Scharbeutz. Statt Tickets zu lösen, können sich Tagestouristen online über die Zahl der Badegäste informieren. Doch der Strandticker hat Lücken.
Tagestouristen können weiterhin ohne umständliche Vorbuchung eines bestimmten Strandabschnitts an die Ostsee fahren. Eine Reservierungspflicht – Strand-App oder Strand-Ticket genannt – wird es nicht geben. Sehr leise und ein bisschen heimlich haben die Ostseebäder Abstand von einem Plan genommen, der lange als Allheilmittel gegen in Corona-Zeiten überbordenden Tagestourismus gepriesen wurde.
Schleswig-Holsteins Tourismusminister Bernd Buchholz (FDP) hatte das getan, Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hatte es noch vor wenigen Wochen genau so dem Berliner „Tagesspiegel“ erzählt. „Man kann über die App anmelden, dass man in einem bestimmten Zeitraum an einen Strandabschnitt will“, so Günther. „Wenn dort noch Platz ist, bucht man sich ein und hat dann eine Zugangsberechtigung.“ Die Gemeinde Scharbeutz habe das System entwickelt, jetzt könne es auch von anderen Orten genutzt werden.
Die Nachricht wurde damals bundesweit verbreitet, sie schaffte es sogar in die „Tagesschau“ der ARD. Dennoch: Aus der Strand-App wird nichts. Statt einer verpflichtenden Buchung gibt es nun lediglich ein Internet-Informationssystem. Das Pilotprojekt geht an diesem Donnerstag (2. Juli) an den Start. Die Internetseite heißt „Strandticker“, sie liefert Informationen darüber, wie voll einige Strände an der Lübecker Bucht sind (www.strandticker.de).
Ostsee-Strandticker gibt Touristen Empfehlungen
In ein paar Wochen sollen Sensoren die Zahl der Badegäste automatisch ermitteln und an die Seite melden. Vorerst übernehmen diese Aufgabe jedoch Strandkorbvermieter und Strandkontrolleure. „Sie werden uns um neun Uhr, elf Uhr, 13 Uhr und 15 Uhr jeweils aktuelle Eindrücke liefern“, sagt Andre Rosinski, Chef der Tourismus-Agentur Lübecker Bucht. „Diese Informationen werden zu Empfehlungen verarbeitet, die dann auf der Strandticker-Seite nachzulesen sind.“ So könne jeder Ausflügler schon morgens erkennen, welcher Strand überfüllt sei und wo es noch genug Platz gebe.
Allerdings hat der „Strandticker“ noch einige Lücken: Beteiligt sind zunächst nur Scharbeutz (mit Haffkrug), Sierksdorf, Pelzerhaken und Rettin. Ein ähnliches Pilotprojekt soll es auch an der Nordseeküste für St. Peter-Ording geben.
Bedenken gegen das Strand-Ticket
Für die überraschende Abkehr vom verpflichtenden Strandticket gibt es mehrere Gründe. Ein solches Ticket hätten nicht nur Hamburger Tagestouristen buchen müssen, sondern auch Schleswig-Holsteiner, die zum Beispiel in den Nachbargemeinden der Bäderorte zu Hause sind. Das fanden die Bürgermeister dieser Gemeinden nicht gut. Den seit Jahrhunderten geltenden freien Strandzugang einfach einschränken? Es gab Proteste.
Rechtliche Bedenken kamen hinzu. Die Tagestouristen hätten fürs Strandticket eine Menge Daten liefern müssen. An welchem Tag, in welchem Zeitraum, für welchen Strandabschnitt und welche Personen wird das Ticket gebucht?
Und dann ist da noch das Infektionsgeschehen. Vor rund sechs Wochen, am 18. Mai, hat Schleswig-Holstein das Einreiseverbot für Tagestouristen aufgehoben. Schon zuvor durften Hotels wieder öffnen. Seitdem strömen Touristen ins Land. Befürchtungen, dass dies zu einem Anstieg der Corona-Fälle führen könnte, haben sich nicht erfüllt. Im Gegenteil: Die Zahlen sind gesunken. Mit anderen Worten: Die Geschäftsgrundlage für einen Reservierungszwang mittels Strand-Ticket ist erst einmal entfallen.
Sensoren sollen Strandticker Daten liefern
An seine Stelle tritt nun der Strandticker. Für acht Strandabschnitte, davon fünf in Scharbeutz, zeigt er mittels Ampelfarben an, wo es noch freie Plätze gibt (grün), wo es eng wird (orange) und wo nichts mehr geht (rot). „Die rot markierten Strandabschnitte werden wir dann sperren“, sagt Rosinski. Die Sperrung gelte dann nicht nur für Tagestouristen, sondern für alle – auch für Einheimische.
Ab etwa Mitte Juli soll der „Strandticker“ Echtzeitdaten liefern – zumindest für die stark frequentierten Abschnitte links und rechts der Scharbeutzer Seebrücke. Dort werden 22 Sensoren aufgestellt. Aus drei Meter Höhe tasten sie größere Bereiche ab und senden die Daten an die Internetseite. Die Informationen können mit dem Parkleitsystem gekoppelt werden. Besucherlenkung ist dann schon weit vor dem Strand möglich. Sollte das System funktionieren, könnte es ausgeweitet werden. „Wir haben viele nicht kontrollierte Strände, wo keine Strandkörbe stehen und deshalb auch kein Strandkorbvermieter Daten an uns liefert“, sagt Rosinski.
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Das Pilotprojekt wird vom Land Schleswig-Holstein finanziell gefördert. Die Höhe ist unbekannt. Allein in Scharbeutz entstehen laut Rosinski Gesamtkosten im sechsstelligen Euro-Bereich. Die Förderung durch das Land gibt es auch deshalb, weil das Thema Besuchersteuerung in der Nach-Corona-Zeit aktuell bleiben wird. Der Tourismus hat in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Überfüllte Strände sind kein Corona-Phänomen.