, dass viel mehr Gastronomen mit den jungen Leuten arbeiten sollen. „Doch einfach darf man sich das nicht vorstellen. Am Anfang hat es vor allem erst einmal viel Zeit und Geld gekostet.“ Mittlerweile sei es ein eingespieltes System.
Ein System bei dem die Jungen und Mädchen verschiedene Ausbildungsstadien durchlaufen. Den Anfang macht die Arbeit am Tresen. „Alle müssen lernen, wie das mit den Getränken geht.“ Den direkten Kontakt zu den Gästen hätten die Schüler da noch nicht. In zweiten Schritt seiner „Ausbildung“ würden die neuen Mitarbeiter als sogenannte Läufer eingesetzt. „Hier lernen sie Teller und Tabletts richtig zu tragen. Müssen die Speisen mit allen Beilagen lernen. Und dürfen danach dann Gerichte zu den Gästen bringen und abdecken.“
„Auch wer ans Telefon gehen darf, ist festgelegt“
Helmchen ist wichtig, dass seine jungen Kollegen alle Fragen zu den Gerichten beantworten können. „Und natürlich auch die richtigen passenden Gerichte mit Beilagen aufdecken.“ Erst im letzten Ausbildungsschritt dürfen die Jungen und Mädchen dann auch Bestellungen aufnehmen und kassieren. „Auch wer ans Telefon gehen darf, ist festgelegt.“ Wie eine Kurzversion der Ausbildung zum Restaurantfachmann organisiert Helmchen sein Schüler-System.
Auch die Bezahlung der jungen Kollegen ist genau geregelt. Zehn Euro pro Stunde erhalten die Jungen und Mädchen, die älter als 18 Jahre sind. 9,50 Euro die Minderjährigen, nach Abzug der Steuern. Dazu komme noch ein großer Schwung Trinkgeld, nicht selten die doppelte Menge. „Sobald der Mindestlohn angehoben wird, werden wir das natürlich auch bei uns anpassen.“ Dennoch, so Helmchen, in welchem Schülerjob verdiene man so viel Geld. Dazu kommen regelmäßig gemeinsame Unternehmungen. Ein Wochenende in Dänemark, ein Kinobesuch oder ein Abend mit bestellter Pizza.
Arbeitszeiten im Restaurant gar nicht so schlecht?
„Diese Gruppentreffen haben natürlich vor allem den Teambildungszweck. Man kann sich austauschen und Sachen besprechen. Erfährt von dem einen oder anderen noch interessante Dinge, sodass wir wirklich gefühlt auch ein sehr familiäres Team sind.“ All diese Faktoren machen für viele junge Kappelner und Jugendliche aus der ganzen Gegend sein Angebot attraktiv. „Die sind stolz, dass sie hier ihr eigenes Geld verdienen.“ Selbst aus dem knapp 20 Kilometer entfernten Süderbrarup kommen Schüler zur Arbeit angefahren.
Dazu kämen die Arbeitszeiten. „Die sind nämlich gar nicht so schlecht, wie es immer vermittelt wird.“ Zum einen gebe es die Mittags- und Nachmittagsschicht. Und selbst die Schicht am Abend ende selten so spät, dass man am Wochenende nicht noch das eine oder andere unternehmen könne. Denn gerade das Arbeiten an den Wochenenden, wo andere frei haben, gelte vielen ja als Grund, nicht in der Branche tätig zu werden. „Die Partys gehen doch oft erst viel später los. Da können meine Jugendlichen ohne Probleme noch weiterziehen.“
Personalmangel in Region jetzt schon groß
Mit dem Schüler-Konzept kann Helmchen dem Problem des zunehmenden Personalmangels zumindest ein wenig entgegenwirken. Auch wenn er weiß, dass seine jungen Leute nicht ausreichen werden, um das Problem, das sich in den kommenden Jahren nochmals verschärfen wird, in den Griff zu bekommen.
Erst vor Kurzem hat Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) gesagt, welche Auswirkungen der Personalmangel auf die Region haben kann. Der sei schon jetzt groß – und werde künftig stetig steigen. „Wir werden dafür sorgen müssen, dass im Servicebereich entweder über zusätzliche Attraktivitäten, die wir schaffen, über mehr Geld oder ein verändertes Einwanderungsrecht wir wieder zu mehr Personal kommen“, so der Minister.
Restaurant zeigt Schülern Perspektive auf
Und man müsse, so Buchholz, sich neue Konzepte überlegen. „Ich sage mal voraus, dass die Selbstbedienungsrestaurants nicht weniger werden, sondern eher mehr.“ So etwas auf einem hohen Qualitätsniveau anzubieten sei eine Herausforderung, dazu müsse man sich etwas einfallen lassen. Es sei in dem Bereich Kreativität in den kommenden Jahren gefragt.
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Kreativität, wie Helmchen sie an den Tag legt. Der hofft, den einen oder anderen Schüler auf diese Weise von den Vorzügen der Gastronomie zu überzeugen. „Ich versuche ihnen zu zeigen, was man alles erreichen kann. Was man verdienen kann. Und wie international unsere Branche ist. Schließlich können sie überall auf der Welt arbeiten.“ Zumal die Ausbildung in Deutschland in anderen Ländern hoch angesehen sei. Einen ersten eigenen Schüler hat er mittlerweile als Lehrling angestellt. „Der junge Mann ist so gut, der wird seinen Weg machen.“
Schüler-Lehrling soll als Restaurantleiter arbeiten
Helmchen plant bereits ein zweites „Tauwerk“ in Eckernförde. Spätestens im Jahr 2024 soll es dort dann ein Restaurant mit seinem Schüler-Konzept geben. „Wir machen uns schon jetzt langsam auf die Suche nach den passenden Räumlichkeiten.“ Und wenn alles klappt, dann soll sein erster Schüler-Lehrling dort erstmals Verantwortung übernehmen als Restaurantleiter. „Spätestens dann haben wir den Beweis angetreten, dass unser Konzept funktioniert.“