Die schönsten Urlaubsorte an Nord- und Ostsee, Teil 3. Neue touristische Projekte locken immer mehr Urlauber in den Hafenort.

Auf dem Meeresboden spazieren gehen? Das geht?“ Olaf Raffel hört diese Frage öfters, wenn er in Deutschland oder im Ausland für „sein“ Büsum wirbt. Und der 49 Jahre alte Tourismus-Chef hat darauf regelmäßig nur eine kurze und knappe Antwort: „Ja, das geht.“ Es ist am Ende auch die Erklärung dafür, warum seit nunmehr fast einem Jahrzehnt immer mehr Menschen auf dem Meeresboden vor Büsum spazieren gehen wollen. Dass nämlich im vergangenen Jahr in Büsum erstmals zwei Millionen Übernachtungen gezählt wurden, hat für Olaf Raffel vor allem einen Grund: „Natururlauber“.

Die Liebe zur Natur zieht die Menschen wie ein Magnet an. „Wir sind das Tor zum Weltnaturerbe Wattenmeer“, sagt Olaf Raffel. Und deswegen, das haben sie bei den Besuchern gerade wieder erfragt, kommen die meisten Touristen hierher. Nach Sylt und St. Peter-Ording ist Büsum auf Platz drei an der Westküste, nach Fehmarn, Timmendorf und Grömitz auf Platz sechs der Top-zehn- Urlaubs­orte in Schleswig-Holstein.

Sehnsucht nach einer Auszeit

Die Menschen kommen, um zu entschleunigen. Sie wollen durchatmen, innehalten, draußen sein. Sie suchen die Weite und haben Sehnsucht nach einer Auszeit. Nach Wind in den Haaren und Salz auf der Haut. Die Liebe zur Natur ist wohl die einzige Konstante in der höchst wechselvollen Geschichte dieser lebendigen Gemeinde im Kreis Dithmarschen an der Westküste Schleswig-Holsteins.

Denn ansonsten überwiegt hier – der Wandel. Büsum, das bedeutet eigentlich ständige Veränderung. Ohne dabei jedoch die Tradition ins Museum zu verbannen. Fischerdorf, Kurort, moderne Urlaubsdestination: So ließe sich in aller Kürze die knapp 900 Jahre alte Geschichte Büsums zusammenfassen.

Einst eine Insel namens Bisvne mit mehreren Dörfern, die erstmals 1140 Erwähnung fand, ist Büsum seit 1585 mit dem Festland verbunden. Was geblieben ist über all die Jahrhunderte, das ist der Kampf mit und damit auch der Respekt vor der Natur. Ständig geht es hier also um den Umgang mit Sturmfluten und Verwüstungen, um Landgewinnung und Deichbau, um das Leben mit dem Meer und den Einklang mit den Wellen.

Junge Seehunde werden in der Nordsee ausgewildert

Seehündin Freya blickt noch etwas ängstlich drein. Sie soll am Strand von Juist ausgewildert werden.
Seehündin Freya blickt noch etwas ängstlich drein. Sie soll am Strand von Juist ausgewildert werden. © dpa | Carmen Jaspersen
Peter Lienau (l.), Leiter der Seehundaufzuchtstation in Norddeich, entlässt mit Helfern auf Juist vier junge Seehunde.
Peter Lienau (l.), Leiter der Seehundaufzuchtstation in Norddeich, entlässt mit Helfern auf Juist vier junge Seehunde. © dpa | Carmen Jaspersen
Freya ist immer noch misstrauisch ...
Freya ist immer noch misstrauisch ... © dpa | Carmen Jaspersen
Die Seehunde Lotte, Mucke und Finchen tauchen neckisch Bisse aus.
Die Seehunde Lotte, Mucke und Finchen tauchen neckisch Bisse aus. © dpa | Carmen Jaspersen
Ein letzter Blick zurück ...
Ein letzter Blick zurück ... © dpa | Carmen Jaspersen
Dann geht's los: Freya, Lotte, Mucke und Finchen robben auf den Weg in die Freiheit.
Dann geht's los: Freya, Lotte, Mucke und Finchen robben auf den Weg in die Freiheit. © dpa | Carmen Jaspersen
Orientierungslos in der Nordsee: Einem Seehund wird die Sicht direkt von Seetang erschwert.
Orientierungslos in der Nordsee: Einem Seehund wird die Sicht direkt von Seetang erschwert. © dpa | Carmen Jaspersen
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Martina Köster ist eine Gästelotsin. Seit vier Jahren erzählt die fröhliche Frau den Gästen in Vorträgen und auf Führungen Wissenswertes über Binnenland und Waterkant. Über die große Sturmflut 1717: „Heiligabend kam das Wasser.“ Oder über die jüngsten großen Bauarbeiten mit der Errichtung der Familienlagune Perlebucht (2013) und der Deichverstärkung (2014): „Projekt Wasserkante“. An diesem Vormittag haben sich rund 20 interessierte Urlauber im hellen Vortragsraum des völlig neu gestalteten Watt’n Hus, dem komplett modernisierten und barrierefreien Freizeit- und Informationszentrum am Südstrand, eingefunden. „Büsum – einst und jetzt“, so lautet der Veranstaltungstitel.

Von Krabbenfischern und Seehundjägern

75 Minuten kurzweilige Informationen in Wort und Bild. Über die Krabbenfischer, die einst mit Stellnetzen zu Fuß ins Watt gingen und erst seit rund 140 Jahren mit den Booten zum Fang rausfahren. Über die Zeiten, als die Büsumer noch mit Gewehren ins Watt gingen, um Seehunde zu schießen, als es hier noch eine Krabbenkonservenfabrik gab, als die Damen und Herren noch in getrennten Strandabschnitten badeten.

Über die Anfänge des Tourismus, als rund tausend Gäste pro Jahr kamen und die Einwohner dann in ihr Gartenhäuschen zogen. Über architektonische Sünden wie das monströse Hochhaus auf dem Deich. „Zum Glück ist es nur eins, eigentlich sollten es fünf werden.“ Und immerhin garantiere es von innen einen gigantischen Blick übers Meer. „Und es dient in dem platten Land bei Radtouren auf dem Rückweg als weit sichtbarer Wegweiser.“

Drei Tipps für Büsum:

  • Familienlagune „Perlebucht“: Ein riesiges Badebecken mit Badeinsel­ und ein noch größeres Wassersportbecken für Wind- und Kitesurfen sowie Tretbootfahren garantieren den ganzen Tag lang tideunabhängigen Wasserspaß.
  • Schiffsausflüge: Vom Hafen aus kann man täglich Fang- oder Küstenfahrten, eine Abendfahrt mit Tanz und Musik sowie Ausflüge­ nach Helgoland oder zu den Seehundbänken buchen. www.adler-eils.de
  • Kurpark: In Büsums Wohlfühlgarten gibt es Konzerte des Büsumer­ Kurorchesters im Musikpavillon und in der Konzertserie „Kulturpark“ sowie Boule-Feld und Vital-Parcours mit Sportgeräten für Jung und Alt.
Olaf Raffel ist vor allem für das Heute und Morgen zuständig. Seit 2011 ist der Diplomgeograf Geschäftsführer der Tourismus-Gesellschaft mit 40 Angestellten und einem Jahresetat von drei Millionen Euro. Dass es während seiner Tätigkeit gelungen ist, 2013 und 2019 den ADAC-Tourismuspreis Schleswig-Holstein zu gewinnen, erwähnt er nicht. Er redet viel lieber über den Wandel. Und das, was noch kommt.

Wo anfangen? Am eindrucksvollsten ist sicherlich die Familienlagune „Perlebucht“. Zwei riesige Badebecken, eins für Schwimmfans, das andere für Wassersportler mit Kite­board, Kajak oder Tretboot. Davor die Watt’n Insel mit Beachvolleyball- und Beachsoccer-Feldern, mit Gastronomie und Beach-Bar mit Dachterrasse, mit Grill- und Picknickplätzen, Trampolin und riesigem Spielplatz.

Die Promenade mit Strandkörben auf der Wiese statt auf dem Sand.
Die Promenade mit Strandkörben auf der Wiese statt auf dem Sand. © Christoph Heinemann

Schuhe aus, rein ins Watt

5,5 Millionen Euro, 14 Monate Bauzeit, Eröffnung im Mai 2013. Quasi am gleichen Tag erfolgte der erste Spatenstich für die Deichverstärkung und die familienfreundliche Verbreiterung der nun fast drei Kilometer langen Promenade. Kosten: rund 15 Millionen Euro. Zusammen mit den rund neun Millionen Euro für den Umbau des Watt’n Hus betrugen die Gesamtinvestitionen mehr als 30 Millionen Euro. Raffel spricht von einer „zeitgemäßen Qualitätssicherung“ und einem „Sinnbild der Neupositionierung Büsums“. Zusätzlicher Effekt: Auch die Wirtschaft zieht mit.

„Sie hat in den letzten Jahren spürbar investiert, bisher geschätzte 130 Millionen Euro“, sagt Raffel. Weitere Investitionen sind geplant. Er nennt den Hotelneubau und die Modernisierung des Restaurants Kolles Alter Muschelsaal, das neue „Bernstein Suite Breakfast“, das Aquarium, das im Frühjahr 2021 eröffnen soll, das Freizeit- und Erlebnisbad Piraten Meer, das vom Sommer 2021 an noch mehr Gäste anlocken soll, die „Bretterbude“ Büsum, deren 116 „Butzen“ bis 2022 entstehen.

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Das Ligthhouse Hotel Spa, das im vergangenen Jahr an der Promenade eröffnet wurde, sorgt bereits für ein jüngeres Publikum – das in diesem Corona-Sommer aber auf große Events wie Legends at the Sea, die Lichterwoche, das Holi Beach oder das Meeresleuchten verzichten muss. Doch 2021 will man auch in Büsum wieder durchstarten. Bis dahin heißt es: Schuhe aus, rein ins Watt. Für viele gibt es nichts Schöneres, sobald sie in Büsum ankommen.

Schutz der Natur steht ganz oben auf der örtlichen Agenda

Und weil das so ist, gibt es hier auch das Wattenlaufen mit Musik. Einzigartig seit 120 Jahren. Die barfüßige Kapelle spielt fröhliche Marschmusik, Kinder rennen kreischend um den Wattenpräsidenten, eine beschwingte Polonaise folgt. Richtung Meer, Richtung Horizont, der Sonne entgegen. Damit das so bleibt, steht der Schutz der Natur ganz oben auf der örtlichen Agenda.

„Seit 2018 sind wir die erste Urlauber-Destination in Deutschland, die den CO2-Ausstoß der An- und Abreise der Gäste bei Buchungen über unsere Webseite oder die zentrale Zimmervermittlung ausgleicht“, sagt Raffel. „Mithilfe unserer Gäste konnten wir schon mehr als 1500 Tonnen CO2 ausgleichen.

Unterstützt werden Umweltprojekte in Kenia, Indien und Taiwan. Außerdem erhalten Gäste, die mit der Bahn anreisen, einen Rabatt von 10 Euro auf die Tagesmiete des Büsumer Nordseemobils. Statt 39 kostet das E-Auto mit einer Reichweite von 200 Kilometern 29 Euro. Denn eines wissen sie in Büsum seit neun Jahrhunderten. Die Natur ist ihr Pfund zum Überleben. Auch wenn der Kampf mit ihr nie aufhört.

Anreise und Informationen:

  • Anreise: Über die A 23 mit dem Auto Richtung Heide, Abfahrt Büsum/Heide. Rechts abbiegen auf die B 203 in Richtung Büsum. Nach etwa 17 Kilometern erreichen Sie das Ziel. Mit der Bahn erreicht man Büsum in der Regel mit einmal umsteigen ab Hamburg-Altona in Heide. Tickets ab 25 Euro.
  • Reisezeit: Pkw etwa 1,5 Stunden; mit der Bahn 2,5 bis 3 Stunden
  • Entfernung: etwa 120 Kilometer
  • Informationen: Tourismus Marketing Service Büsum /Tel. 04834/90 91 10 buesum.de /Nordsee-Tourismus: Tel. 04841/897 50 nordseetourismus.de
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