Schleswig-Holstein. Im Crew House hat das „Nordseekollektiv“ Raum für Mitarbeiter von Hotels und Gastronomie geschaffen. Ein Ortsbesuch.

Mit 39 Jahren in eine Wohngemeinschaft zu ziehen, der Gedanke daran war für Anne Spreemann zunächst gewöhnungsbedürftig. Seit August schon lebt sie als eine der älteren Mieterinnen im Crew House in St. Peter-Ording, einem Haus extra für Mitarbeiter von Gastronomie und Hotel, die das Backsteinhaus hinterm Deich für die Angestellten gemietet haben. Dass sie hier nicht für immer bleiben kann, schmerzt Anne Spreemann schon jetzt. Zu Besuch in einer besonderen WG.

Aus dem Sauerland ist Anne, hier duzt man sich, nach St. Peter-Ording gekommen, um beruflich neu durchzustarten. Seit einem Urlaub vor sieben Jahren stand für die alleinstehende Frau fest, dass sie am Meer leben und arbeiten möchte. Nun ist sie an der Rezeption des Hotels Zweite Heimat für die Gäste zuständig.

Nordsee: Hotels in St. Peter Ording suchen Fachkräfte

Ihr Arbeitsplatz ist keine fünf Minuten zu Fuß von ihrem Zuhause entfernt. Noch ein wenig näher hat es Paul Steingräber. Der 22-Jährige aus Lüneburg macht derzeit seine Ausbildung zum Hotelfachmann im nahe gelegenen Beach Motel. Paul und Anne werden gebraucht, denn Hotels und Gastronomie suchen Arbeits- und Fachkräfte.

„Der Bedarf ist massiv, in allen Bereichen, im Service, in der Küche, an der Rezeption, im Housekeeping“, sagt Diana-Nadine Brammann, seit Oktober 2020 Geschäftsführerin des Nordseekollektives, einem Netzwerk von eigenständigen Betrieben, die sich zusammengetan haben, um gemeinsam Mitarbeiter zu akquirieren und sie zu binden. Und nicht nur das: Das Nordseekollektiv kümmert sich um die Angestellten, damit es ihnen gut geht.

Exklusive Angebote für Hotel-Mitarbeiter

Es werden Fortbildungen und Mitarbeiterevents sowie Sprachkurse angeboten, gerade wurde ein eigenes Fitnessstudio eröffnet und mit dem Crew-House ein Wohnhaus angemietet. „Wir kümmern uns um alles, was die Mitarbeiter brauchen, um anzukommen.“ Diana ist Mieterin im Crew House und gleichzeitig Vermieterin. Sie hat dort ihr Büro mitsamt ihren Kiteboards.

Diana-Nadine Brammann, Geschäftsführerin im Nordseekollektiv.
Diana-Nadine Brammann, Geschäftsführerin im Nordseekollektiv. © Mobby Michael Gehring

„Aber zum Kiten bin ich noch nicht richtig gekommen“, sagt sie. Zu viel zu tun. 200 Mitarbeiter gehören zu den teilnehmenden Betrieben des Nordseekollektivs, es könnten noch viel mehr sein. Allein das Hotel Zweite Heimat sucht derzeit zwei Kellner und ein bis zwei Köche. „Montags ist im Restaurant Ruhetag, weil wir kein Personal dafür haben“, sagt Hoteldirektorin Helga Herbers.

Kaum Wohnraum an der Nordsee-Küste

Das Problem ist nicht nur, Personal zu finden, sondern auch Wohnungen. Denn Wohnraum ist knapp an der Küste. Einen besonderen Weg geht das Nordseekollektiv, das die ehemalige Pension für seine Mitarbeiter angemietet hat. Die Mieten für die Zimmer liegen zwischen 380 und 730 Euro. Zum Nordseekollektiv gehören die Hotels StrandGut Resort, Beach Motel, Zweite Heimat sowie die Restaurants dii:ke und Die Insel.

So sieht ein Zimmer im Crew House aus.
So sieht ein Zimmer im Crew House aus. © Mobby-Michael Gehring

Seit Juli hat ein Teil der Angestellten die Möglichkeit, in einem der 17 Zimmer in dem mehrgeschossigen Haus zu leben, befristet auf sechs Monate bis zu einem Jahr. Denn: „Ziel ist es, dass die Leute nach und nach eigene Wohnungen finden“, so Diana-Nadine Brammann. Aber in dem Haus, das liebevoll mit Obstkisten aus dem Alten Land, einer großen Sofalandschaft auf Paletten und maritimen Motiven an der Wand eingerichtet ist, finden alle eine erste Anlaufstation, eine Gemeinschaft.

Crew House: Wohngemeinschaft unabhängig vom Alter

„Das ist gerade für die Auszubildenden, die noch nicht volljährig sind, sehr gut.“ Die jüngste Mieterin ist 15 Jahre alt, die älteste 55. Sie haben Zimmer mit eigenem Badezimmer und können sich im Esszimmer mit einem Riesenflatscreen treffen und essen oder im Wohnzimmer mit Sofalandschaft, Kickertisch und dem zweiten großen Fernsehbildschirm. Vor der Haustür stehen Liegestühle, Strandkörbe, und es gibt eine Feuerstelle für kuschelige Abende draußen.

In der Wohngemeinschaft wird oft zusammen gegessen.
In der Wohngemeinschaft wird oft zusammen gegessen. © Mobby-Michael Gehring

„Wir kochen zusammen, wir reden und gucken Filme, aber man hat auch immer die Möglichkeit sich zurückzuziehen“, sagt Paul. Er macht das häufiger, um in Ruhe mit seiner Freundin telefonieren zu können. „Ohne das Crew House wäre es schwer, Anschluss zu finden und Fuß zu fassen“, sagt er. „So lernt man Leute kennen und hat gleich eine Gemeinschaft.“

Ordnung im Crew House in St. Peter Ording

Ordnung ist wichtig und so hat jeder Bewohner eine Plastikkiste mit den eigenen Lebensmitteln. Es gibt die üblichen Regeln, die an jeder Tür hängen, wie: „Benutzte Dinge werden wieder zurückgestellt. Wäsche wird anständig und schnell erledigt. Sachen abwaschen, bevor diese in die Spülmaschine getan werden.“

Anne aus dem Sauerland sagt, sie habe einen Putzfimmel und lacht: „Das ist meine Therapie. Ich muss lernen zu entspannen.“ Sauberkeit und Ordnung sind Konfliktpunkte. Anne macht dann Ansagen und ist doch total nett: Regelmäßig backt sie Kuchen, Hefezöpfe oder kocht Pudding für ihre Mitbewohner. „Das hier ist mein Zuhause geworden.“