Travemünde. Mike Wöbke hat eine Extra-Ausbildung gemacht, sieht sich als Botschafter für das wertvolle Lebensmittel und gibt hilfreiche Tipps.
Die Gesellschaft für Ernährung empfiehlt eine bis zwei Portionen Fisch pro Woche, Mike Wöbke isst aber mindestens vier Fischmahlzeiten pro Woche. Fleisch kommt bei ihm nämlich schon seit vielen Jahren nicht mehr auf den Tisch. Als Kind konnte er es nicht leiden, wenn Gräten in seinem Essen steckten, aber das passiert ihm heute nicht mehr, denn Mike Wöbke, weiß genau, wo sie sitzen: „Wenn ich penibel drauf achte, kriege ich jeden Fisch grätenfrei. Aber nehmen Sie sicherheitshalber das Schwanzstück, da gibt es keine Gräten“, sagt der 55-Jährige.
Auch die Fischreste könne er gebrauchen, denn er verarbeite ohnehin das ganze Tier, weil er viele Fonds koche, sagt Wöbke. Der Fischhändler aus Travemünde weiß viel mehr über Fisch und Meerestiere als die meisten, denn er ist einer der ersten Fischsommeliers in Deutschland.
Ostsee: Einer der ersten Fischsommeliers kommt aus Travemünde
Wöbke findet diese Bezeichnung selbst nicht so recht glücklich, ein Sommelier sei schließlich eigentlich ein Weinkellner oder Mundschenk, aber inzwischen gibt es neben den Weinexperten auch viele weitere Sommeliers, etwa für Käse, Bier, Wasser, Edelbrände, Fleisch, Gewürz und Brot. Lieber bezeichnet er sich als Fischbotschafter. Er will den Menschen nahebringen, welch wertvolle Lebensmittel Fisch und Meerestiere sind. Eine Ausbildung zum Weinsommelier hat er auch noch gleich gemacht: „Wein und Fisch ist ein schönes Pairing.“
Der Schleswig-Holsteiner, der auf dem Priwall aufgewachsen ist, war als Junge ein begeisterter Angler. „Mal Butt, mal Aal“, erinnert er sich an seine Fänge von damals. Inzwischen sei Angeln eine wahre Materialschlacht, er habe es aufgegeben. Er wolle auch keine Fische mehr töten, sagt der passionierte Taucher. Deshalb werden auch Hummer bei ihm nicht mehr bei lebendigem Leib gekocht.
Hummer werden mit „High Pressure-Methode“ getötet
Er verkauft ausschließlich Tiere, die mit der „High Pressure-Methode“ getötet wurden. Es ist ein Verfahren, bei dem der Hummer nach dem Fang durch Überdruck getötet und sofort tiefgefroren wird. So soll ein Problem vermieden werden – die von vielen Menschen als grausam empfundene Tötungsmethode in kochendem Wasser. Das habe auch einen weiteren Vorteil: „Der Hummer ist dann noch roh in der Schale“, sagt Wöbke. Er habe schon etliche Köche in der Region überzeugen können, solche Tiere zuzubereiten.
Der Schleswig-Holsteiner, der von sich sagt, er könne sehr gut schmecken und riechen, hatte in seiner Jugend eine Kochausbildung absolviert. „Viel Arbeit, wenig Geld“, erinnert er sich. Dann habe er die Möglichkeit gehabt, bei Fisch Wöbke in der Salatküche anzufangen. Den Familienbetrieb gibt es seit mehr als 50 Jahren. Mike Wöbke ist seit 25 Jahren mit Petra, der Tochter des Hauses, verheiratet. Räucherfisch bezieht Mike Wöbke von seiner Schwägerin, die eine Räucherei in Lübeck betreibt.
Fisch-Spezialitäten werden nur im eigenen Laden verkauft
Das Ehepaar Wöbke liefert keine Produkte an den Großhandel, sondern verkauft die frischen Spezialitäten wie Kräutermatjes, Wintermatjes mit Preiselbeeren, Nüssen und Apfel oder das Bückelhack, eine Räucherfischpaté, nur im eigenen Laden, in dem Petra Wöbke mit einigen Angestellten die Kunden bedient. „Ich kann deshalb ohne Konservierungsmittel arbeiten. Wir können gewährleisten, dass wir immer frische Salate verkaufen. Und manchmal ist eben auch mal eine Sorte aus.“
Wie viele Branchen, darunter die Gastronomie, sucht auch der Fischsommelier händeringend weitere Mitarbeiter. Von seinen 16 Angestellten seien einige kurz vor der Rente, „es ist sehr schwierig, Leute zu finden“. Er suche schon bei drei Arbeitsvermittlungen. Ähnliches hätten die Handwerker erzählt, die seine neue Salatküche eingerichtet haben, sagt Wöbke.
Fischsommelier-Lehrgang in Bremerhaven
Mit Fischen und den Produkten, die man daraus herstellen kann, kannte sich der gelernte Koch schon vorher gut aus. Aber die knapp einjährige mehrere tausend Euro teure Fortbildung zum Fischsommelier mit Prüfung und Anerkennung durch die Handelskammer in Bremen reizte den Mann mit den vielen Tätowierungen. Die meisten anderen Kursteilnehmer waren ebenfalls Köche wie er.
„Schwerpunkte der Fortbildung liegen in der Warenkunde, der Fischsensorik sowie Qualitätsprüfung und Qualitätserkennung. Das Seminar hat einen hohen sensorischen Praxisbezug. Im Selbststudium mit vorgegebener Lektüre muss sich ein erheblicher Teil der theoretischen Warenkunde für die schriftliche Prüfung angelernt werden“, heißt es in der Beschreibung des Lehrgangs, der vom Unternehmen Transgourmet Seafood in Bremerhaven angeboten wird.
Sensorische Tests sind eine Herausforderung
Besonders herausfordernd sei der Sensoriktest gewesen, sagt Wöbke und holt eine Schachtel mit blauen Gummimuscheln hervor, deren Material sehr unterschiedlich fest ist. Jeder Prüfling musste sie in eine Reihenfolge bringen – von fest bis weich. Eine große Herausforderung, wie sich zeigt, wenn man das mal probehalber versucht. Oder die zwölf Kunststoffröhrchen, die auf den ersten Blick alle dieselbe gelbe Flüssigkeit enthalten.
Tatsächlich sind es unterschiedliche Farbtöne, aber eben kaum zu unterscheiden. Mit diesen Übungen sollten die angehenden Fischsommeliers ihre sensorischen Fähigkeiten unter Beweis stellen, denn die seien wichtig, um die Qualität und Frische von Fischen und Meerestieren zu prüfen, sagt Wöbke. Hätte er nur eines falsch einsortiert, wäre er bei der Abschlussprüfung durchgefallen.
Fischsommelier: „Bisher gibt es nur sehr wenige von uns“
Idealerweise sei Fisch fest und elastisch, das könne man mit einem Daumendruck leicht feststellen. Aber weil man ja nicht einfach in die Theke langen könne, sollte man den Händler bitten, das zu tun, rät Wöbke. Und beim ganzen Fisch sollten die Augen klar und leicht gewölbt sein, die Kiemen rot und die Lamellen gut ausgeprägt. Dann könne man sicher gehen, dass er frisch ist. „Wenn man vor dem Tresen steht und einen optisch etwas anspringt, weil es schön glänzt, dann sollte man es nehmen“, rät er.
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„Bisher gibt es nur sehr wenige von uns“, sagt Fischsommelier Wöbke, der sein Wissen nun in Kursen weitergibt. Themen sind beispielsweise Konservierungsmethoden, Garnelenzubereitung oder das Kochen von Bouillabaisse. „Ich sehe mich als Bindeglied zwischen dem Fischhändler und dem Kunden“, sagt Wöbke, der selbst im Laden keinen frischen Fisch verkauft. Den gibt es bei ihm nur auf Bestellung, weil er so schnell verdirbt.
Ostsee: Karpfen ist besonders nachhaltig
Zum Thema Nachhaltigkeit hat Wöbke einen Tipp, der bei vielen nicht besonders viel Begeisterung hervorrufen dürfte: „Karpfen ist ideal.“ Der könne ohne Fischmehl in Aquakulturen gezüchtet werden. Forellen dagegen bräuchten Fischmehl, für das beim Fang viele Wildfische sterben müssten. „Wenn man sie aber nur mit Soja füttert, fehlen die Omega Fettsäuren.“
Für Wöbke liegt die Zukunft dennoch in Aquakulturen. Er selbst kauft seinen Fisch für den Hausgebrauch üblicherweise direkt vom Kutter, am liebsten Steinbutt oder Glattbutt, aber auch Dorsch. Aber man solle ihn nicht am ersten Tag zubereiten, sondern erst am zweiten, rät der Experte: „Sonst ist er noch zu steif und wölbt sich in der Pfanne. Fleisch muss ja auch abhängen.“