Kampen. Die Sylter Gemeinde möchte in der Nähe des Leuchtturms Dauerwohnraum schaffen. Doch es gibt heftigen Gegenwind.

Der Leuchtturm „Langer Christian“ am Brönshooger Weg in Kampen ist ein ebenso beliebtes wie berühmtes Postkartenmotiv. Den freien Blick auf dieses weiß-schwarze Bauwerk sowie die historischen Hügelgräber sehen der Söl’ring Foriinig e.V. und die Naturschutzgemeinschaft Sylt (NSG) nun akut bedroht, denn in Blickweite soll nach den Plänen der Gemeinde Kampen auf Sylt ein Neubaugebiet entstehen. Um dieses Bauvorhaben ist in dem noblen Ort auf der Nordseeinsel nun eine heftige Diskussion entbrannt.

Nur in einem sind sich alle Beteiligten einig. Sylt braucht mehr bezahlbaren Dauerwohnraum, es soll also gebaut werden. Uneins ist man in Kampen allerdings, wo das ideale Grundstück dafür ist. Im Wohnraumentwicklungskonzept Sylt 2025 wurde für den Zeitraum von 2011 bis 2025 insgesamt ein Bedarf an Neubauten für Dauerwohnen von 2850 Wohnungen prognostiziert, für Kampen eine vergleichsweise kleine Anzahl von 62 Wohnungen, davon sind nach Angaben von Bürgermeisterin Stefanie Böhm aber erst zehn gebaut – auf dem Gelände des früheren Kindergartens, der geschlossen wurde.

Sylt: Streit um Neubaugebiet in Kampen

Die Gemeinde Kampen, in der 520 Menschen mit Erstwohnsitz gemeldet sind und etwa doppelt so viele mit Zweitwohnsitz, will nun auf einem Grundstück am südlichen Ortsrand zwischen den Straßen Esling-Wung und Brönshooger Weg 45 Wohneinheiten bauen.

Als sogenannte Träger öffentlicher Belange, die bei Bauvorhaben angehört werden müssen, sprachen sich die Naturschutzgemeinschaft Sylt (NSG) sowie der Söl’ring Foriining e.V. in ihren Stellungnahmen nun vehement gegen das Projekt aus. Neben dem Leuchtturm befinden sich in der Nähe des nun so umstrittenen Areals mehrere historische Grabhügel. „Wir verschließen uns nicht dem Wohnungsbau, aber die Schmerzgrenze wird immer niedriger. In 20, 30 Jahren wird die nächste Fläche verschwinden“, sagt Maren Jessen, die Vereinsvorsitzende des Söl’ring Foriining e.V., des nach ihren Angaben mit 2500 Mitgliedern größten Kultur- und Heimatvereins Schleswig-Holsteins.

Dieser sei einst gegründet worden, um die Denkmäler auf der Insel zu schützen. „Aber man hat alle Hemmungen verloren. Wir leben davon, dass die Insel so schön, dass es diese Freiflächen gibt.“ Das Archäologische Landesamt habe keine Einwände gegen den Bau erhoben, aber der Denkmalrat des Landes sei entsetzt, dass dort gebaut werden dürfe, sagt Jessen, die findet, „man muss nicht ohne Not in die freie Landschaft eingreifen.“

Kampen: Denkmalrat entsetzt, dass dort gebaut werden darf

Die Gegner der von der Gemeinde favorisierten Fläche sehen Alternativen in einer Fläche weiter östlich vom derzeit beabsichtigten Baugebiet. Diese gehört jedoch mehrheitlich der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). „Mit denen muss verhandelt werden“, fordert Maren Jessen. Die Gemeinde habe nie darüber informiert, ob es solche Gespräche gegeben hat.

„Natürlich haben wir des Öfteren Gespräche geführt“, sagt Bürgermeisterin Stefanie Böhm. Das könnten die Gegner auch wissen, kämen sie nur regelmäßig in die Gemeindevertretersitzungen, sagt sie erzürnt. Man lebe auf einer kleinen Insel und kenne sich ziemlich gut. Man könnte auch einfach zum Telefonhörer greifen und sprechen. „Das Problem ist, die BImA pocht auf dem Bodenrichtwert und der liegt bei 3000 Euro pro Quadratmeter. Das kann die Gemeinde nicht bezahlen.“ Zudem gehöre eine größere Fläche mitten im BImA-Gelände einem Privateigentümer. Das mache die Angelegenheit nicht einfacher.

„Man hat ja keine Leuchttürme ins Dorf gebaut“

Maren Jessen sieht noch eine andere Möglichkeit. Avenariuspark, eine Grünfläche mitten im Ort, sei eine mögliche Fläche, diese würde sie präferieren, sagt sie: „Das ist ein Sahnestück. Dort könnte man junge Familien ansiedeln, die wären da richtig gut aufgehoben.“ Üblicherweise würden die Kampener nämlich alle am Ortsrand wohnen, weil die Häuser im Zentrum Nichteinheimischen gehörten. Für Bürgermeisterin Stefanie Böhm kommt diese Grünfläche überhaupt nicht infrage: „Dort steht das Ehrenmal für die Kriegsgefangenen aus dem 1. und 2. Weltkrieg. Das ist ein Kleinod bei uns im Dorf. Da hat sogar das Land gesagt, von einer Bebauung dort sollen wir Abstand nehmen.“

Auch Roland Klockenhoff wendet sich gegen den Bebauungsplan 41. Der Vorsitzende der Naturschutzgemeinschaft Sylt sagt, man akzeptiere, dass Dauerwohnraum geschaffen werde, „wir halten schlicht den Standort für ungeeignet“. Landschaftsästhetische Gründe sprächen dagegen. So seien ja auch keine Windräder auf Sylt erlaubt. Und die von der Gemeinde derzeit geplante Fläche sei als schlechter geeignet bewertet als jene, die der BImA gehöre.

Auch Sven Lappoehn, Geschäftsführer des Söl’ring Foriining e.V., betont, es sei wichtig, den Abstand der Wohnhäuser zum Leuchtturm zu behalten. Das sei immer so gewollt gewesen. „Man hat ja keine Leuchttürme ins Dorf gebaut.“ Die Gemeinde habe natürlich „ein hoheitsrechtliches Planungsrecht, aber wir üben hier sachliche Kritik.“ Die Entscheidung sei ja nicht unumkehrbar.

Wohnungen in Kampen sind begehrt

Stefanie Boehm ist Bürgermeisterin in Kampen.
Stefanie Boehm ist Bürgermeisterin in Kampen. © HA / A.Laible | Andreas Laible

Kampens Bürgermeisterin, die bereits in der dritten Legislaturperiode amtiert, betont jedoch, die Fläche im Süden des Ortes sei die einzige im Besitz der Gemeinde, über die man verfügen könne. „Die Hügelgräber bleiben, der Leuchtturm bleibt. Und wir bauen einen großen Spielplatz mit Bezügen zu den alten Zeiten. Das kann man ja gemeinsam machen. Aber dazu muss man sprechen.“ Die Gemeindevertretung, bei der die Kampener Wählervereinigung (KWV) die alleinige politische Kraft ist, ist sich einig, dass die Wiese der derzeit einzig mögliche Platz für die Neubauten ist.

Auch dieses Grundstück habe einst der BImA gehört, sagt Böhm, doch das habe die Gemeinde schon vor vielen Jahren erworben, damals noch zu einem bezahlbaren Preis. Geplant sind ihren Angaben zufolge 45 Wohneinheiten in Doppelhaushälften, Einfamilienhäusern sowie zwei Mehrfamilienhäusern. Letztere will die Gemeinde selbst bauen und vermieten. Die Grundstücke für die anderen Häuser sollen in Erbpacht vergeben werden. Die Bürgermeisterin spricht von einer „ellenlangen Liste von Leuten“, die sich für eine Wohnung in Kampen interessieren. Voraussetzung: Sie müssen ihren ersten Wohnsitz in Kampen nehmen.

Bis der Bebauungsplan 41, Gültigkeit erlangen kann, an dem ihren Angaben zufolge schon seit 2016 gearbeitet wird, müssten nun noch die Einsprüche abgewogen und eingearbeitet werden. In diesem Jahr werde man ihn wohl nicht mehr verabschieden, glaubt Böhm. Auch aus der Straße Esling-Wung gebe es Widerstand.

Diese Straße sei einst auch für junge Sylter neu geschaffen worden, „von denen, jetzt nicht mehr ganz so jung, wohnen noch drei da, der Rest hat verkauft. Die, die jetzt die Einwände haben, weil sie um ihren freier Blick fürchten, von denen sitzt aber keiner im Feuerwehrauto, wenn es hier mal brennt, sondern in Hamburg oder woanders. Die tun auch sonst nichts für die Dorfgemeinschaft.“